Löst Beta-Interferon-Behandlung Depressionen aus?

Eine häufige Begleiterkrankung von Multipler Sklerose (MS) sind Depressionen.

Auch bei Gesunden sind Depressionen nicht selten, fast jeder Fünfte erkrankt im Laufe seines Lebens einmal daran. Für Menschen mit MS wird aber geschätzt, dass etwa die Hälfte aller Betroffenen einmal im Leben an depressiven Symptomen leidet. Dadurch, dass Depressionen bei MS-Patienten aber oft nicht ausreichend erkannt und behandelt werden, kann die Erkrankung die Lebensqualität beeinflussen und verschlechtert ebenfalls die Prognose der MS-Erkrankung. MS-Patienten mit schweren Depressionen können z. B. Probleme haben, ihren Therapieplan einzuhalten.

Verschiedene Ursachen für Depressionen bei MS werden diskutiert

Für das erhöhte Risiko neben MS auch an einer Depression zu erkranken, werden verschiedene Ursachen diskutiert. Neben einer seelischen Belastung durch die Erkrankung selbst, könnten auch Nebenwirkungen von Medikamenten und Entzündungsvorgänge im Gehirn Depressionen auslösen. Als ein Faktor werden immunmodulierende Wirkstoffe vermutet, also Medikamente, die das Immunsystem anregen oder unterdrücken. Speziell Beta-Interferon wurde dabei in einen Zusammenhang mit Depressionen gebracht.

Interferon beta mdouliert das Immunsystem

Beta-Interferon ist ein Wirkstoff, der zur Basistherapie von schubförmiger MS eingesetzt wird. Neuerdings wird er bereits schon beim ersten Auftreten von neurologischen Symptomen verabreicht, wenn die Entwicklung einer MS wahrscheinlich ist. Der Wirkstoff ist ein synthetisch produzierter Botenstoff, der auch natürlicherweise im menschlichen Körper vorkommt. Beta-Interferon trägt dazu bei, die Blut-Hirn-Schranke zu schließen und hemmt Entzündungen. So können falsch programmierte Immunzellen nicht mehr so einfach ins Gehirn und Rückenmark gelangen und dort Nervenzellen angreifen. Kommt es aber doch zu einer Entzündungsreaktion, wird diese abgeschwächt. So verlangsamt Interferon beta das Fortschreiten der Erkrankung, vermindert die Häufigkeit der Schübe und sorgt dafür, dass Schübe weniger schwer ablaufen.

Unklar, wie Interferon beta und Depressionen zusammenhängen könnten

Die Annahme, dass Beta-Interferon im Zusammenhang mit Depressionen bei MS-Patienten steht, stützt sich auch auf Suizide während der Kernstudie für die Nutzung von Beta-Interferon als krankheitsmodifizierende Therapie bei MS. Außerdem gibt es viele Beweise, dass der eng verwandte Wirkstoff Alpha-Interferon, der bei anderen Krankheiten eingesetzt wird, sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirkt. Wie Beta-Interferon und Depressionen potenziell zusammenhängen war weiterhin ungeklärt, aber es wurde davor gewarnt, dass Beta-Interferon Depressionen verschlimmern kann.

Übersichtsarbeit soll Faktenlage sichten

Forscher aus Spanien haben sich deshalb nochmals genau die Literatur angeschaut, in der dieser Zusammenhang untersucht wurde. Sie setzten für die Auswahl von geeigneter Literatur voraus, dass die Teilnehmer der Studien eine diagnostizierte MS hatten und Beta-Interferon als Basisbehandlung bekamen. Alle Studien, die nicht auf Englisch verfasst wurden sowie solche, die die psychische Gesundheit nur als Teil der Lebensqualität der untersuchten, wurden ausgeschlossen. Insgesamt entsprachen letztlich zehn Studien allen Kriterien.

Nur drei von zehn untersuchten Studien stützten Zusammenhang zwischen Behandlung und Depressionen

Davon stützten nur drei den Zusammenhang einer Beziehung zwischen Interferon und Depressionen. Bei einigen Patienten ließ sich für die Anfangszeit der Behandlung mit Interferon ein mathematischer Zusammenhang zu der auftretenden Depression finden. Die Studienverfasser vermuten jedoch, dass gerade solche Patienten, die bereits in der Vergangenheit an einer Depression erkrankt waren, in den ersten sechs Monaten der Beta-Interferon-Behandlung eine schwere depressive Episode entwickeln könnten. Die anderen sieben untersuchten Studien nehmen an, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Behandlung mit Beta-Interferon und dem Auftreten von Depressionen gibt.

Studienlage nicht eindeutig – Risikofaktor könnten vorausgegangene Depressionen sein

Die spanischen Forscher fassen zusammen, dass die Studienlage nicht eindeutig ist. Die untersuchte Literatur zeigte keine klare Beziehung zwischen der Behandlung mit Beta-Interferon und Depressionen. In der Vergangenheit an Depressionen erkrankt gewesen zu sein, scheint aber ein Risikofaktor zu sein. Das schließt eine Behandlung mit Beta-Interferon aber nicht von vorneherein aus.

Die Forscher führen an, dass Veränderungen im Gehirn durch die MS eventuell dazu führen, dass das Gehirn von Betroffenen schlechter mit stressigen Lebensereignissen umgehen kann, was wiederum der Auslöser für eine depressive Störung sein kann. Sie befürworten daher die Entwicklung neuer Strategien für die frühzeitige Erkennung von depressiven Symptomen.

Bis es so weit ist, kann es helfen, seinem Arzt von vorherigen Depressionen zu berichten und seine psychische Gesundheit im Blick zu haben. Wenn man selbst, oder auch vielleicht Angehörige, erste Anzeichen einer Depression bemerken, sollte man dies ebenfalls mit seinem Arzt zu besprechen. Zu den typischen Symptomen einer Depression gehören eine depressive Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit, Antriebsmangel, Konzentrationsstörungen aber auch Gefühle wie Schuld, Wertlosigkeit und ein vermindertes Selbstvertrauen.

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Original Titel:
Systematic review of depression in patients with multiple sclerosis and its relationship to interferonß treatment.

Referenzen:
Alba Palé L, León Caballero J, Samsó Buxareu B, Salgado Serrano P, Pérez Solà V. Systematic review of depression in patients with multiple sclerosis and its relationship to interferonß treatment. Mult Scler Relat Disord. 2017 Oct;17:138-143. doi: 10.1016/j.msard.2017.07.008. Epub 2017 Jul 12.