Das Hauen und Stechen bei der Bewertung von Immobilien in Erbengemeinschaften

Tohuwabohu in vielen Erbengemeinschaften um den Wert der Immobilie

Das Finanzamt setzt ihn gern hoch an, die Bank bewertet das Haus mit Null.

Der Makler liegt noch über dem Wert des Finanzamts und der Sachverständige irgendwo dazwischen.

Wenn Miterben sich Gedanken darüber machen, ob sie die Familienimmobilie veräußern sollen und wenn ja zu welchem Preis, ist Streit vorprogrammiert. Oft halten auch noch die Pflichtteilsberechtigten die Hand auf – mit jeweils eigenen Vorstellungen zum Immobilienwert.

Es gibt viele Gründe, weshalb sich Erben nicht auf einen gemeinsamen Weg bei der Auflösung der Erbengemeinschaft einigen können.

Ganz oben auf der Streitskala befindet sich mit knapp 35 Prozent die gemeinsam geerbte Immobilie. Entweder bestehen zwischen den Miterben unterschiedliche Ansichten darüber, wie die Immobilie genutzt werden soll. Oder die Erben streiten über den Wert der Immobilie.

Das ist das Ergebnis einer Studie unter 5.500 Kunden der Weilheimer Firma ErbTeilung in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Altersvorsorge, Berlin.

Pflichtteilsberechtige mischen Erbengemeinschaften auf

Dazu kommt: Viele Erbengemeinschaften sehen sich Zahlungsansprüchen von übergangenen oder enterbten nahen Angehörigen ausgesetzt. Auch hier stellt sich jeweils die Frage, von welchem Immobilienwert auszugehen und auf welchen konkreten Zeitpunkt dabei abzustellen ist. Wurde die Immobilie bereits veräußert, bevor der Pflichtteilsberechtigte abgefunden wurde, ist oft unklar, ob das Wertgutachten des Sachverständigen bezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalls oder der spätere Kaufpreis als Immobilienwert zugrunde zu legen ist.

Bundesgerichtshof spricht Machtwort

Dabei gilt auch im Erbrecht der Grundsatz, dass es für die Wertermittlung entscheidend auf den Stichtag ankommt – und zwar auf den Erbfall und nicht auf den Moment des Verkaufs. Doch wie ist zu entscheiden, wenn die Immobilie zu dem Zeitpunkt, in dem der Pflichtteilsberechtigte eine Wertermittlung zur späteren Berechnung seines Abfindungsanspruchs beantragt, bereits verkauft wurde. Macht nichts, entschied der Bundesgerichtshof, die Wertermittlung wird trotzdem durchgeführt (Az.: IV ZR 328/20).

Große Schwankungen bei Wertgutachten

In dem verhandelten Fall hatte der Erblasser ein Grundstück an mehrere Erben vererbt. Für das Grundstück gab es verschiedene Wertgutachten, die zwischen 58 000 Euro und 245 000 Euro schwankten. Die Erben veräußerten das Grundstück schließlich für 65 000 Euro. Die Tochter des Erblassers bekam als Pflichtteil rund 33 400 Euro. Dennoch wollte die Frau unabhängig von der Veräußerung den Verkehrswert des Grundstückes zum Zeitpunkt des Erbfalles ermitteln lassen. Die Erben lehnten das ab.

Verschwenderische Erben sollen ausgebremst werden

Dass das Grundstück bereits verkauft worden war, ändere an dem Anspruch nichts, befanden die Karlsruher Richter. Denn andernfalls könne ein Pflichtteilsberechtigter nicht nachweisen, dass der Veräußerungserlös nicht dem Verkehrswert entspricht. „Das Urteil ist aus Sicht der Praktiker zu begrüßen. Denn es muss bei einem frühen Verkauf zum Beispiel gewährleistet sein, dass die Immobilie nicht weit unter Wert verramscht wurde“, sagt Betriebswirt Manfred Gabler.

Würde man dem Pflichtteilsberechtigten keinen Wertermittlungsanspruch zugestehen, so der Geschäftsführer der Firma ErbTeilung weiter, hätte es die Erbengemeinschaft in der Hand, über einen geringen Verkaufserlös die Höhe von Pflichtteilsansprüchen zu regulieren. Der Pflichtteilsberechtigte tue deshalb gut daran, zunächst einmal über das Grundbuchamt Akteneinsicht zu nehmen und dort die Verkaufsurkunden durchzulesen.

Jahresgrenze beachten

Nach wie vor höchstrichterlich ungeklärt ist die Frage, ob es entscheidend auf den erzielten Kaufpreis oder das stichtagsbezogene Sachverständigengutachten ankommt. Hier könnte § 198 Absatz 3 des Bewertungsgesetzes weiterhelfen. Dort heißt es:

„Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert sind.“

Jedenfalls die Finanzbehörden stellen in der Praxis bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer regelmäßig nur dann auf einen erzielten Kaufpreiserlös ab, wenn dieser innerhalb eines Jahres nach dem Tod des Erblassers erzielt wurde.

„Werterhöhend kann es sich dann innerhalb der Jahresfrist auswirken, wenn die Immobilie nach dem Tod des Erblassers saniert, entrümpelt oder instandgesetzt wurde. Auch gestiegene Bodenrichtwerte können einen höheren Kaufpreis bewirken“, stellt Manfred Gabler von ErbTeilung klar.

Diese dürften dann aber nach dem Bewertungsgesetz nicht bei der Wertermittlung zugrunde gelegt werden, weil sich die maßgeblichen Verhältnisse eben verändert haben. Deshalb dürfe die Stichtagsregelung nicht durch eine zeitliche Streckung der Verkaufsphase aufgeweicht werden. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage wäre wünschenswert.

Rollenwechsel steigert Kompromissbereitschaft

Die Fa. ErbTeilung hat gleich neun unterschiedliche Immobilienbewertungsquellen am Beispiel eines Einfamilienhauses in Bayern ausgemacht, die je nach Interessenlage zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Manfred Gabler warnt die Mitglieder der Erbengemeinschaften davor, sich angesichts der unterschiedlichen Beträge ins Boxhorn jagen zu lassen.

„Immobilienbewertungen sind immer eine Momentaufnahme. Denn der Markt verändert sich fortlaufend und damit auch der Immobilienwert. Wenn die Erben das nicht akzeptieren, entsteht schnell Streit in den Erbengemeinschaften. Dann heißt es: Du hast doch gesagt, dass der Wert soundso hoch ist. Jetzt soll er gleich 200.000 Euro niedriger sein? Dann mach ich nicht mehr mit.“

Gabler empfiehlt jedem Erben, sich beim Immobilienwert nicht vorschnell festzulegen.

Denn mit einem schweren Preisanker im Kopf machten sich viele Erben das Leben schwer.

„Das gelingt dadurch, dass man sich in die Rolle der verschiedenen Immobilienbewerter vom Makler über den Sachverständigen bis hin zum Finanzamt hineinversetzt und dann aus der jeweiligen Perspektive fragt, was einem die eigene Immobilie jeweils wert ist. Das schafft gedankliche Flexibilität und hilft, in der Erbengemeinschaft und mit einem Käufer einen Kompromiss zu finden. Betonköpfe müssen dagegen nachsitzen und brauchen oft Jahre, bis die Erbengemeinschaft aufgelöst ist“, stellt Gabler in seiner Beratungspraxis immer wieder fest.

Preistreiber oder Preisbremse? Die neun Perspektiven auf den Immobilienwert der Erbschaftsimmobilie

1. Das Nachlassgericht
Dieses lässt sich eine Vermögensaufstellung von den Erben geben, die u.a. auch die Immobilie beinhalten wird. Es ermittelt also NICHT selbst den Wert, sondern übernimmt es laut den Angaben von einzelnen Erben. Zeitpunkt: Wenige Wochen nach dem Erbfall
Wertschätzung: 800.000 €

2. Das Finanzamt
Auf Basis eigener Bewertungsmethoden (z.B. meist Ertragswertverfahren, Einheitswert des Finanzamtes) ermittelt es den Wert und plausibilisert damit die Angaben aus der Steuererklärung. Zeitpunkt: Erst, nachdem die Erbschaftssteuererklärung gemacht wurde. Falls der Wert aus der Steuerklärung stark abweicht, setzt das FA seinen Wert fest. Ist der zu hoch, muss der Steuerpflichtige dagegen vor dem Finanzgericht klagen.
Wertschätzung: 837.000 €.

3. Der Erbe
Der Erbe hat einen Wert im Kopf, der sich oft beim Surfen durch Vergleichswerte von ähnlichen Immobilien auf entsprechenden Portalen entwickelt hat. Zeitpunkt: Von Anfang an surft der Erbe durch entsprechende Internetangebote und nutzt auch deren Immobilienwertrechner.
Wertschätzung: 950.000 €

4. Der Steuerberater
Er stellt den Wert der Immobilie steueroptimiert für den Erben dar und nutzt die für Erben vorteilhafteste Bewertungsmethode. Zeitpunkt: wenige Monate nach dem Erbfall, bzw. nach Aufforderung des Finanzamtes
Wertschätzung: 780.000 Euro

5. Die Hausbank
Sie bewertet die Immobilie eigentlich nur, wenn sie einen Auftrag zur Vermarktung durch ihre eigenen Immobilien-/Maklerabteilung wittert. Eine Bewertung zum Zwecke der Beleihung z.B. für ein Darlehen findet speziell bei Erbengemeinschaften überhaupt nicht statt. Die Bank wird eine Immobilie in einer Erbengemeinschaft nicht als Sicherheit akzeptieren und damit kein Darlehen für einen Erbanteil ausgeben.
Wertschätzung: 0.- €

6. Der Makler
Der Makler will in erster Linie den Auftrag an Land ziehen und suggeriert dem potenziellen Kunden Höchstpreise, die dann im Laufe der Vermarktung nach unten korrigiert werden müssen, weil sich keine Käufer für diesen Preis finden. Zeitpunkt: Start wenige Wochen nach dem Erbfall, Vermarktungshorizont mindestens exklusiv 6 Monate, danach Verlängerung nochmals um 6 Monate.
Wertschätzung: 1.049.000 €, dann 999.000 €, dann 949.000 €

7. Der Miterbe
Er bewertet die Immobilie ausschließlich nach seiner eigenen individuellen Zielstellung. Will er die Immobilie selbst günstig erwerben, dann wird er die Immobilien „schlecht reden“. Beispiel: 500.000.- € . Will er die Immobile nicht selbst für sich, dann soll sie so viel wie möglich bringen. Dann klammert sich der Miterbe gerne an die Mondpreise von den Maklern und rückt davon auch nicht ab, auch wenn der Preis völlig unrealistisch ist.
Wertschätzung: 1.049.000.- €

8. Der Gutachter
Er geht nur nach klassischen Bewertungsmethoden (Ertragswert-, Sachwert-, Vergleichswertverfahren) vor. Der Gutachter berechnet jedoch auch nur den Wert als Momentaufnahme/Stichtagsbetrachtung. Morgen, oder in zwei Monaten ist dieser Wert nicht mehr repräsentativ:
Wertschätzung: 805.300 €

9. Der Pflichtteilsberechtigte
Pflichtteilsberechtigte haben einen Geldanspruch gegen die Erbengemeinschaft, der vom Wert der Immobilie abhängt. Weichen Wertgutachten stark voneinander ab, kommt es zum Streit um die Abfindungshöhe.
Wertschätzung : Zwischen 400.000 € und 805.300 €

Wer gern mehr erfahren möchte, schaut bitte direkt unter Erbteilung GmbH - www.marcus-creutz.de