Kleine Helfer in großer Not

Bakterien zerstören inoperable Tumore

Bei der Behandlung von Krebs haben Chemotherapie und Bestrahlungen ihre Grenzen: Eine Chemotherapie kann nur dann wirken, wenn die Medikamente mit dem Blutstrom zum Tumorgewebe befördert werden, und eine Bestrahlung ist auf Anwesenheit von Sauerstoff im Gewebe angewiesen, um erfolgreich sein zu können.

Doch viele Tumoren sind in ihrem Kern schlecht durchblutet und sauerstoffarm.

Amerikanische Forscher haben im Kampf gegen den Krebs nun Helfer gefunden, die auch den Kern der bösartigen Geschwulste angreifen: Bakterien der Art Clostridium novyi. Sie sind obligatorisch anaerob und vermehren sich im sauerstoffarmen Gewebe von Tumoren. Dort zerstören sie Bereiche, die mit klassischen Behandlungsmethoden nicht erreicht werden können.

Erste Versuche an Nagern
Clostridium novyi ist eigentlich einer der Erreger des gefährlichen Gasbrandes.

Aber das Bakterium hat Eigenschaften, die im Kampf gegen den Krebs nützlich sein könnten: Seine Sporen sind in sauerstoffhaltigem gesunden Gewebe inaktiv.

Nur in einer sauerstofffreien Umgebung werden sie aktiv, vermehren sich und lösen eine effektive Anti-Tumor Immunreaktion aus, die zu einem Absterben des Tumorgewebes führt.

Um diese Fähigkeiten nutzen zu können, mussten die Wissenschaftler das Bakterium zunächst verändern: Sie entfernten eines der Gene, das die Toxinproduktion codiert, um es für den therapeutischen Nutzen sicherer zu machen. Dann injizierten sie die Sporen so veränderter Bakterien direkt in Hirntumore von Ratten.

Wirksam gegen den Tumor
Dort erwiesen sich die Bakterien als wirksame Waffe: Sie wuchsen lediglich im sauerstoffarmen Tumorgewebe, verschonten aber gesundes Gewebe, das sich nur wenige Mikrometer entfernt befanden. Die Behandlung brachte die Tumorzellen zum Absterben.

Auch Tumorzellen, die tief im gesunden Hirngewebe saßen und deshalb nicht operativ entfernt werden konnten, wurden zuverlässig aufgespürt und schließlich durch die körpereigene Immunreaktion zerstört. Die mit den Sporen behandelten Nagetiere hatten folglich eine bedeutend höhere Überlebensrate als ihre Artgenossen ohne Bakterien-Therapie.

Studien, die Hoffnung geben
Doch nicht alle Ergebnisse aus Versuchen mit Nagern sind auf den Menschen übertragbar. Die Wissenschaftler haben ihre neue Waffe daher auch an Hunden ausprobiert, die spontan an Krebs erkrankt waren und deren Tumore denen des Menschen stärker ähneln. Die Behandlung zeigte bei mehr als einem Drittel der Tiere Erfolge.

Auch eine Patientin hat sich im Rahmen einer Phase-1-Studie dieser Behandlung unterzogen. Sie litt an einem fortgeschrittenen Leiomyosarkom, bei dem sich trotz Chemotherapie und Bestrahlung Metastasen gebildet hatten. Die Patientin erhielt eine Injektion mit Sporen direkt in eine Metastase im Arm. Die Behandlung konnte den Tumor signifikant reduzieren.

Für überschwängliche Hoffnung ist es den Forschern nach jetzt noch zu früh. „Wir befinden uns noch in einem frühen Stadium und müssen die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung sowie die Wechselwirkungen mit anderen Krebstherapien weiter untersuchen“, sagt Saurabh Saha, einer der Studienautoren.

Quelle:
Deutsches Grünes Kreuz e.V. - www.dgk.de


Quellenangaben:
(1) Roberts, N. J. et al. (2014): Intratumoral injection of Clostridium novyi-NT spores induces antitumor responses. Sci. Transl. Med. 6, 249ra111, 2014

(2) Clostridium novyi: Der Tumorzerstörer; DocCheck News vom 16.9.2014 -
http://news.doccheck.com/de/newsletter/1174/8193/?utm_source=DC-Newsletter&utm_medium=E-Mail&utm_campaign=Newsletter-DE-DocCheck+News-2014-09-16&user=n31v2vq&n=1174&d=28&chk=1ca0e3b6e5f1d4c26b46dfd6c5eb05bd

(3) Injected Bacteria Shrink Tumors in Rats, Dogs and Humans: Pressemitteilung der Johns Hopkins Medicine vom 13. August 2014
http://www.hopkinsmedicine.org/news/media/releases/injected_bacteria_shrink_tumors_in_rats_dogs_and_humans