Kalte, schmerzende Hände können Anzeichen einer rheumatischen Autoimmunerkrankung sein

Der Abiturstress vor zweieinhalb Jahren könnte bei Parmis Khosrozadeh Auslöser gewesen sein.

Damals klagte die jetzt 22-Jährige über einen Zeigefinger, der dauernd kalt und fast gefühllos war und der sich manchmal gelb oder sogar blau verfärbte.

Ihre Hausärztin ordnete eine Laboruntersuchung an, die Hinweise auf eine Autoimmunerkrankung ergab: Das Blut der jungen Frau wies vermehrt antinukleäre Antikörper (ANA) auf. Der Verdacht einer rheumatischen Autoimmunerkrankung konnte in der Rheumaambulanz am UKM bestätigt werden. Seit Kurzem verfügt man dort auch über ein hochauflösendes Kapillarmikroskop, das die Diagnose in solchen Fällen erleichtert.

Priv.-Doz. Dr. Rebecca Hasseli-Fräbel, stellvertretende Leiterin der Sektion für Rheumatologie und Klinische Immunologie am UKM (Universitätsklinikum Münster) (Leitung: Prof. Martin Kriegel), ist sichtlich stolz auf die neue diagnostische Dimension, die sich ihr in der Ambulanz bietet: Am Monitor, der das bis zu 200-fach vergrößerte Bild des Kapillarmikroskops zeigt, erkennt die Rheumaspezialistin, dass die kleinsten Blutgefäße – also die Kapillaren – der Finger von Parmis Khosrozadeh, auffällig sind. Diagnose: Eine Kollagenose, eine Erkrankung aus dem entzündlich-rheumatischen Spektrum.

Grundsätzlich können die systemischen vaskulären Gefäßveränderungen nicht nur an den Händen, sondern überall auftreten. Das fällt besonders an den Körperteilen auf, die der Witterung ausgesetzt sind, wie Nase, Lippe, Ohren oder Füße. Bei Fortschreiten der Erkrankung können unter Umständen lebenswichtige Organe angegriffen werden. So weit muss es aber bei der 22 Jahre alten Architekturstudentin nicht kommen, sagt Hasseli-Fräbel: „Bei Kollagenosen können wir feinste Gefäßveränderungen an dem Nagelfalz mit dem Kapillarmikroskop sichtbar machen. Gibt es dort Veränderungen der Kapillarstruktur, können Störungen der Durchblutung auftreten. Hier können wir eingreifen.“

Landläufig ist das von der Patientin beschriebene Syndrom als Morbus Raynaud bekannt, allerdings deutet die Symptomatik allein noch nicht grundsätzlich auf eine autoimmune Genese. Ob eine autoimmune Ursache zu Grunde liegt, muss differentialdiagnostisch abgeklärt werden. Parmis Khosrazadeh hat die sekundäre, also autoimmune Form des Raynaud-Syndroms.

Neben Missempfindungen und Taubheitsgefühlen berichtet sie von dauerkalten Fingern und den typischen, scharf abgegrenzten farblichen Veränderungen der Hände.

„Von sehr weiß, über gelblich bis blau – das Gewebe verfärbt sich temporär. Insbesondere bei Stress, aber auch bei kalten Temperaturen, werden die Probleme offensichtlich“, weiß Hasseli-Fräbel.

Wird das Gewebe dann wieder durchblutet, schmerzt es und wird feuerrot. Das ist nicht harmlos

„Werden Raynaud-Attacken nicht adäquat behandelt, kann es zur Durchblutungsstörung mit Wunden kommen und die betroffenen Areale können sogar absterben“, erläutert die leitende Oberärztin.

Ziel einer Therapie muss es sein, das Gewebe gut durchblutet zu halten.

Neben lokal wirksamen Methoden wie Wechselbädern, heißen Kirschkernkissen, Massagen und Physiotherapie gilt es, Kälte und Stress möglichst aus dem Weg zu gehen. Blutdrucksenker können für eine bessere Durchblutung angezeigt sein. Als Mittel der letzten Wahl ist auch eine Infusionstherapie möglich.

„Solange die Symptome noch gering sind, versuchen wir bei Patientinnen wie Parmis, die Erkrankung nicht weiter fortschreiten zu lassen“, weiß auch Assistenzärztin Dr. Nadine Al-Azem, die die Studentin in der Rheumaambulanz mindestens einmal jährlich sieht.

Das gibt auch ihrer Patientin Zuversicht:

Sie hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, Architektin zu werden. „Dazu muss ich zeichnen können“, sagt sie. „Aber ich habe die Hoffnung, dass meine Hände hier in den besten Händen sind.“

Quelle:
Universitätsklinikum Münster - Mitteilung vom 8. Oktober 2024

Weitere Information

Die bedeutendste europäische Fachgesellschaft für Rheumatologie (EULAR) hat die Sektion für Rheumatologie und Klinische Immunologie am UKM als Ausbildungszentrum für Bildgebung in der Rheumatologie akkreditiert.

Als Co-Zentrum mitzertifiziert wurde die UKM-Hautklinik. Die Zertifizierung bescheinigt beiden höchste Expertise auf dem Gebiet hochmoderner Bildgebungsverfahren und erteilt die Erlaubnis zur fachbezogenen Weiterbildung von Fachärztinnen und Fachärzten, die europaweit nur für wenige Zentren vorliegt.

Voraussetzung dafür sind moderne Geräte zur Untersuchung der Betroffenen wie ein hochauflösendes Kapillarmikroskop und ein geeignetes Ultraschallgerät für die muskuloskelettale Sonographie. Beides hilft, systemische Autoimmunerkrankungen, die die Blutgefäße angreifen, bereits in einem sehr frühen Stadium zu erkennen.