Knieprothese: Weil jedes Knie anders ist – auf die individuelle biomechanische Ausrichtung kommt es an

Kniegelenkersatz: Das „vergessene Knie“ ist das Ziel

Gelenkstellung und Bänderspannung spielen für die Zufriedenheit eine zentrale Rolle

Schmerzfreie Bewegung ist das Ziel des künstlichen Kniegelenkersatzes. Die Patientinnen und Patienten sollen fast vergessen, dass sie eine Prothese tragen. Hinsichtlich der Haltbarkeit der verwendeten Prothesenmaterialien in Verbindung mit minimalinvasiven Operationstechniken scheint heute ein Optimum erreicht zu sein.

Dennoch sind etwa 15 Prozent der Operierten mit ihrer Knieprothese nicht ganz zufrieden, obwohl meist keine fassbaren Mängel wie Infektionen oder Implantatversagen vorliegen.

Deshalb rückt die Einstellung der optimalen Biomechanik des Ersatzgelenks, das sogenannte Alignment, in den Fokus: Denn Menschen können nach einer Operation empfindlich auf Veränderungen der Ausrichtung ihres Bewegungsapparates reagieren, etwa mit Spannungsgefühlen, Bewegungseinschränkungen und Schmerzen.

Wissenschaftlich geprüfte und konsentierte Empfehlungen für das Alignment in der Knieendoprothetik gibt es bisher jedoch nicht.

Das Knie ist ein komplexes Gelenk.

Zudem ist es bei jedem Menschen etwas anders gebaut. „Ganz gerade Beine sind selten, leichte X- und O-Beine und andere Achsabweichungen dagegen häufig“, sagt Professor Dr. med. Robert Hube, Präsident der AE und Leitender Arzt an der Orthopädischen Chirurgie München (OCM). „Das macht die Implantation eines Kunstgelenks so diffizil und erfordert individuelle Fall-zu-Fall-Entscheidungen“, erläutert Hube.

Personalisierte Biomechanik statt Standardlösungen sind der Schlüssel zu Patientenzufriedenheit

Fehlstellungen können zu vorzeitigem Gelenkverschleiß führen. Die ursprüngliche Idee des künstlichen Kniegelenkersatzes war es daher, im Rahmen der Implantation auch die Beinachse möglichst zu begradigen.

Doch die damit verbundene Veränderung der Gelenkstellung hat Auswirkungen auf die Biomechanik und die Bandspannung des Bewegungsapparates.

Und es wird immer deutlicher: Das kann sich in einem veränderten Bewegungsgefühl äußern – und das nicht nur im Kniebereich. „Für das Wohlbefinden spielt es eine große Rolle, ob die Gelenkachsen und die Bandspannung gefühlt stimmen“, sagt Hube. „Vielleicht ist das auch der Grund, warum ein Teil der Patientinnen und Patienten mit einer Knieprothese nicht ganz zufrieden ist“, so der Orthopäde und Unfallchirurg weiter.

„Das Problem ist, dass es noch keinen durch wissenschaftliche Studien belegten Konsens über die beste Ausrichtung gibt“, sagt Professor Dr. med. Georgi Wassilew, Generalsekretär der AE und Direktor der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie am Universitätsklinikum Greifswald. „Bei der Implantation zählt daher bisher die Erfahrung aus Hunderten oder Tausenden von Implantationen.“

Datenschätze aus der Robotik als Grundlage für Implantations-Empfehlungen

Hier kommt die roboterassistierte Chirurgie ins Spiel

„Das quasi skalierbare, übertragbare Wissen über die Gesetzmäßigkeiten einer optimalen Ausrichtung könnte durch die Auswertung der Aufzeichnungen gewonnen werden, die bei roboterassistierten Implantationen mitlaufen“, sagt Wassilew.

Denn die vom Operateur dem OP-Roboter vorgegebenen Knochensägeschnitte zur Menge des abgetragenen Knochens, der Implantatausrichtung sowie die Messung und Einstellung der Bänderspannung werden millimetergenau exakt ausgeführt.

„Mit dem so gesammelten Datenschatz aus Tausenden von Operationen weltweit lassen sich die Auswirkungen der vorgenommenen Schritte besser nachvollziehen und darauf aufbauend allgemeingültige Empfehlungen für die bestmögliche Ausrichtung für jede individuelle Knie-Situation erarbeiten“, sagt Wassilew.

Bislang zeigen klinische Studien im Durchschnitt keine besseren Ergebnisse bei roboterassistierten Operationen im Vergleich zu konventionell durchgeführten Implantationen. „Mit verlässlichen Alignment-Daten für alle Operierenden in Verbindung mit einer präzisen und reproduzierbaren robotischen Ausführung könnte sich das jedoch ändern“, wagen die AE-Experten einen Blick in die Zukunft. Schon heute zeigen einzelne Kliniken hervorragende Ergebnisse bei roboterassistierten Operationen.

Der aktuelle Stand der Robotik in der Endoprothetik, ihre Vor- und Nachteile sind eines der Themen der Online-Pressekonferenz der AE am Dienstag, 3. Dezember 2024 im Vorfeld der 26. Jahrestagung der AE vom 5. bis 6. Dezember 2024 in Dresden. Mehr zum Kongress: https://ae.ae-gmbh.com/ae-kongress.