Essstörungen nicht in Eigenregie behandeln
Angehörige erkennen die Anzeichen von Magersucht, Bulimie und anderen Essstörungen meist zuerst.
Behandlungen in Eigenregie sind aber nicht ratsam, denn hinter diesen Krankheiten stecken oft ernste Probleme
Seit sechs Monaten verzichtet Meike S. strikt auf kalorienreiches Essen und denkt nur noch an ihr Gewicht. Die 16-Jährige hat stark abgenommen, alle Gesprächsversuche wehrt sie ab und sie zieht sich immer mehr zurück.
Ihre Mutter befürchtet den Beginn einer Magersucht und ist ratlos.
„Angehörige bemerken das veränderte Essverhalten und den sozialen Rückzug meist als erste“, sagt Claudia Schlund von der Nürnberger Beratungsstelle der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD).
„Und tatsächlich liegt der Verdacht auf eine Essstörung nahe, wenn Essen und Gewicht immer mehr das Leben der Betroffenen bestimmen.“ Der erste Schritt sei dann, offen darüber zu reden und die Probleme nicht zu verheimlichen. Denn oft stecken ernsthafte psychische Ursachen dahinter – etwa ein geringes Selbstbewusstsein, Vernachlässigung oder sogar Missbrauch.
„In so einem Fall ist zudem professionelle Unterstützung sehr wichtig“, so Schlund. Denn die Erfolgs- und Heilungschancen hängen am Ende stark von der Schwere und Dauer der Erkrankung ab. Das Problem: Viele Betroffene verstehen nicht, dass sie schwer krank sind und an Magersucht sogar sterben können.
Trotzdem müssen Familie oder Freunde nicht hilflos zusehen. „Sie können vielmehr den entscheidenden Anstoß geben, dass Kranke sich am Ende doch Hilfe suchen“, sagt Schlund. „Eine Möglichkeit ist: die Sorgen um den Anderen direkt ansprechen.“ In einem zweiten Schritt sei es gut, dass Angehörige sich genauer über die Krankheit informieren und beraten lassen – sei es direkt vor Ort in einer Beratungsstelle für Essstörungen, per Telefon oder über das Internet, wahlweise auch anonym.
Haben die Betroffenen selber den Weg in die Beratung gefunden, wird zunächst geklärt, ob ihr Essverhalten wirklich gestört ist. Dann vermitteln die Experten Kontakte zu Hilfsangeboten und Therapiemöglichkeiten. Unterstützen kann der Besuch von Selbsthilfegruppen. „Seriöse Angebote geben dabei Tipps, wie man aus der Krankheit aussteigen kann, werden von Fachleuten moderiert und legen offen, wer hinter dem Angebot steckt“, erklärt die Patientenberaterin.
Der dritte Schritt ist schließlich die psychotherapeutische und medizinische Behandlung der Essstörung. Das ist oft ambulant möglich und hat den Vorteil, dass man Angehörige leichter einbeziehen und das Gelernte gleich im Alltag umsetzen kann. „Eine Ausnahme sind schwierige soziale Umstände oder starke körperliche Mangelerscheinungen“, sagt Schlund. „Dann kann eine stationäre Behandlung notwendig sein.“ Die Therapiekosten übernehmen auf Antrag die Krankenkassen, die Rentenversicherung oder das Sozialamt.
UPD-Tipp:
Weitere Informationen zu Essstörungen bekommen Betroffene und Angehörige bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) über das Beratungstelefon (0221) 89 20 31 oder unter www.bzga-essstoerungen.de