„Wir können uns einen Systemkollaps nicht leisten!“
Pflege-Insider Markus Küffel zur Impfpflicht von Pflegekräften
Kommt sie oder kommt sie nicht?
Seit Monaten diskutiert die Politik über die Impfpflicht. Für Pflegepersonal soll sie am 15. März in Kraft treten – eigentlich. Einige Bundesländer wie Bayern oder Sachsen haben schon angekündigt, die Impfpflicht zunächst nicht umsetzen oder sich für eine Verschiebung der Fristen starkmachen zu wollen.
Branchenkenner Markus Küffel, Gesundheitswissenschaftler, examinierte Pflegefachkraft und Geschäftsführer der Pflege zu Hause Küffel GmbH, zum Für und Wider eines umstrittenen Vorhabens:
„Grundsätzlich ist die Coronaschutzimpfung natürlich sinnvoll und jedem zu empfehlen. Je mehr Menschen geimpft sind, desto weniger schwere Verläufe gibt es und desto weniger Patienten müssen auf Intensivstationen beatmet werden. Insbesondere im Hinblick auf Pflegebedürftige, die zu den vulnerabelsten Gruppen der Gesellschaft gehören, wäre eine Impfpflicht des Pflegepersonals also eigentlich zu begrüßen.
Allerdings haben wir den richtigen Zeitpunkt für eine Impfpflicht schon lange verpasst. Zum Schutz aller hätte die Politik zu Beginn nie das Versprechen abgeben dürfen, dass es keine Pflicht geben wird. Die im Nachgang beabsichtigte Impfpflicht zieht sich nun immer weiter hin und wird ohne eine einheitliche Richtung zu Tode diskutiert.
Meiner Meinung nach ist eine Verpflichtung, sich impfen zu lassen, auch für Pflegekräfte so nicht mehr zu rechtfertigen. Erschwerend kommt hinzu, dass es schon seit vielen Jahren einen Mangel an Pflegepersonal gibt, gegen den nie etwas unternommen wurde. Viele Pflegekräfte haben aufgrund der hohen Belastungen und der geringen Wertschätzung während der Pandemie schon ihren Beruf gewechselt.
Weitere 10 bis 15 Prozent der Betreuungskräfte zu verlieren, weil sie ungeimpft sind, und auf diese Weise einen Systemkollaps zu riskieren, können wir uns nicht mehr leisten. Insbesondere auch deshalb, weil dann noch mehr Druck auf den verbleibenden Kräften lastet.
Bei der sogenannten 24-Stunden-Pflege, also der Betreuung im häuslichen Umfeld durch oftmals osteuropäische Betreuungskräfte, greift die aktuell angestrebte Impfpflicht zwar noch nicht, doch auch hier würde sie mehr Schaden als Nutzen anrichten.
Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 25 Prozent der osteuropäischen Pflegekräfte aktuell noch nicht geimpft sind. Mit Einführung einer Impfpflicht würden diese Betreuungskräfte den Weg der Schwarzarbeit wählen.
Dass viele Familien sie auch ungeimpft engagieren und illegal in Deutschland arbeiten lassen würden, steht außer Frage, denn aufgrund des Pflegemangels suchen viele Angehörige verzweifelt nach Pflegepersonal.
In einer perfekten Welt würden sich alle Pflegekräfte freiwillig impfen lassen.
Da dies in der Realität allerdings nicht der Fall ist, steht die Gesellschaft vor einem Dilemma:
Durch Impfpflicht mehr Schutz vor Corona schaffen und dadurch die Versorgungssicherheit langfristig stark gefährden?
Oder ungeimpfte Pflegekräfte trotz Ansteckungsgefahr für Pflegebedürftige im Beruf halten?
Letztendlich muss permanent abgewogen werden:
- Wie entwickelt sich die Pandemie in den kommenden Wochen weiter?
- Schafft es das Gesundheitssystem auch weiterhin, alle Erkrankten zu versorgen?
Wenn ja, sollte die Politik meiner Meinung nach von der Impfpflicht in der Pflegebranche absehen, um den Pflegemangel nicht noch weiter zu verstärken.“
Weitere Informationen unter www.pflegezuhause.info