Auf den Spuren des Cushing-Syndroms
In einem neuen Forschungsprojekt wollen Wissenschaftler der Uni und des Universitätsklinikums Würzburg die molekularen Grundlagen des Cushing-Syndroms entschlüsseln.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert das Vorhaben mit knapp einer halben Million Euro.
Auf der Suche nach neuen und besseren Medikamenten werden Wissenschaftler der Universität und des Universitätsklinikums Würzburg in den kommenden drei Jahren versuchen, die molekularen Grundlagen des Cushing-Syndroms vollständig zu entschlüsseln. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft stellt den drei Wissenschaftlern Professor Dr. Martin Fassnacht, Dr. Timo Deutschbein und Dr. Silviu Sbiera des Schwerpunkts Endokrinologie der Medizinische Klinik und Poliklinik I dafür 454.250 Euro zur Verfügung.
Tumore der Hirnanhangsdrüse lösen einen Hormonsturm aus
Was in Tumoren passiert, welche ungezügelt ACTH ausschütten, konnten die Würzburger Hormonforscher mit Kollegen aus München und Japan vor gut zwei Jahren in einer Studie zeigen, deren Ergebnisse sie in der Fachzeitschrift Nature Genetics veröffentlichten.
„In den vergangenen Jahren haben Studien nachgewiesen, dass diese Tumoren eine veränderte Expression mehrerer Moleküle aufweisen, welche für die Erkrankung vermutlich relevant sind“, sagt Silviu Sbiera, der naturwissenschaftliche Projektleiter der Würzburger Endokrinologie. Die Gruppe um Sbiera und Fassnacht konnte Anfang 2015 eine verantwortliche Mutationen im Gen der Ubiquitin-spezifischen-Peptidase 8 (USP8) in rund einem Drittel der Tumoren identifiziert. „Damit waren erstmals krankheitsverursachende Mutationen für die molekulare Pathogenese des Morbus Cushing gefunden“, so der Forscher. In dem jetzt genehmigten Projekt wollen die Beteiligten nun in vier Arbeitspaketen mit verschiedenen molekularen Ansätzen die molekularen Grundlagen dieser ACTH-produzierenden Tumoren der Hirnanhangsdrüse weiter aufklären.
Suche nach den verantwortlichen Mutationen
Ausgehend von der Annahme, dass die aktivierenden USP8-Mutationen zumindest für einige der molekularen Veränderungen verantwortlich sind, werden die Forscher zum einen die Genaktivitäten von USP8-Tumoren mit denen anderer, sogenannter Wildtyp-Tumoren, vergleichen. „Hierzu haben wir bereits die Gewebe von mehr als 60 dieser seltenen Tumoren gesammelt und für die anstehenden Analysen aufbereitet“, ergänzt Timo Deutschbein. In zwei weiteren Schritten wollen die Wissenschaftler genauer untersuchen, welche Konsequenzen die USP8-Mutationen auf molekularer Ebene im Zellinneren haben, beziehungsweise welche weiteren Gene davon betroffen sind.
Die Suche nach den verantwortlichen Mutationen im Gen der Ubiquitin-spezifischen-Peptidase 8 steht im Mittelpunkt des vierten Arbeitspakets. „Dafür werden wir bei 20 Patienten mit Morbus Cushing ohne USP8-Mutation eine Gesamt-Exom-Sequenzierung durchführen“, erklärt Fassnacht. Exom: Darunter versteht die Wissenschaft sämtliche Abschnitte des Erbguts, die potenziell in der Lage sind Proteine zu codieren. Beim Menschen machen sie nur etwa ein Prozent des Genoms aus, tragen aber nahezu alle krankheitsverursachenden Mutationen.
Effizientere Medikamente und bessere Betreuung
Als Vergleich dient dann das Exom von Hunden. Hierzu werden entsprechende Proben am Tierklinikum in Utrecht (Niederlande) gesammelt und anschließend von einer Arbeitsgruppe in Gent (Belgien) sequenziert.: „Hunde sind für die Erforschung des Cushing-Syndroms besonders interessant, da sie sehr viel häufiger an Morbus Cushing erkranken als Menschen; gleichzeitig sind die molekularen Veränderungen aber sehr ähnlich“, sagt Sbiera.
Von den Ergebnissen dieser Untersuchungen versprechen sich die Beteiligten ein besseres Verständnis der Vorgänge in den ACTH-produzierenden Hypophysen-Tumoren. Dies werde mittel- und langfristig dazu beitragen, effizientere und nebenwirkungsärmere Medikamente für diese Erkrankung zu entwickeln.
Am Universitätsklinikum Würzburg sollen die neuen Erkenntnisse außerdem in eine spezialisierte Sprechstunde für Patienten mit Hypophysen-Erkrankungen einfließen, die ab Januar 2017 im Schwerpunkt Endokrinologie unter Leitung von Timo Deutschbein angeboten wird. Damit soll die medizinische Betreuung von Patienten, welche an diesen seltenen Erkrankungen leiden, nochmals deutlich verbessert werden.
„In gut 70 Prozent aller Fälle sind gutartige Tumore der Hirnanhangsdrüse Auslöser des Cushing-Syndroms“, erklärt Professor Fassnacht. Im Endeffekt ist Cortisol – in der Umgangssprache auch Kortison genannt – das für die typischen Cushing-Symptome verantwortliche Hormon. Das Stresshormon nimmt im Stoffwechsel des Menschen wichtige Funktionen ein; wenn es jedoch unkontrolliert ausgeschüttet wird, stürzt es den Organismus ins Chaos.
Gesteuert wird die Cortisolausschüttung in der Nebenniere von einem weiteren Hormon – dem Adrenocorticotropin (ACTH), das in der Hirnanhangsdrüse produziert wird. Bildet sich dort ein gutartiger Tumor, produziert die Drüse ungebremst ACTH und treibt somit auch den Cortisolspiegel nach oben.Die Diagnose ist oft schwierig, denn nur in ausgeprägten Fällen lässt sie sich „auf den ersten Blick“ stellen: Menschen, die an einem endogenen Cushing-Syndrom erkrankt sind, leiden unter einem bauchbetonten Übergewicht, ihr Gesicht ist auffällig rund, der Nacken kräftig.
Darüber hinaus erkranken sie häufig an Bluthochdruck, entwickeln eine Muskelschwäche, bekommen Diabetes und werden anfälliger für Infekte. Selbst bei einer optimalen chirurgischen Therapie (mit Entfernung der für den Hormonexzess ursächlichen Raumforderung) sind viele Patienten anschließend nicht geheilt und benötigen eine dauerhafte medikamentöse Behandlung. Allerdings gibt es aktuell nur wenige Medikamente – und diese weisen oft eine beschränkte Wirksamkeit und zahlreiche Nebenwirkungen auf.
Quelle:
Prof. Dr. Martin Fassnacht - Universitätsklinikum Würzburg - http://www.ukw.de/