Arztbehandlung ohne Qualifikation

RadiologenGruppe 2020 warnt vor Untersuchungen durch fachfremde Ärzte

  • Darf ein Urologe Operationen am offenen Herzen durchführen?
  • Ein Dermatologe Kaiserschnitte vornehmen?
  • Oder ein Radiologe Psychotherapie anbieten?

Wer in Deutschland zum Arzt geht, verlässt sich in der Regel darauf, dass dieser genau weiß, was er tut, und auf dem entsprechenden Fachgebiet ausgebildet wurde.

Während diese Erwartungshaltung für Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung bisher noch erfüllt wird, gerät dieser Standard im privatärztlichen Bereich zunehmend ins Wanken

„Gemäß der aktuellen Rechtsprechung ist es Ärzten bei Privatpatienten gestattet, auch außerhalb ihres eigenen Fachgebietes tätig zu werden und Leistungen abzurechnen, ohne die entsprechende qualitätsgesicherte Weiterbildung nachweisen zu müssen“, erklärt Dr. Ullrich Schricke, Facharzt für Radiologie und Vorstand der RadiologenGruppe 2020.

Fehlentwicklung des Gesundheitssystems

Mehrere Gerichtsprozesse in Bayern und Hessen sollten in den vergangenen Jahren die Frage klären, ob Ärzte ohne ausreichende Qualifikation im radiologischen Fachbereich MRT-Untersuchungen privatärztlich durchführen und abrechnen dürfen.

Dabei entschieden die Gerichte, dass MRT-Leistungen auch von Orthopäden erbracht werden dürfen, selbst wenn diese nicht über die erforderliche Zusatzweiterbildung verfügen.

„Wir sehen diese Entscheidung nicht nur problematisch für Radiologen, sondern für das gesamte Gesundheitssystem. Dieses Prinzip lässt sich auf andere Disziplinen übertragen, derzeit kann also jeder Arzt bei Privatpatienten auch vollkommen fachfremde Behandlungen durchführen, seine Spezialisierung spielt keine Rolle mehr.

Diese Abkehr vom fachärztlichen Standard birgt erhebliche Risiken für die Behandlungsqualität und die Sicherheit der Patienten“, warnt Prof. Dr. Henrik Michaely, Radiologe im MVZ Radiologie Karlsruhe und Aufsichtsrat der RadiologenGruppe 2020.

Gefahr von Missbrauch droht

Sollte dieser Entwicklung in der privatärztlichen Behandlung kein Riegel vorgeschoben werden, besteht zu befürchten, dass sie langfristig auch auf die Versorgung von gesetzlich Versicherten übergreifen könnte. „Damit würde die Qualität der gesamten medizinischen Versorgung in Deutschland sinken.

Um Patienten die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten, sollte jeder Arzt sich auf das Gebiet konzentrieren, auf dem er ausgebildet wurde“, findet Prof. Dr. Henrik Michaely.

Auch dem Missbrauch wird durch die aktuelle Handhabe Tür und Tor geöffnet, erklärt Dr. Schricke weiter: „Wenn beispielsweise der Orthopäde, der die Überweisung für eine MRT-Untersuchung ausstellt, diese anschließend auch selber durchführt, könnten wirtschaftliche Interessen seine Entscheidung viel stärker beeinflussen als die Frage nach der medizinischen Notwendigkeit.“

Versorgungsqualität sichern
Fachspezifische Leistungen sollten auch weiterhin von entsprechend qualifizierten Fachärzten erbracht werden. Dr. Ullrich Schricke fordert im Namen der gesamten RadiologenGruppe 2020: „Die Bewahrung der bewährten Gebietsgrenzen zwischen den ärztlichen Fächern ist von entscheidender Bedeutung für die Qualität und Sicherheit der medizinischen Versorgung in Deutschland.

Deshalb fordern wir eine Präzisierung der Heilberufsgesetze der Länder, eine Schärfung der Weiterbildungsordnungen und gegebenenfalls eine Anpassung der Gebührenordnung für Ärzte.“

Wer gern mehr erfahren möchte, findet weitere Informationen unter www.rg20.org

Kurzprofil
Die RadiologenGruppe 2020 ist ein deutschlandweiter strategischer Verbund radiologischer und nuklearmedizinischer Mittelstandspraxen. Gegründet wurde sie 2020, um auf politische Missstände im Gesundheitssystem aufmerksam zu machen und Mehrwerte für Patienten und Patientinnen zu schaffen. Sie sieht sich als Stimme mittelständischer Nuklearmediziner/-innen und Radiologinnen und Radiologen und setzt sich gegen Praxissterben und für eine bessere Versorgung in der bildgebenden Diagnostik ein. Inzwischen gehören der RadiologenGruppe 2020 deutschlandweit mehr als 950 Ärztinnen und Ärzte an über 270 Standorten an.