Fernwärmeverträge: unkonkret, unverständlich, unzulässig
Landgericht Darmstadt untersagt einseitige Änderung von Preisanpassungsklauseln
Nachträgliche Änderungen vereinbarter Preisanpassungsklauseln der Unternehmen „Energieversorger Offenbach“ (EVO) und „Energieversorger Dietzenbach“ (EVD) sind unzulässig.
Die Fernwärmeversorger sollen ihren Kunden ein Berichtigungsschreiben schicken.
Preisanpassungsklauseln müssen die tatsächliche Kostenentwicklung berücksichtigen und für Verbraucher verständlich dargestellt werden.
Die Energieversorgung Offenbach (EVO) und die Energieversorgung Dietzenbach (EVD) dürfen gegenüber Verbrauchern nicht den Eindruck erwecken, es sei zulässig, ihre Preisanpassungsklausel für Fernwärme eigenmächtig zu ändern. Die Versorger müssen das nun gegenüber ihren Kundinnen und Kunden richtigstellen. Das hat das Landgericht Darmstadt auf Klagen des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) entschieden.
„Ein Vertrag bedarf immer der Zustimmung aller beteiligten Parteien. Es wäre alles andere als seriös, wenn ein Anbieter einen Vertrag einseitig ändern dürfte. Das hat das Landgericht Darmstadt nun auch für die Fernwärmeversorger Offenbach und Dietzenbach bestätigt“, sagt Kerstin Hoppe, Rechtsexpertin beim vzbv.
In Rundschreiben hatten die beiden Versorger ihre Kunden darüber informiert, dass sie ihre Preisanpassungsklauseln ändern würden. Dazu seien sie durch öffentliche Bekanntgabe berechtigt.
„Dieses Schreiben führte Verbraucher in die Irre“, sagt Hoppe.
Denn diese Ankündigung entsprach nicht den Vertragsbedingungen. Die Preisanpassungsklausel konnte demnach nicht einseitig geändert werden, sondern nur der Preis auf der Basis dieser Klausel, etwa wegen gestiegener Rohstoffpreise. So urteilte auch das Gericht: Zwar könne es bei langfristigen Verträgen zu Veränderungen bei Gewinn- oder Kostenstrukturen kommen, das sei aber kein Grund, eigenmächtig Vertragsänderungen nur einer Vertragspartei zu erlauben.
Bestehende Preisgleitklauseln müssen richtig kalkuliert sein
Die geänderten Preisanpassungsklauseln hatten die Versorger zudem offenbar falsch berechnet. Das Gericht stellte klar: Preisanpassungsklauseln seien darauf ausgerichtet, das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung während der gesamten Dauer des Versorgungsvertrages zu wahren, ohne den Vertrag kündigen zu müssen.
Nicht nachvollziehbare, nebulöse Formeln
Ihre Kostenstruktur konnten die Versorger vor Gericht nicht ausreichend erläutern. „Die Fernwärmeversorger konnten nicht einmal erklären, warum ihre Kosten überhaupt steigen“, sagt Hoppe. „Für Verbraucher waren die Berechnungsfaktoren völlig undurchsichtig.“ Selbst Mitarbeiter der Versorger hatten die Formeln offenbar nicht richtig verstanden. Das zeigt ein Versehen, das dazu geführt hat, dass zwei Faktoren in der Formel der Preisanpassungsklausel doppelt berücksichtigt worden sind. Das Gericht erklärte die geänderte Preisanpassungsklausel deshalb als nicht anwendbar. Die Versorger sollen ihre Kunden nun darüber informieren, dass die angekündigte Änderung der Preisanpassungsklausel nicht anwendbar ist.
Novelle der Allgemeinen Versorgungsbedingungen Fernwärme dringend erforderlich
Das Beispiel der Fernwärmeversorger Offenbach und Dietzenbach zeigt, dass die rechtlichen Grundlagen der Fernwärmeversorgung dringend überarbeitet werden müssen. Nur so lassen sich allgemeingültige und klare Rahmen für die Rechtsbeziehung zwischen Fernwärmeversorgern und Verbrauchern festlegen. „Rechtliche Standards, die in anderen Branchen selbstverständlich sind, müssen auch für den Fernwärmesektor gelten“, so Klaus Müller, Vorstand des vzbv.
Landgericht Darmstadt, Urteile vom 5. Oktober 2017, Aktenzeichen 16 O 110/16 und 15 O 111/16 nicht rechtskräftig
Weitere Informationen erhalten Sie auch unter https://www.vzbv.de/fernwaermevertraege-unkonkret-unverstaendlich-unzulaessig