Diabetisches Fußsyndrom

Risikobewusstsein nur unzureichend vorhanden

Trotz sinkender Majoramputationen ist das Risiko einer Amputation bei Menschen mit Diabetes immer noch um das Zwanzigfache erhöht. Jedoch: Obwohl Diabetiker häufig Fußprobleme wie Hyperkeratose, trockene Haut, Fuß- und Nagelpilz, Rhagaden sowie Fußfehlstellungen aufweisen, wissen zwei Drittel der Patienten nicht, dass sie besonders auf ihre Füße achten müssen.

Das zeigen die Ergebnisse des neuen GEHWOL Diabetes-Reports 2014 (1).
Für den Report hat GEHWOL gemeinsam mit den Marktforschungsspezialisten IDS und INSIGHT HEALTH 3.459 Diabetiker aus dem Behandlungspool von 369 Arztpraxen befragt und die Ergebnisse statistisch ausgewertet.

Das Diabetische Fußsyndrom (DFS) gehört zu den häufigsten Folgekomplikationen bei Menschen mit Diabetes. Gemeint sind Verletzungen am Fuß – unabhängig vom Diabetestyp sowie von der Art der Verletzung. Schätzungsweise jeder vierte Patient erleidet im Laufe seines Lebens ein DFS (2). Zum zweiten Mal nach 2009 gibt der neue GEHWOL Diabetes-Report 2014 Aufschluss über die relative Häufigkeit von Fußproblemen in Deutschland, vorhandenes Problembewusstsein sowie den Kenntnisstand der Patienten über empfohlene Maßnahmen zur Fußpflege und Prävention.

Vielfältige Risikofaktoren
Fußläsionen entwickeln sich aus einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, bei denen die diabetische Polyneuropathie eine zentrale Rolle spielt. Diese lag bei etwa einem Viertel (24%) der für den Report befragten, zumeist älteren Patienten vor. Durch die Schädigung der Nerven nimmt die Sekretion der Talg- und Schweißdrüsen ab, wodurch die Haut trocken, spröde und rissig wird. Ein Drittel (31%) der Diabetiker bestätigte, trockene Haut zu haben. Bei 21 Prozent wies die Haut zudem Rhagaden auf. Durch die Hauteinrisse kann es zu einer Pilzinfektion kommen. Unter einer Fuß- oder Nagelmykose litten zum Zeitpunkt der Erhebung 28 Prozent der Diabetiker.

Als weitere Konsequenz einer Polyneuropathie ergeben sich oft Koordinationsstörungen, was zu Deformationen der Füße sowie Fehlbelastungen führen kann. Bei 15 Prozent war dies der Fall. Die Fehlbelastung wiederum verändert die Druckverhältnisse am Fuß. Bei persistenter Druckeinwirkung kommt es zur Hyperkeratose. Ebenfalls ein Drittel der Befragten (31%) war hiervon betroffen.

Sensorische Neuropathie und Angiopathie
Gleichzeitig kann eine sensorische Ausrichtung der Neuropathie zur Folge haben, dass die Patienten weniger schmerzsensibel sind. Schmerzende Rhagaden oder auch Einschmelzungen im subkutanen Gewebe unterhalb einer Schwiele infolge fortwährender Druckeinwirkung werden nicht registriert und können sich – unbehandelt – zum Ulkus entwickeln. Liegt gleichzeitig eine Angiopathie vor, beeinträchtigt dies den Wundheilungsvorgang, was auf 18 Prozent der Diabetiker zutraf. Zum Zeitpunkt der Befragung wurden acht Prozent der Diabetiker wegen eines Ulkus behandelt, 12 Prozent sogar wiederholt.

Viele Patienten unterschätzen das Risiko
Trotz vorhandener Risikofaktoren bis hin zur aktuellen Ulkus-Erfahrung wusste ein großer Teil der Befragten kaum über die Problematik Bescheid. So wussten zwei von drei Diabetikern (63%) nicht, dass sie auf ihre Füße achten sollten. 53 Prozent gaben an, auf regelmäßige Vorsorgebesuche bei einem Podologen zu verzichten. Auch zuhause betreibt fast die Hälfte der Befragten (45%) Fußpflege höchstens gelegentlich und nur selten konsequent.

Richtige Fußpflege gehört zur Präventionsstrategie     
Die allgemeine Behandlungsstrategie umfasst neben Maßnahmen der Diagnostik auch die Prävention. Nach der Nationalen Versorgungsleitlinie (3) gehören dazu die Aufklärung beziehungsweise Schulung der Patienten, Fußpflegemaßnahmen, welche diese selbst durchführen sollen, sowie ärztliche und podologische Untersuchungen.

Allerdings zeigt sich auch bei den leitlinienkonformen Maßnahmen ein lückenhaftes Problembewusstsein. Zu den empfohlenen Handlungen gehört beispielsweise die tägliche Inspektion der Füße. Weniger als die Hälfte (47%) folgt diesem Hinweis. Nur 21 Prozent nutzen für die Nagelpflege stumpfes Werkzeug (Feile) und verzichten wegen der Verletzungsgefahr auf spitze Scheren oder Zangen. Bei der Reinigung der Füße überschreiten viele Befragte die Dauer des Fußbades, das nicht länger als drei bis fünf Minuten dauern sollte, bei maximal 37 bis 38 Grad Celsius. Nur 15 Prozent der Diabetiker baden überhaupt ihre Füße, die meisten länger als drei Minuten. Feuchtigkeitscreme verwendet lediglich ein Drittel der Befragten, obwohl hydrolipidhaltige Pflegemittel Hauttrockenheit und Hyperkeratose vorbeugen. Auf Präparate mit Pilzschutz achten sogar nur elf Prozent der Diabetiker.

Zu den wichtigsten Präventionszielen gehört die konsequente Druckentlastung durch passendes Schuhwerk, Strümpfe und im Bedarfsfall mit Hilfe orthopädischer Maßschuhe. Allerdings gibt es auch in diesem Bereich Defizite. Weniger als ein Drittel der Diabetiker achtet auf gut passende Schuhe und nur 17 Prozent auf geeignete Strümpfe. 16 Prozent tragen orthopädische Einlagen, jedoch nur zehn Prozent maßgefertigte Spezialschuhe aus der Werkstatt eines Orthopädieschuhmachers. Da Schwielen den Druck auf das Unterhautgewebe erhöhen, gehört zur Druckentlastung auch die Hornhautpflege. Zwar kommt hierbei in den meisten Fällen statt Hobel oder Raspel der empfohlene Bimsstein zum Einsatz. Dennoch sind es insgesamt nur 22 Prozent der befragten Diabetiker, die sich selbst um glattere Fußhaut bemühen.

Professionelle Inspektion und Beratung
Da das Problembewusstsein bei vielen Patienten nicht genügend ausgeprägt ist, kommt der Inspektion durch Fußspezialisten eine besondere Bedeutung zu. Hier zeigt sich aber: Maßnahmen, mit denen sich eine Neuropathie oder Angiopathie feststellen lassen, werden zwar regelmäßig durchgeführt. Dazu gehört unter anderem die Überprüfung der Schmerzsensibilität mittels Monofilament sowie Funktionsuntersuchungen der Beingefäße. Aber nur bei 61 Prozent der Diabetiker findet eine Ganganalyse statt. Und nur bei 49 beziehungsweise 45 Prozent werden Schuhe und Strümpfe in die Untersuchung einbezogen.

Eine deutliche Mehrheit der Patienten (82%) konsultiert zur Untersuchung der Füße einen Arzt, meist (53%) den Hausarzt. Nur bei 18 Prozent werden die Untersuchungen hauptsächlich von einem Podologen durchgeführt.

Anders sieht es bei der Beratung aus. Hier erfahren Patienten in den meisten Fällen von einem Diabetesberater (84%) und von ihrem Fußpfleger (ebenfalls 84%), wie sie ihre Füße pflegen müssen. Jedoch bemängeln 43 Prozent der befragten Diabetiker auch, dass die Informationen oft zu oberflächlich sind, und wünschen sich detaillierte Handlungsempfehlungen. Für ein Fünftel (20%) sind die Beratungsinhalte sogar viel zu kompliziert und zu umfangreich. Ihnen fällt es demnach schwer, die Empfehlungen zu verstehen und im Gedächtnis zu behalten.

Quellen:
GEHWOL Diabetes-Report 2014. IDS, INSIGHT Health, September 2013 (n = 3.459 Diabetiker via 369 Arztpraxen)

Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2014

Nationale Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes: Präventions- und Behandlungsstrategien für Fußkomplikationen, Februar 2010

GEHWOL Diabetes-Report: Angaben zur Methodik
Die Modellierung der Stichprobengröße (n = 3.459 Patienten via n = 369 Arztpraxen) basiert auf einer Zufallsstichprobe. Die Fallhäufigkeit wurde durch die Verschreibung des Indikationsmarktes A10-Antidiabetika validiert. Hierbei wurden Fallzahlen aus den GKV-Medikationsdaten je Patient auf Fallzahlen je Praxis für die Analyse berechnet. Unter Berücksichtigung des Signifikanzniveaus lag die empfohlene Stichprobengröße der Praxen bei 50 und der Patienten bei 2.000 bis 2.500. Die Primärdatenerhebung erfolgte im Rahmen einer strukturierten, standardisierten schriftlichen Befragung. Die Patienteninterviews wurden von den involvierten Ärzten durchgeführt und um anonymisierte Angaben zur Patientenbefundung ergänzt.