Flächendesinfektionsmittel unwirksam gegen Viren?

In Zeiten von multiresistenten Erregern weiß jeder, wie wichtig Hygiene ist.

Und zwar nicht nur, aber vor allem in medizinischen Einrichtungen wie beispielsweise Krankenhäusern.

Ein funktionierendes Hygieneregime
trägt in hohem Maße zum Therapieerfolg bei. Viele Studien belegen immer wieder, welche Auswirkungen eine unzureichende Hygiene auf Patienten und Personal haben.

Krankheitserreger können mehrere Monate auf Flächen überleben und beispielsweise über Hände oder Staubpartikel weiter verbreitet werden. Daher ist die Flächendesinfektion, also die Desinfektion von Arbeitsflächen, Fußböden, Möbeln oder von Oberflächen medizinischer Geräte eine wichtige Maßnahme zur Infektionsprophylaxe.

Doch wie wirksam sind die dabei eingesetzten Mittel?
In Bezug auf Bakterien kann man das recht gut einschätzen: Seit Jahren schon werden Desinfektionsmittel darauf hin geprüft, ob sie nicht nur unter anwendungsfernen, sondern auch in möglichst realitätsnahen Labortests eine befriedigende bakterizide Wirkung besitzen. Letzteres geschieht mit so genannten praxisnahen Carrier-Tests.

Ein solch vergleichbarer, praxisnaher Test fehlte allerdings in Bezug auf Viren. Ursache hierfür waren vor allem technische Probleme, doch wurden diese inzwischen gelöst, so dass seit März 2012 eine entsprechende, nationale Leitlinie auf der Basis des entsprechenden europäischen Normentwurfs in Deutschland zur Verfügung steht.

In einer Studie, durchgeführt im Auftrag der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e. V. (DVV) und des Verbunds für angewandte Hygiene e. V. (VAH) wurden sechs gängige Desinfektionsmittel mit Hilfe eines praxisnahen Tests auf die Viruswirksamkeit (Viruzidie) untersucht.

Das Ergebnis zeigt:
Die bisherigen Angaben zur Einwirkzeit und Konzentration der Mittel sind im Hinblick auf Viren vielleicht nicht ausreichend.

Bisher war lediglich der sogenannte quantitative Suspersionstest üblich. Dabei wird das zu untersuchende Desinfektionsmittel mit Wasser verdünnt und ermittelt, wie effektiv die Infektiosität zugesetzter Viren bei einer bestimmten Konzentration und Einwirkzeit reduziert wird.

Doch dieser Test ist nur bedingt auf die Praxis übertragbar – unter anderem deshalb, da derart günstig Bebedingungen im Verhältnis Desinfektionsmittel/Viren bei der Anwendung auf Flächen nicht vorliegen.

Die DVV fordert daher einen praxisnahen Carriertest. Dabei wird eine Flüssigkeit, die eine definierte Anzahl von Viren enthält, auf ein Metallplättchen aufgebracht, getrocknet und schließlich mit einem Flächendesinfektionmittel benetzt.

Nach einer bestimmten Einwirkzeit wird die Reduktion der Menge infektiöser Viren ermittelt.

In der von der DVV und dem VAH in Auftrag gegebenen Studie wurden sechs gebräuchliche Desinfektionsmittel auf ihre Virus-Wirksamkeit geprüft – erst mit Hilfe des Suspensionstests, dann mit dem praxisnahen Carriertest.

Fünf der Mittel, die den gängigen Suspensionstest „bestanden“ hatten, erwiesen sich im praxisnahen Test als nicht ausreichend wirksam gegen Viren.

Besonders versagt hat ausgerechnet ein chlorhaltiges Mittel, das gerade breite Anwendung zur Desinfektion empfindlicher Oberflächen findet. Das Ergebnis sollte zu denken geben.

Die Versuche zeigten aber auch, dass die untersuchten Flächendesinfektionsmittel nach Erhöhung der Konzentration und / oder Verlängerung der Einwirkzeit ausreichende virusinaktivierende Eigenschaften haben können.

Die DVV und der VAH empfehlen Krankenhäusern, Öffentlichem Gesundheitsdienst und anderen Anwendern dringend, für die Flächendesinfektion nur solche Produkte einzusetzen, für die eine erfolgreiche Prüfung auf Viruswirksamkeit im Praxisversuch vorliegt.

Der Nachweis muss von den Herstellern auf Wunsch vorgelegt werden können. Nur so ist zu verhindern, dass im Glauben an eine vermeintlich ausreichend effiziente Virusdesinfektion möglicherweise doch noch größere Mengen infektiöser Viren als potentielle Infektionsquelle auf Oberflächen vorhanden sind.

Quelle:
Praxisnahe Prüfung der viruziden Wirksamkeit von Flächendesinfektionsmitteln: Reicht der Suspensionstest zur Gewährleistung einer ausreichenden Viruswirksamkeit? Gemeinsame Mitteilung von DVV und VAH in: Hyg. Med. 2013; 38-12; Sie können die Meldung unter: http://www.ihph.de/vah-online/uploads/PDF/HM_2013_12_Viruzidie_vah.pdf herunterladen