Neue Therapiestrategien bei fibrosierenden Lungenerkrankungen

Internationale Lungenforschende unter Federführung von DZL-Wissenschaftler Jürgen Behr (DZL Standort München, CPC-M) haben sich in einem Artikel, der im American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine veröffentlicht wurde, auf grundsätzliche Einordnungen bei der Behandlung von Interstitiellen Lungenerkrankungen geeinigt.

Die Experten (u.a. Margaret Salisbury, Vanderbilt University Medical Center, Nashville/Tennessee or Athos Wells, Brompton Hospital and Imperial College, London) haben dabei auch einige Wissens- und Evidenzlücken geschlossen.

Komplexe Behandlungsstrategien bei Lungenfibrose: Der Bedarf an multidisziplinären Ansätzen

Bei der interstitiellen Lungenerkrankung (ILD) gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Krankheitsverläufe, was die Entscheidungen über entzündungshemmende und antifibrotische Behandlungsstrategien erschwert. Oftmals beruhen diese Entscheidungen auf begrenzter wissenschaftlicher Evidenz.

Obwohl angenommen wird, dass die zugrundeliegenden Mechanismen von Entzündungen und Fibrose eine Schlüsselrolle spielen, sind sie bislang nicht vollständig verstanden. Um die individuell besten Behandlungsentscheidungen zu treffen, müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden.

Doch welche dieser Faktoren in den unterschiedlichen klinischen Szenarien Vorrang haben, kann stark variieren. Ein besonderes Problem stellt das Fehlen randomisierter, kontrollierter Studien (RCTs) dar, die Leitlinien bieten könnten, um diese Unterschiede bei der Erstvorstellung der Patienten richtig zu beurteilen.

Um die komplexen Informationen zu den Krankheitsmechanismen besser zu integrieren, ist eine multidisziplinäre Diskussion (MDD) wohl der beste Ansatz. Diese soll dabei helfen, sinnvolle Behandlungsziele zu identifizieren, indem die Verläufe von Entzündungen und Fibrose individuell beurteilt werden.

Bei bestimmten Formen der ILD, wie der organisierenden Pneumonie, die mit einer Fibrose überlappt, könnte man durch die Therapie eine teilweise Rückbildung der Erkrankung erwarten. Hingegen sollte bei primären und sekundären fibrotischen NSIP (nicht-spezifische interstitielle Pneumonie) die Stabilisierung des Krankheitsverlaufs das vorrangige Ziel sein.

Anders sieht es bei der idiopathischen pulmonalen Fibrose (IPF) aus, bei der das Hauptziel in den meisten Fällen darin besteht, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. Hier könnten neue Biomarker und andere Daten die Entscheidung unterstützen. Ein zentrales Problem in der Behandlung von fibrotischen ILDs wie IPF ist, dass der Fokus stark auf antifibrotischen Therapien liegt, während die Rolle des Immunsystems oft vernachlässigt wird. Dies könnte wichtige Beiträge zur Entstehung der Krankheit übersehen.

Es besteht daher ein dringender Bedarf, die Rolle von Immunzellen in den Lungen von ILD-Patienten intensiver zu untersuchen. Dabei könnten neue Technologien, wie räumlich aufgelöste Einzelzell-RNA-Analysen, helfen, neue Wege für zukünftige, individuell abgestimmte Therapien zu entdecken. Durch ein besseres Verständnis der immunologischen und fibrotischen Mechanismen könnten zukünftig zielgerichtete Behandlungsmethoden entwickelt werden, ähnlich wie es in den letzten Jahren im Bereich  Asthma gelungen ist.

Künstliche Intelligenz bei der Vorhersage des Lungenfunktionsverlusts: Mehr Forschung nötig

Die Rolle von Algorithmen der Künstlichen Intelligenz (KI) bei der Vorhersage des Lungenfunktionsverlusts muss weiter untersucht werden. Neue hochauflösende Bildgebungstechnologien wie die endobronchiale optische Kohärenztomographie (OCT) und die konfokale Laser-Endomikroskopie ermöglichen es, feine Veränderungen in der Lunge sichtbar zu machen.

Diese Verfahren könnten helfen, Patienten mit unklaren Befunden auf herkömmlichen CT-Bildern zu diagnostizieren. Sie sind in der Lage, zwischen verschiedenen Gewebetypen wie Narbengewebe (Fibrose) und Entzündungen zu unterscheiden, was besonders für Patienten wichtig ist, die keine Gewebeproben aus der Lunge entnehmen lassen können.

Experten sehen in diesen Technologien großes Potenzial für die zukünftige Diagnose und Behandlung von Lungenkrankheiten.

Quelle:
Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL) - Mitteilung vom 9. Oktober 2024

Originalpublikation:
Behr J, Salisbury ML, Walsh SLF, Podolanczuk AJ, Hariri LP, Hunninghake GM, Kolb M, Ryerson CJ, Cottin V, Beasley MB, Corte T, Glanville AR, Adegunsoye A, Hogaboam C, Wuyts WA, Noth I, Oldham JM, Richeldi L, Raghu G, Wells AU. The Role of Inflammation and Fibrosis in Interstitial Lung Disease Treatment Decisions. Am J Respir Crit Care Med. 2024 Aug 15;210(4):392-400. doi: 10.1164/rccm.202401-0048PP. PMID: 38484133.