Infektrisiko bei MS: Prävention, Impfung und kritischer Blick auf die Therapie

Bei der Multiplen Sklerose (MS) greift das eigene Immunsystem Nervenzellen an und führt mit der Zeit zu einer Vielzahl von Schädigungen.

Die MS erfordert fast immer eine medikamentöse Behandlung, um fortschreitende Nervenschäden zu verhindern. Die Erkrankung geht jedoch auch mit Infektionsrisiken einher.

Erhöhtes Infektrisiko bei Multipler Sklerose

Eine retrospektive Kohortenstudie mit 6 626 Personen mit MS und 33 550 Kontrollpersonen fand ein generell höheres Risiko für Infektionen bei den MS-Patienten. Sowohl mildere als auch schwere Infektionen traten demnach öfter bei MS-Patienten, unabhängig von ihrer Therapie, im Vergleich zu Kontrollen ohne MS auf.

Behandlungen mit immunsupprimierenden Wirkstoffen wie Rituximab und Fingolimod erhöhten jedoch das Risiko für Infektionen zusätzlich im Vergleich zu einer Behandlung mit Interferon oder Glatirameracet. Auch schwere Infektionen traten häufiger mit Rituximab und Natalizumab im Vergleich zu Behandlungen mit den Wirkstoffen Interferon und Glatirameracetat auf.1

Bei MS ist es somit besonders wichtig, einen umfassenden Impfschutz zur Vorbeugung von Infektionen sicherzustellen, insbesondere wenn eine immunsuppressive Therapie durchgeführt wird.

Mangelnder Impfschutz häufig bei MS-Patienten

Eine Analyse über 424 Patienten mit MS in Österreich, im durchschnittlichen Alter von 43 Jahren (+/- 12 Jahre), fand jedoch, dass der Impfstatus der meisten Studienteilnehmer nicht den Impfempfehlungen entsprach.

Fast alle Patienten waren gegen Tetanus (94 %), Diphtherie (92 %) und Poliomyelitis (90 %) geimpft.

Deutlich weniger hatten jedoch eine Impfung gegen von Zecken übertragene Encephalitis (70 %), Keuchhusten (69 %), Hepatitis B (65 %), Röteln (55 %) und Hepatitis A (50 %).

Weniger als die Hälfte der Patienten war gegen Masern (49 %) und Mumps (47 %) geimpft, nur eine Minderheit hatte sich gegen Influenza (Grippe, 10 %), Pneumokokken (Lungenentzündung, 6 %), Meningokokken (4 %), HPV (4 %), Gelbfieber (2 %) und das Varizella-Zoster-Virus (Gürtelrose, 1 %) impfen lassen.2

Für viele MS-Patienten wäre es demnach wichtig, den Impfstatus zu überprüfen.

Längere Erkrankungsdauer und Immunsuppression stören die Impfantwort

Impfungen werden empfohlen, weil sie die Risiken für schwere Verläufe einer Infektion reduzieren können.

Dies gilt auch für eine Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2

Die Coronavirus-Impfung senkt das Risiko für schwerere Verläufe der Erkrankung COVID-19. Eine Untersuchung von Blutproben nach der Coronavirus-Impfung fand allerdings, dass 339 Personen mit MS im Durchschnitt weniger Antikörper gegen das Virus im Blut entwickelten als 52 gesunde Kontrollpersonen.

Der Antikörperspiegel der Kontrollen betrug im Mittel 4,07 (+/- 0,66), der der Patienten im Mittel hingegen nur 2,79 mit einer großen Streuung (+/- 2,95). Manche Patienten entwickelten demnach kaum Antikörper.

Die weitere Analyse zeigte, dass eine längere Erkrankungsdauer der MS und der Einsatz bestimmter krankheitsmodifizierender Wirkstoffe mit einer geringeren Antikörperbildung in Zusammenhang standen.3

Je nach aktueller Therapie oder Erkrankungsdauer kann es daher bei MS sinnvoll sein, anhand des Antikörperspiegels nach einer Impfung den Bedarf für eine weitere Impfdosis zu prüfen.

Prävention, Impfung und kritischer Blick auf die Medikamentenliste

Die Infektionsprävention spielt somit bei der MS, speziell bei immunsuppressiver Therapie, eine wichtige Rolle. Dazu zählen insbesondere vorbeugende Maßnahmen wie Impfungen. Experten empfehlen zudem, die aktuellen krankheitsmodifizierenden Medikamente kritisch zu überprüfen – ganz besonders in fortgeschrittenen Krankheitsstadien sowie bei häufigeren oder schwereren Infektionen.

 Weitere Informationen zur MS finden Sie unter https://www.ms-gateway.de/

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Original Titel:
Multiple Sclerosis, Disease-Modifying Therapies, and Infections

Autor:
Langer-Gould AM, Smith JB, Gonzales EG, Piehl F, Li BH. Multiple Sclerosis, Disease-Modifying Therapies, and Infections. Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm. 2023 Oct 9;10(6):e200164. doi: 10.1212/NXI.0000000000200164. PMID: 37813594; PMCID: PMC10574822.

 Referenzen

1: Langer-Gould AM, Smith JB, Gonzales EG, Piehl F, Li BH. Multiple Sclerosis, Disease-Modifying Therapies, and Infections. Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm. 2023 Oct 9;10(6):e200164. doi: 10.1212/NXI.0000000000200164. PMID: 37813594; PMCID: PMC10574822. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37813594/

2: Berek K, Deisl P, Bichler M, Auer M, Barket R, Bauer A, Zinganell A, Di Pauli F, Deisenhammer F, Hegen H. Immunization status in patients with multiple sclerosis: A cross-sectional, monocenter study in Austria. Eur J Neurol. 2023 May;30(5):1400-1408. doi: 10.1111/ene.15748. Epub 2023 Feb 26. PMID: 36786310. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36786310/

3: Baba C, Ozcelik S, Kaya E, Samedzada U, Ozdogar AT, Cevik S, Dogan Y, Ozakbas S. Three doses of COVID-19 vaccines in multiple sclerosis patients treated with disease-modifying therapies. Mult Scler Relat Disord. 2022 Dec;68:104119. doi: 10.1016/j.msard.2022.104119. Epub 2022 Aug 17. PMID: 36037755; PMCID: PMC9383952. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36037755/