Neue Spur führt zu Ursache von Juckreiz
Juckreiz gehört zu den unangenehmsten Erscheinungen, die unsere Haut belasten.
Er kann zahlreiche Ursachen haben, von denen viele noch nicht verstanden sind. Wenn das Jucken zusammen mit anderen Symptomen auftritt, kann das die Haut durch Kratzen stark in Mitleidenschaft ziehen. Eine der Erkrankungen, die durch Juckreiz verschlimmert wird, ist Epidermolysis bullosa simplex (EBS).
Zellbiologe Prof. Dr. Thomas Magin von der Universität Leipzig hat in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universitätskliniken in Freiburg und Marburg erstmals eine mögliche Ursache für den chronischen Juckreiz bei EBS identifiziert und dies in dem renommierten „Journal of Allergology and Clinical Immunology“ publiziert.
Die Hautkrankheit EBS wird durch Mutationen in Keratin-Genen verursacht und betrifft in Deutschland etwa 2.000 bis 3.000 Familien.
Als Folge dieser Mutationen bildet die Haut schon bei geringster mechanischer Belastung schmerzhafte Blasen.
„Wenn dann noch ein chronischer Juckreiz auftritt, wird die Haut in dessen Folge die Haut noch stärker geschädigt. Man hat bisher die Ursache von Juckreiz bei EBS nicht verstanden“, sagt Magin, der das Forscherteam leitete.
Die Wissenschaftler fanden nun heraus, dass der Botenstoff Thymic Stromal Lymphopoietin (TSLP), der auch bei Neurodermitis als wichtiger Auslöser von Juckreiz bekannt ist, eine wichtige Rolle spielt.
„TSLP vermittelt eine Zwiesprache zwischen Zellen der äußeren Hautschicht, den sogenannten Keratinozyten, Immunzellen und benachbarten freien Nervenenden in der Haut, was letztlich zu einem Juckreiz-auslösenden Signal im Gehirn führt“, erklärt der Zellbiologe.
Die äußerste Hautschicht bildet eine sogenannte Barriere, die den Körper gegen Austrocknung und das Eindringen von Keimen oder schädlichen Stoffen schützt. Bei Menschen mit empfindlicher Haut, wie EBS-Patienten, können krankmachende Keime von außen in die Haut gelangen und dort Signale auslösen, welche die Produktion von TSLP stark anregen und somit den Juckreiz auslösen und verstärken.
„Wir konnten zeigen, dass Defekte im Keratin-Zellskelett, also im Zellinneren, ebenfalls zu einer starken Produktion von TSLP in Hautzellen führt“, erläutert Magin. Die Forscher kamen dem unerwarteten Zusammenhang zwischen dem Botenstoff TSLP und dem Keratin-Zellskelett auf die Spur, weil sie wussten, dass Keratine auch für den Aufbau der Hautbarriere eine zentrale Rolle spielen.
Die Wissenschaftler isolierten Hautzellen von Mäusen mit einem Keratindefekt. Damit wollten sie prüfen, ob es darüber hinaus einen direkten Zusammenhang zwischen der TSLP-Produktion und defekten Keratinen gibt. Anders als gesunde Hautzellen produzierten die mit Keratindefekten große Mengen an TSLP. Durch diese Versuche konnten die Forscher Defekte in der Hautbarriere als mögliche Ursache für vermehrtes TSLP ausschließen. Mit diesem Befund wandten sich die Leipziger Forscher an Prof. Dr. Leena Bruckner-Tuderman, die das Kompetenzzentrum „Fragile Haut“ und das Epidermolysis bullosa-Zentrum an der Universitätsklinik Freiburg leitet. Die Untersuchung von Serum- und Gewebeproben zeigte, dass TSLP bei EBS-Patienten oftmals stark erhöht ist.
„Das bestätigt einmal mehr, wie wertvoll ein Mausmodell für die Untersuchung von Krankheitsmechanismen ist. Unsere Befunde haben einen ersten Einblick in die Ursachen von Juckreiz bei EBS geliefert. In den nächsten Monaten werden wir prüfen, ob TSLP bei weiteren Formen von Epidermolysis bullosa ebenfalls erhöht ist“, kündigt Magin an. Zum ersten Mal bestehe nun die Chance auf eine Linderung des Juckreizes bei EBS-Patienten, weil man möglicherweise auf eine Gruppe bereits vorhandener Medikamente zugreifen kann. Vieles deute darauf hin, dass Defekte in Keratin-Genen den Verlauf weiterer Erkrankungen über eine Zwiesprache mit dem Immunsystem beeinflusst.
Weitere Informationen erhalten Interessierte direkt unter home.uni-leipzig.de/instbio
Originaltitel der Veröffentlichung im „Journal of Allergology and Clinical Immunology“:
„Keratin-dependent thymic stromal lymphopoietin expression suggests a link between skin blistering and atopic disease“ doi: 10.1016/j.jaci.2016.04.046