Neue Leitlinie für Volkskrankheit Durchblutungsstörungen

Mehr Bewegung, weniger Amputationen – ganzheitliche Therapie im Fokus

Zwischen 3 und 10 Prozent der Menschen in Deutschland sind von einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) betroffen, wobei die Zahl je nach Studienlage variiert.

Die Risikofaktoren Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Bewegungsmangel, familiäre Vorbelastung und fortgeschrittenes Alter lassen aber vorhersehen, dass diese Zahl eher steigen als sinken wird.

Die gerade aktualisierte S3-Leitlinie versammelt die neusten Erkenntnisse und Empfehlungen in Bezug auf Diagnostik, Therapie und Nachsorge der pAVK und setzt einen Schwerpunkt auf die ganzheitliche Therapie der Patientinnen und Patienten. Die Leitlinie ist in Zusammenarbeit verschiedener Fachgesellschaften unter Mitwirkung der Deutschen Gesellschaft für Gefässchirurgie und Gefässmedizin e.V. (DGG) entstanden. Bei der Online-Pressekonferenz, die anlässlich der 40. Jahrestagung der DGG am 9. Oktober 2024 stattfindet, wird die Leitlinie ein Thema sein.

Es beginnt mit Schmerzen in den Waden

Die Gehstrecken, die ohne Schmerzen zurückgelegt werden können, werden kürzer. Betroffene müssen immer mehr Pausen einlegen – bleiben vor jedem Schaufenster stehen.

So beginnt die pAVK, die im Anfangsstadium auch Schaufensterkrankheit oder Claudicatio intermittens genannt wird.

„Ablagerungen in den Arterien verringern den Durchfluss des Blutes, das führt zu einer Unterversorgung im umliegenden Gewebe. Betroffene leiden aber nicht nur an einer pAVK“, erläutert Privatdozent Dr. med. Ulrich Rother, Vorsitzender der Kommission pAVK und Diabetischer Fuß der DGG und Leitender Oberarzt Gefäßchirurgie am Uniklinikum Erlangen.

„Die Betroffenen sind mehrfacherkrankt: Viele haben zusätzlich Diabetes Typ 2, Übergewicht und Bluthochdruck und tragen also ein hohes Risiko, einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden. Die ganzheitliche Therapie der pAVK ist deswegen ein zentraler Punkt der neuen Leitlinie.“

Die aktualisierte Leitlinie hebt den Stellenwert der Bewegungstherapie hervor.

„Erstmals gibt es zahlreiche detaillierte Empfehlungen zu Art und Dauer des Gefäßtrainings“, führt Rother weiter aus. „Leider besteht in Deutschland eine Unterversorgung in Bezug auf Gefäßsportgruppen und das, obwohl die Wirksamkeit des Bewegungstrainings eindeutig belegt ist“, kritisiert Rother. D

enn zentral für eine Verbesserung der Symptome sei eine Lebensstiländerung, bei der Gefäßtraining in mehrfacher Hinsicht helfe: „Durch die Gruppendynamik fällt es leichter, Risikofaktoren wie beispielsweise das Rauchen, falsche Ernährung und Bewegungsmangel zu bekämpfen.“

Auch dem demografischen Wandel trägt die Aktualisierung der Leitlinie Rechnung

Ein neues Kapitel widmet sich der Therapie und Nachsorge von geriatrischen Patientinnen und Patienten.

In der Leitlinie neu aufgenommen sind unter anderem die Schlussfolgerungen aus zwei Studien, die Klarheit geschaffen haben, wann welches Verfahren zur Wiederherstellung der Blutzirkulation besonders geeignet ist, wenn der Verlust einer Extremität droht. „Ob endovaskulär, also mit Hilfe eines Katheters, oder offen chirurgisch vorgegangen werden soll, können wir inzwischen anhand definierter Kriterien besser beurteilen. Das bedeutet für die Betroffenen ein besseres Ergebnis und die Chance, einer Amputation zu entgehen“, erläutert Rother.

„Ich freue mich, dass die Leitlinie rechtzeitig fertig geworden ist und die Kenntnisse, die darin eingeflossen sind, auch auf der Jahrestagung der DGG in Karlsruhe Gegenstand sind“, so Professor Dr. med. Martin Storck, diesjähriger Kongresspräsident der DGG und Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie am Städtischen Klinikum Karlsruhe.

„Die aktualisierte Leitlinie bietet eine wertvolle Orientierung für die Behandlung der pAVK und trägt dazu bei, die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten weiter zu verbessern“, statuiert abschließend Professor Dr. med. Jörg Heckenkamp, Präsident der DGG.

Die aktualisierte Version der S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge der pAVK erscheint im Oktober 2024 und wird auf der Jahrestagung der DGG vorgestellt. Eine Patienten-Version der Leitlinie ist für das kommende Jahr geplant.

Quellen:

S3-Leitlinie Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), Diagnostik, Therapie und Nachsorge unter https://register.awmf.org/assets/guidelines/065-003l_S3_PAVK_periphere_arterielle_Verschlusskrankheit_2020-05.pdf

Bradbury, A.W., et al., A vein bypass first versus a best endovascular treatment first revascularisation strategy for patients with chronic limb threatening ischaemia who required an infra-popliteal, with or without an additional more proximal infra-inguinal revascularisation procedure to restore limb perfusion (BASIL-2): an open-label, randomised, multicentre, phase 3 trial. Lancet, 2023. 401(10390): p. 1798-1809.

Farber, A., et al., Surgery or Endovascular Therapy for Chronic Limb-Threatening Ischemia. N Engl J Med, 2022. 387(25): p. 2305-2316.