Achtung, heißer Kaffee!
Beispiel für amerikanische Produkthaftung anhand des Falls Liebeck vs. McDonald's
Vielen Europäern, darunter auch Deutschen, ist das US-amerikanische Gerichtsverfahren im Gedächtnis geblieben, bei dem der Klägerin Frau Stella Liebeck nach verschüttetem heißem Kaffee ein millionenschwerer Schadenersatz zugesprochen wurde.
Als besonders beliebt gilt dabei die Anekdote, dass McDonald’s seitdem den Zusatz „Achtung, heißer Kaffee“ auf die Becher aufdruckt. Seit mehr als 20 Jahren stellt diese Geschichte das vermeintliche Extrembeispiel für eine übersteigerte amerikanische Produkthaftung dar.
Angemessener Schadenersatz
Der deutsch-amerikanische Anwalt Carl-Christian Thier von der Kanzlei Urban Thier & Federer P.A. meint dazu: „Sowohl in den USA als auch in Deutschland verlangt das Gesetz eine vernünftige und angemessene Entschädigung. Der Unterschied liegt in der Betrachtung, was als vernünftig und angemessen zu verstehen ist.“
Sein Kanzleikollege John Urban fügt hinzu: „Eine Jury in den USA zieht wie in Deutschland sowohl wirtschaftliche Entschädigungen für Gehaltseinbußen oder medizinische Ausgaben als auch nicht-wirtschaftliche Entschädigungen für Schmerzen, dauerhafte Narben oder Verlust von Gliedmaßen in Betracht. Sogar Ehepartner und Kinder können einen Schaden geltend machen dafür, dass sie den Verlust der Gemeinschaft bzw. der Freude an der Gesellschaft eines verstorbenen Familienmitglieds zu beklagen haben.“
„Darüber hinaus existiert in den USA der sogenannte Straf-Schadenersatz (‚punitive damages‘)“, ergänzt John Urban. „Die US-Justiz bestraft Verursacher zusätzlich bei besonders unerhörtem und vorsätzlichem Verhalten, auch um andere Unternehmen von ähnlichem Handeln abzuhalten. Damit soll die Öffentlichkeit geschützt werden. Dieser Straf-Schadenersatz wird allerdings nicht wahl- oder maßlos verhängt, sondern ist an strenge Voraussetzungen geknüpft.
Grundsätzlich gilt:
Die Einschätzung, was eine angemessene Summe zum Ersatz eines nicht-materiellen Schadens ist, und die Arten der anerkannten Entschädigungen sind in den USA und Deutschland sehr unterschiedlich.“
Der Fall Liebeck vs. McDonald’s
Immer wieder konfrontieren Klienten, die in den USA verletzt wurden, die Anwälte der Kanzlei Urban Thier & Federer P.A. mit dem McDonald’s-Fall und übersteigerten Vorstellungen von Schadenersatz-Zahlungen. Doch in einigen deutschen Medien wurden nicht alle Details richtig dargestellt. Der Fall ist tatsächlich gar kein absurdes Beispiel für US-Standards bei Schadenersatz.
Die damals 79-jährige Frau Liebeck erlitt Verbrennungen dritten Grades in der Leistengegend, nachdem sie einen im Drive-in gekauften Kaffee versehentlich verschüttet hatte. Frau Liebeck fuhr währenddessen nicht, wie meist berichtet wurde, selbst Auto, sondern sie saß als Beifahrerin in einem geparkten Fahrzeug. Sie wurde acht Tage im Krankenhaus behandelt, erhielt großflächige Hauttransplantationen in erheblichem Umfang und musste sich zwei Jahre lang intensiven medizinischen Behandlungen unterziehen.
Problematisch am McDonald’s-Kaffee war, dass er mit bis zu 88 Grad Celsius deutlich zu heiß war; ein Umstand, der dem Unternehmen bereits seit Längerem durch zahlreiche Beschwerden bekannt gewesen war.
Aufgrund der damaligen erfolgreichen Marketingkampagne „Heißester Kaffee bei McDonald’s“ wurde die Temperatur des Getränks trotz bekannter Gefährdung von Kunden bewusst nicht verringert – die erzürnte Jury empfahl daraufhin einen Straf-Schadenersatz von 2,7 Millionen Dollar – als Prozentsatz des durch die Kampagne generierten Gewinns von McDonald’s – plus 160.000 Dollar als wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Entschädigung.
Der Richter verringerte das Strafmaß und verhängte eine Gesamtsumme von 640.000 Dollar. Dennoch ging McDonald’s in Berufung, die Parteien einigten sich schließlich außergerichtlich auf eine vertrauliche Summe. Berichten zufolge erhielt Frau Liebeck deutlich weniger als
600.000 Dollar, von denen wahrscheinlich die Anwaltskosten auf Erfolgshonorarbasis in Höhe von 33 bis 40 Prozent zu zahlen waren. Des Weiteren hatte die Geschädigte mutmaßlich auch einen Teil ihrer Heilungskosten zu tragen.
Fazit
Carl-Christian Thier fasst zusammen: „Obwohl eine Entschädigung in den USA deutlich höher als in Deutschland ausfallen kann, sind die Zahlungen nicht so hoch wie allgemein angenommen. Wir schätzen, dass wir im Durchschnitt in den USA in etwa fünf- bis zehnmal höhere Entschädigungen vor Gericht erwirken können.
Da meist ein Erfolgshonorar vereinbart wird, teilt der Klient den Erfolg mit uns. Die Entschädigungssummen sind höher als in Deutschland, aber nicht so hoch, wie Gerüchte es vermuten lassen. Es gibt andere, zusätzliche Schadensklassen als in Deutschland, etwa bei Verlust eines Verwandten. Aber nur wenn Straf-Schadenersatz wegen besonders schwerer Umstände verhängt wird, können die Summen drastisch höher ausfallen.“
Weitere Informationen finden Sie unter www.urbanthier.com und www.urbanthier.de