Forscher lizenzieren ein neuartiges Virotherapeutikum
Gemeinsam mit Biotech-Unternehmen Themis Bioscience wird ein wirkungsverstärktes onkolytisches Virus klinisch entwickelt
Professor Ulrich Lauer und sein Forscherteam von der Abteilung Klinische Tumorbiologie am Universitätsklinikum Tübingen haben gemeinsam mit Professor Wolfgang Neubert vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried ein neuartiges biologisches Krebsmittel entwickelt und an Themis Bioscience für die klinische Entwicklung lizenziert.
Finanziert wurde die Forschungsarbeit „Entwicklung, Herstellung und präklinische Sicherheit von optimierten onkolytischen Masern-Impfvirus-Vektoren“ mit rund 2 Millionen Euro Fördermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Die onkolytischen Masern-Impfviren sollen Krebszellen künftig effizienter zerstören, wodurch das bis dahin nicht ausreichend aktive Immunsystem „wachgerüttelt“ und zu neuer Stärke gebracht wird. Im Idealfall werden dabei sämtliche Tumorherde von Krebspatienten dauerhaft unter Kontrolle der Immunabwehr gebracht.
„Nachdem unsere Forschergruppe die präklinische Wirkstoff-Entwicklung jüngst erfolgreich abgeschlossen hat, haben wir nach einem Partner-Unternehmen gesucht, das speziell in der klinischen Entwicklung viraler Wirkstoffe über Expertise verfügt“, erläutert Professor Ulrich Lauer, Leiter des Virotherapie-Zentrums und Stellvertretender Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Tumorbiologie am Universitätsklinikum Tübingen die Ausgangssituation.
Die Firma Themis Bioscience, mit Sitz in Wien (Österreich), entwickelt seit Jahren sehr erfolgreich immunmodulierende Therapien und hat in diesem Zusammenhang einen besonderen Herstellungsprozess für Masern-Impfviren etabliert und optimiert.
„Außerdem ist Themis in der Lage, innerhalb kurzer Zeit eine breite Palette an Varianten unseres Impfvirus-basierten Krebswirkstoffes zu erzeugen und klinisch zu testen, was eine ideale Voraussetzung für unsere Partnerschaft darstellt“, so Professor Lauer.
Auf dieser Grundlage hat sich Themis eine exklusive weltweite Lizenz zur Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von Therapien auf Grundlage der am Tübinger Universitätsklinikum entwickelten onkolytischen Masern-Impfvirus-Plattform gesichert.
Das Masern-Impfvirus selbst hat angeborene krebshemmende Eigenschaften, wie z.B. die Vermittlung von Tumorzelllyse, T-Zell-Aktivierung und spezifisches Tumorzell-Targeting. Darüber hinaus kann es auch so konzipiert werden, dass es eine Tumor-zerstörende Nutzlast beinhaltet, was es zu einem wichtigen Baustein für eine effektive onkolytische Virus-Immuntherapie macht.
Nach Herstellung erster klinischer Prüfmuster sollen die Wirkungs-verstärkten onkolytischen Impfviren erstmals in der Tübinger Klinik zum Einsatz kommen und eingehend auf ihr klinisches Profil, also ihre Sicherheit und Effizienz in der Krebsbekämpfung getestet werden.
Hintergrund Virotherapie
Ob als Auslöser von Grippe, Herpes, Masern oder Pocken, Viren sind eigentlich unsere Feinde. Doch in der Krebstherapie können sie zu ungeahnten Helfern werden. Denn Viren sind in der Lage, Krebszellen besonders gut zu infizieren und diese dabei hocheffizient zu zerstören. Wissenschaftler sprechen hierbei von Onkolyse.
Der Trick:
Die Viren werden so verändert, dass sie unseren normalen Zellen nichts mehr anhaben können. In den Krebszellen vermehren sie sich allerdings nahezu ungebremst.
Am Ende platzen die befallenen Tumorzellen und setzen massenhaft neu gebildete Viren frei, die dann auf andere, bis dahin noch nicht infizierte Tumorzellen überspringen, wie bei einem Schneeballsystem.
Das Besondere:
„Die Onkolyse funktioniert auch dann, wenn die Krebszellen auf keine der herkömmlichen Behandlungsarten wie Chemotherapie, Bestrahlung oder Antikörper mehr ansprechen“, erläutert Professor Lauer vom Universitätsklinikum Tübingen. Und das Wichtigste:
Solche onkolytische Viren können ein bis dahin „schlafendes, inaktives“ Immunsystem dauerhaft wieder gegen Krebszellen aktivieren, so dass es für die Krebszellen kein Verstecken mehr gibt und diese mit großer Wucht überall im Körper angegriffen und in Schach gehalten werden.
Quelle:
Pressemitteilung des Universitätsklinikums Tübingen vom 11. Oktober 2018