Schulstart ohne Last
So bleiben Kinderrücken gesund
Laut der KiGGS-Studie des Robert Koch-Instituts, die seit 2009 aktuelle und repräsentative Gesundheitsdaten für Kinder und Jugendliche in Deutschland sammelt, schätzen Eltern den allgemeinen Gesundheitszustand ihrer 3- bis 17-jährigen Kinder zu 95 Prozent als gut oder sehr gut ein.
Vor allem die Gesundheit der 3- bis 6-Jährigen wird sehr positiv bewertet.
Mit zunehmendem Alter sinken die Werte jedoch ab. Besonders die Übergewichts- und Adipositasprävalenzen bei Heranwachsenden haben sich auf einem hohen Niveau stabilisiert, wie Daten aus dem Erhebungszeitraum von 2014 bis 2017 zeigen.
„Damit einhergehend stellen auch Rückenschmerzen ein immer häufigeres Problem bei Kindern dar. Die Langzeitstudie KiGGS zeigt, dass von knapp 18.000 Kindern und Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren mehr als drei Viertel angeben, schon einmal Schmerzen empfunden zu haben – fast die Hälfte davon Rückenschmerzen“, berichtet Dr. Munther Sabarini, Neurochirurg und Gründer der Avicenna Klinik in Berlin.
Lange Schultage mit übermäßigem Sitzen, weniger Bewegung in der Freizeit und dafür mehr Screen-Time vor Handy, PC und Fernseher zählen unter anderem zu den Gründen. Dr. Sabarini gibt Tipps, wie der Schulstart ohne Rückenprobleme gelingen kann.
Bewegung in den Alltag integrieren
Rückenschmerzen bei Kindern fangen häufig nach der Einschulung an. Denn während sie sich im Kindergarten oder Hort häufig noch den ganzen Tag bewegen, werden die körperlichen Aktivitäten zunehmend eingeschränkt.
Einen Großteil der Zeit sitzen sie im Klassenzimmer und nach der Schule machen sie Hausaufgaben oder verbringen ihre Freizeit vor dem Fernseher oder Smartphone.
So fehlt ein Ausgleich für den Körper, den der Schulsport allein nicht schaffen kann.
„Bewegen sich Kinder zu wenig, kann dies zu Übergewicht führen. Außerdem wird mit der Zeit die Muskulatur im Rücken und Bauch schwächer, der gesamte Rumpf instabil und die Wirbelsäule zu einseitig belastet. Die Folge: Verspannungen und Rückenschmerzen“, erklärt Dr. Sabarini.
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, dass Kinder und Jugendliche jeden Tag mindestens eine Stunde körperlich aktiv sein sollten.
Das heißt, auch schon moderate Bewegung wie Zu-Fuß-Gehen oder Fahrradfahren – zum Beispiel auf dem Schulweg – unterstützt die Rückengesundheit. Ebenso helfen spielerische Aktivitäten wie Klettern, Rennen, Hüpfen. In Vereinen können Kinder zudem eine Sportart finden, die ihnen Spaß macht, und sich gemeinsam mit anderen bewegen.
Häufiger die Sitzposition wechseln
Ob in der Schule oder zu Hause: Kinder und Jugendliche verbringen viel Zeit am Schreibtisch. Sitzen beansprucht die Wirbelsäule und die Rückenmuskulatur allerdings stärker als Gehen oder Stehen. Zudem nehmen viele währenddessen eine schädigende Körperhaltung mit vorgebeugtem Kopf und rundem Rücken ein.
„Besonders diese typische Schreibtischhaltung verursacht Rücken- und auch Nackenschmerzen. Dagegen hilft vor allem, häufig die Sitzposition zu wechseln. Es sollte also ruhig erlaubt sein, auch mal den Kopf mit der Hand abzustützen, sich an den Stuhl zu lehnen oder hin- und herzurutschen – Hauptsache, die Wirbelsäule bleibt in Bewegung“, so der Neurochirurg.
Auf Gewicht und Sitz von Schulrucksäcken achten
Auch zu schwere oder falsch eingestellte Schulranzen belasten junge Wirbelsäulen und führen mitunter zu Haltungsschäden. Generell sollten Eltern darauf achten, dass Kinder keinen unnötigen Ballast transportieren.
Bücher von nicht unterrichteten Fächern gehören an den jeweiligen Tagen nicht in die Schultasche.
Manche Schulen bieten deshalb auch Schließfächer an, in denen Schüler ihre Unterrichtsmaterialien lagern können. Geeignete Schulrucksäcke beugen ebenso Beschwerden vor.
„Der möglichst leichte Rucksack sollte sich der doppelten S-Form der Wirbelsäule durch Polsterungen anpassen und über gepolsterte Trageriemen verfügen. Ich rate außerdem dazu, dass der Schulranzen nicht breiter ist als die Schultern des Kindes und mit der Schulterhöhe abschließt. Zudem sollte er immer mit beiden Schultern getragen werden, damit beide Körperseiten gleichmäßig belastet werden. Beim Transport zur Schule schwere Gegenstände am besten dicht am Rücken unterbringen und das Gewicht zu den Seiten hin gleichmäßig verteilen“, empfiehlt Dr. Sabarini.
Medienkonsum begrenzen
Bereits junge Kinder sehen regelmäßig fern oder verbringen Zeit vor Smartphones und Tablets.
„Wer auf mobile Geräte herunterblickt, senkt den Kopf um circa 45 Grad. Je weiter der Kopf nach vorne geneigt wird, umso größer die Belastung für den Nacken. Bei 15 Grad Neigung wirken zum Grundgewicht des Kopfes schon etwa zusätzlich 12 Kilogramm auf die Wirbelsäule. Bei 45 Grad sind es über 20 Kilogramm, das entspricht dem Gewicht einer Wasserkiste“, erklärt Dr. Sabarini.
Durch die gesenkte Haltung des Kopfes muss die Halswirbelsäule einer enormen Kraft entgegenwirken, denn in der Handyposition befinden sich die kleinen Gelenke zwischen den Wirbelkörpern in einer Endposition und die Gelenkkapseln sowie Bänder sind ständig gedehnt, die Muskulatur steht unter Anspannung.
Um einen sogenannten „Handynacken“ und folgende Nacken- sowie Rückenschmerzen zu vermeiden, gilt es den Medienkonsum zu begrenzen.
Bei Sechs- bis Elfjährigen wird höchstens eine Stunde am Tag für Fernsehen und Smartphone empfohlen.
Wird die Screen-Zeit der Kinder eingeschränkt, haben sie auch mehr Zeit, um sich zu bewegen.
„Klagen Kinder regelmäßig beziehungsweise lang anhaltend über Rückenschmerzen, gilt es diese ärztlich abklären zu lassen. Denn in seltenen Fällen können auch Erkrankungen wie Skoliose, Entzündungen, Fehlbildungen oder Wachstumsstörungen zu den Ursachen zählen“, so Dr. Sabarini abschließend.
Weitere Informationen unter https://avicenna-klinik.com