Pfefferspray, Elektroschocker, Schreckschusswaffen
Helfen Waffen bei der Selbstverteidigung?
Seit den Anschlägen von Paris im November 2015 sind die Anträge für den „Kleinen Waffenschein“ bei den Behörden sprunghaft angestiegen. Die Nachfrage nach Pfeffersprays in einschlägigen Geschäften ist so hoch wie nie zuvor.
Der Kleine Waffenschein wird seit dem Jahr 2003 benötigt, wenn man etwa Reizstoff-, Schreckschuss- oder Signalwaffen mit dem Zulassungszeichen „PTB“ der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt außerhalb der eigenen Wohnung führen möchte. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält den Einsatz solcher Waffen für gefährlich.
Sascha Braun, Justiziar der GdP erklärt die Gründe dafür.
Problematisch sei zuallererst, dass vielen Menschen überhaupt nicht bewusst sei, dass man, um Reizstoffsprühgeräte, umgangssprachlich Pfeffersprays, Elektroimpulsgeräte („Taser“) oder Schreckschusspistolen benutzen zu dürfen, überhaupt einen kleinen Waffenschein benötigt. „Viele gehen davon aus, dass sie, nur weil sie die genannten Geräte im Laden frei kaufen können, diese auch öffentlich mit sich tragen dürfen. Dem ist aber nicht so. Man braucht dazu eine Erlaubnis.
Denn:
Man muss klar trennen zwischen dem, was man kaufen, was man besitzen und was man benutzen darf“, betont Braun. Beantragt man den kleinen Waffenschein, wird zunächst geprüft, ob es Eintragungen im Strafregister gibt. Gibt es keine, darf man die oben genannten PTB-geprüften Waffen auch in der Öffentlichkeit führen.
Gefahr der Selbstverletzung zu groß
„Die nächste wichtige Frage ist jedoch: Kann ich die Geräte überhaupt einsetzen, ohne mich selbst zu gefährden? – Das ist in der Regel nicht der Fall. Die Chance, dass das Gerät gegen mich eingesetzt wird, ist groß“, betont Braun. Denn man müsse etwa bei den Reizstoffsprühgeräten unbedingt Dinge wie Wind- oder Sprührichtung beachten. „Man setzt sich mit einem Pfefferspray unter Umständen eher selbst außer Gefecht als den Gegner. Vielleicht nimmt er es mir auch ab und richtet es gegen mich selbst.
Das gleiche gilt für Elektroimpulsgeräte.
Dabei kommt noch hinzu, dass ich dem Täter sehr nah sein und überhaupt erstmal eine weitgehend freie Hautstelle treffen muss“, so der GdP-Experte. Nicht zu unterschätzen ist außerdem der enorme Stress, unter dem man steht, wenn man Opfer eines Angriffs wird. „Die wenigsten Menschen sind im Umgang mit Gewaltsituationen geübt. Man handelt dann nicht mehr rational und überlegt. Außerdem: Eine Schreckschusswaffe zu ziehen und zu denken, dass man den Angreifer mit zitternden Händen beeindrucken könnte, ist schon sehr abenteuerlich“, so Braun.
Waffen können zu Missverständnissen führen
Bei Schreckschusswaffen kommt eine weitere Gefahr dazu: Sie sind von echten Waffen optisch nicht zu unterscheiden. Hantiert jemand also mit einer Schreckschusswaffe, müssen Beobachter immer davon ausgehen, dass es sich um eine echte Waffe handelt. Wird die Polizei gerufen, die dann sieht, wie jemand eine Waffe auf eine andere Person richtet, kann es schnell gefährlich werden – auch wenn es sich bei dem Waffenträger eigentlich um das Opfer handelt.
„Kein Polizist hat in solch einem Fall die Zeit, erst den Sachverhalt zu klären. Da steht jemand mit einer Waffe in der Hand, und deshalb muss sofort gehandelt werden. Dreht man sich in solch einem Fall dann etwa noch um und richtet die Waffe gegen die Polizei, ist die Gefahr sehr groß, dass geschossen wird. Auch aus diesem Grund ist von Schreckschusswaffen dringend abzuraten“, betont der GdP-Experte.
Selbstbehauptungskurse: auf das Bauchgefühl hören
Eine sinnvolle Alternative zu Pfeffersprays, Schreckschusswaffen oder Tasern ist der Besuch eines Selbstbehauptungskurses. Polizeidienststellen und Landessportverbände sind bei der Suche nach seriösen Kursangeboten oft behilflich. Unter Anleitung von erfahrenen Polizistinnen und Polizisten können vor allem Kinder, Jugendliche und Frauen lernen, wie sie sich in gefährlichen Situationen verhalten können.
„Mit „Verhalten“ ist damit nicht gemeint, dass jedes Opfer einer Straftat irgendwo Mitschuld am Geschehen trägt oder sich falsch verhalten hat. Es geht vielmehr um die Frage: Habe ich die Möglichkeit, aus einer potenziell gefährlichen Situation herauszukommen? Und: Kann ich sie möglicherweise vermeiden?“, betont Sascha Braun.
Dabei steht im Mittelpunkt, ein Gefühl für eine Gefahr zu entwickeln und sich auf seine Intuition zu verlassen.
Braun: „Viele Opfer von Gewalttaten wie sexuelle Übergriffe oder Raub hatten vorher „so ein unangenehmes Gefühl“ – Frauen wie Männer. Es gilt, sich dieses Gefühl bewusst zu machen, auf seine Intuition zu hören und sich gefahrenbewusst zu bewegen. Das hat nichts mit Feigheit zu tun, sondern dient der Vermeidung von Gefahr.“
Kommt es doch einmal zum Ernstfall, werden bestimmte Griff- und Schlagtechniken trainiert, mit denen man sich aus den Händen eines Angreifers befreien kann.
„Das ist allemal besser als sich zu bewaffnen. Zu wissen, wie man sich unbewaffnet in gefährlichen Situationen verhalten kann, macht selbstbewusster, und das ist sinnvoll. Das Tragen von Waffen mindert aber oft das Risikobewusstsein. Menschen, die Waffen tragen, sind auch bereit, sie einzusetzen – sie fühlen sich stark, unverwundbar und überlegen, auch wenn das nicht wirklich der Fall ist. Das Tragen von Waffen ist genau das Gegenteil von gefahrenbewusster Risikominderung“, betont Braun.
Wer gern mehr erfahren möchte, findet weitere Informationen direkt auf der Homepage www.polizei-dein-partner.de