Elektrische Impulse gegen nächtliche Atemaussetzer
Erstmals in Dresden implantieren Neurochirurgen des Uniklinikums ein atmungsgesteuertes Stimulationssystem
Innovative Technik beugt Folgeerkrankungen vor
Nervenstimulationen lassen sich nur mit einer filigranen Operationstechnik vornehmen, denn jede Abweichung von der Ideallinie hat für die Patienten weitreichende Folgen. Mit ihrer umfangreichen Expertise auf diesem Gebiet ist die Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden in Sachsen erster Ansprechpartner für die operative Behandlung von Nervenerkrankungen.
Nun bietet die Klinik gemeinsam mit dem Interdisziplinären Schlaflabor des Uniklinikums sowie dem Fachkrankenhaus Coswig Patienten mit schweren nächtlichen Atemstillständen, der sogenannten Schlafapnoe, Linderung an. Als eines der ersten Zentren in Ostdeutschland implantieren die Experten der Dresdner Hochschulmedizin ein atmungsgesteuertes Stimulationssystem, das Atemaussetzer im Schlaf mit elektrischen Impulsen verhindert.
Damit haben schwer betroffene Patienten erstmals eine Alternative zu Beatmungsmasken, die längst nicht für jeden Patienten geeignet sind.
Fünf Prozent der Deutschen leiden unter der sogenannten Schlafapnoe.
„Dabei verschließt die im Schlaf erschlaffende Zunge die Atemwege. Unsere Patienten werden dadurch mehrmals pro Nacht wach“, erklärt Dr. Amir Zolal von der Klinik für Neurochirurgie den Leidensdruck der Patienten. Erholsames Schlafen wird damit unmöglich.
„Bis der Patient aufgrund des erhöhten Kohlendioxidspiegels im Blut teilweise aufwacht, atmet er oft 30 bis 60 Sekunden nicht“, beschreibt der Mediziner die Gefahr, die von der unter anderem durch Übergewicht begünstigten Schlafapnoe ausgeht. Es erhöht sich bei allen Betroffenen das Risiko für Folgekrankheiten wie Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Bluthochdruck. Hinzu kommen durch den Schlafmangel ausgelöste Symptome wie Antriebslosigkeit oder Reizbarkeit. „Es gibt eine Vielzahl konventioneller Therapien“, weiß Oberarzt PD Dr. Stephan Sobottka, der die ersten Implantationen des neuen Stimulationssystems am Uniklinikum leitet.
Viele der Betroffenen erhalten zunächst eine Maske, die die Atemwege durch einen konstanten Luftdruck freihalten soll. Doch in einigen Fällen verrutscht diese häufig im Schlaf und hat damit vor allem einen störenden und keinen regenerierenden Effekt. Diesen Patienten bietet das atmungsgesteuerte Stimulationssystem jetzt eine wirkliche Alternative“, erklärt der versierte Operateur.
Das atmungsgesteuerte Stimulationssystem
Nach den nötigen Voruntersuchungen im Interdisziplinären Schlaflabor des Uniklinikums oder im Fachkrankenhaus Coswig erfolgt die Operation der Patienten am Dresdner Universitätsklinikum. Um das Stimulationssystem im Körper zu platzieren, legen die Neurochirurgen während der Operation den zwölften Hirnnerven, den Nervus hypoglossus, am Unterkiefer des Patienten frei. Noch während der Operation überprüfen die Mediziner, welcher der Nervenäste für das Vorstrecken der Zunge verantwortlich ist und legen eine Elektrode um den Nerv.
Die dazugehörige Stromquelle in Form eines handtellergroßen Generators wird im Brustbereich implantiert. Ein Sensor misst die Atembewegungen an der Lunge. Die rund dreieinhalb Stunden dauernde Operation wird dabei minimalinvasiv vorgenommen, sodass die Patienten nur kurz brauchen, um sich von der Operation zu erholen. Mit der Implantation des Stimulationssystems gehören die Dresdner Neurochirurgen zu den Vorreitern: Weltweit wurden erst 1.000 der Geräte implantiert.
Vier Wochen nach der Operation nehmen die Neurochirurgen das Gerät dann erstmals in Betrieb. Im Alltag schaltet der Patient die Stromquelle mithilfe einer separaten Fernbedienung beim zu Bett gehen ein und gibt die ungefähre Einschlafdauer an. Dann beginnt das Stimulationssystem mit seiner Arbeit. Zur Sicherheit schaltet sich das Gerät nach einer Betriebsdauer von acht Stunden eigenständig ab. So wird auch der implantierte Generator geschont. Nach etwa acht Jahren wird dieser gegen ein neues Gerät ausgetauscht.
Die Klinik für Neurochirurgie
Als deutschlandweit eine der leistungsstärksten Kliniken, operierten die Neurochirurgen des Dresdner Uniklinikums allein 2015 insgesamt 2.057 Patienten aller Altersgruppen und nahmen rund 2.300 Operationen vor, die größtenteils komplizierte chirurgische Eingriffe darstellten.
Neben der Chirurgie von gut- und bösartigen Hirntumoren sind dies Tumore im Bereich der Augen sowie der Hirnanhangdrüse. Weitere Spezialgebiete der Klinik sind die Epilepsiechirurgie und die Tiefenhirnstimulation von Patienten, die unter der Parkinson´schen Krankheit leiden. Einen großen Erfahrungsschatz weißt man auch im Bereich der Nervenstimulation auf, die beispielsweise in der Therapie von Schlaganfallpatienten mit motorischen Störungen angewendet wird.
Neben der universitären Expertise und den überdurchschnittlichen Qualitätsstandards begründen die hohen Patientenzahlen den großen Erfahrungsschatz der Klinik – alles Parameter für eine erfolgreiche Behandlung auch kompliziertester Erkrankungen. Damit ist die Klinik für Neurochirurgie weit über den ostsächsischen Raum hinaus erste Anlaufstelle für schwere Erkrankungen und Verletzungen des Gehirns und des Nervensystems.
Seit der Neugründung des Dresdner Universitätsklinikums 1993 wird die Klinik für Neurochirurgie von Prof. Gabriele Schackert geleitet, die im Jahr 2015/2016 als erste Frau die Präsidentschaft der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie übernahm.
Weitere Informationen erhalten Sie direkt unter Universitätsklinikum Carl Gustav Carus - www.uniklinikum-dresden.de/nch