Biophysiker lüftet Geheimnisse der Krebszelle

Welche Eigenschaften muss eine Krebszelle haben, damit sie im Körper metastieren kann?

Diese Frage bewegt Prof. Dr. Josef Alfons Käs bereits seit Jahren.
Der Biophysiker der Universität Leipzig war einer der ersten Wissenschaftler weltweit, die sich mit den physikalischen Eigenschaften von Krebszellen beschäftigt haben. In dieser Zeit hat er – in Zusammenarbeit mit Kollegen aus aller Welt – der oft todbringenden Krebszelle schon zahlreiche Geheimnisse entrungen. Seit sieben Jahren tauschen sich darüber Experten aus aller Welt in Leipzig zur Konferenz „Physics of Cancer“ aus, die von Käs initiiert wurde.

Jetzt wurde der 55-Jährige mit einem prestigeträchtigen Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) in Höhe von 2,3 Millionen Euro ausgezeichnet.

„Die Arbeit von Professor Käs und seinem Team ist von elementarer Bedeutung für die Krebsforschung. Sie baut zudem eine Brücke zwischen Physik und Medizin. Ich freue mich sehr, dass ein so renommierter Wissenschaftler der Universität Leipzig diese hochkarätige Förderung einwerben konnte“, sagt die Rektorin der Universität Leipzig, Prof. Dr. Beate Schücking.

Bis zum Jahr 2022 unterstützt der ERC Käs´ Forschungen zur Bewegung von Krebszellen im Gewebe.

„Es ist mir ein großes Anliegen, damit junge Forscher zu unterstützen“, erklärt der Biophysiker. Er möchte mit der Fördersumme unter anderem zwei junge Forscherteams bilden: Eines soll die Vorgänge innerhalb des Tumors analysieren, das andere untersucht das Verhalten in der Mikroumgebung des Tumors. Hierzu werden spezielle Nanosubstrate verwendet, die es erlauben, Tumorgewebe außerhalb des Körpers am Leben zu erhalten und die somit Tierexperimente ersetzen.

„Der Europäische Forschungsrat möchte, dass man als Wissenschaftler wagemutig ist und sehr grundlegende Fragen stellt“, erklärt Käs. Seine zentrale Frage lässt sich einfach auf den Punkt bringen: Wann ist eine Krebszelle in ihrer Umgebung eingeklemmt und wann nicht? Die Beweglichkeit, so sagt er, ist für die Krebszelle die Grundvoraussetzung zum Metastieren.

Mit einem Optical Cell Stretcher, einem Rasterkraftmikroskop und Kernspinresonanzelastografie werden die mechanischen Eigenschaften von Zellen und Gewebe bestimmt. Vorläufige Messungen haben zu der Hypothese geführt, dass glasartiges, festes Gewebe den Tumor stabilisiert und flüssiges Gewebe aus weichen, länglichen Krebszellen für die Metastase verantwortlich ist.

Körper-Atlas als „Fahrplan“ für Krebsoperationen
Bisher habe man angenommen, dass ein Tumor in alle Richtungen gleichmäßig wächst und entsprechend operiert, erläutert der Forscher. Tatsächlich breite sich Krebs aber in einigen Gewebearten stärker aus als in anderen. „Wenn man weiß, wann sich Krebszellen bewegen können, könnte man für den Körper einen Atlas erstellen, in welchen Regionen sie sich ausbreiten und in welchen weniger. Ein solcher ‚Fahrplan‘ könnte beispielsweise für Chirurgen eine wichtige Hilfe bei Krebsoperationen sein.“

Mit Kernspinresonanzelastografie könne sein Team herausfinden, wie viel fluide Anteile ein Tumor enthält als Maß, wie viele metastatisch kompetente Zellen der Tumor enthält.

Fasziniert von der Forschung zur Physik von Krebszellen
Käs selbst sammelte bereits in den USA wertvolle Erfahrungen. Der gebürtige Münchner studierte zunächst in seiner Heimatstadt Physik, unterbrochen von einen Studienaufenthalt an der Columbia University in New York.

Mit der Promotion an der TU München in der Tasche zog es ihn wieder nach Amerika – als Postdoc an die Harvard Medical School in Boston, wo er molekularbiologische Techniken erlernte.

Seinen ersten Ruf als Professor erhielt der Wissenschaftler von der University of Texas in Austin. Dort wurde sein Interesse für die physikalischen Eigenschaften von Krebszellen geweckt – ein Forschungsthema, das ihn zunehmend faszinierte und das er im Jahr 2002 von Austin mit an die Universität Leipzig brachte.

Käs wurde mit dem Wolfgang-Paul-Preis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung an die Alma mater Lipsiensis geholt. Dieser wurde 2001 einmalig an 14 Wissenschaftler vergeben, die mit Preisgeldern von jeweils bis 2,3 Millionen Euro ohne bürokratische Zwänge an einer Forschungseinrichtung in Deutschland arbeiten konnten. Damals war er der höchstdotierte deutsche Wissenschaftspreis.
 
Weitere Informationen erhalten Sie direkt unter Institut für Experimentelle Physik I - www.uni-leipzig.de/~physik/exp1.html