Dengue: Inzwischen auch ein europäisches Virus
Tropenviren am Mittelmeer
Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, manchmal auch ein sonnenbrandähnlicher Hautausschlag – Beschwerden wie diese sollten bei Reisenden und Reiserückkehrern immer auch an eine Infektion mit Dengue-Viren denken lassen.
Als mögliche Herkunftsländer gelten dabei längst nicht mehr nur tropische Gebiete in Asien, Südamerika und Afrika.
Auch in europäischen Ländern wie Kroatien, Frankreich, Italien oder Spanien kommt es seit einigen Jahren immer wieder zu vereinzelten Dengue-Infektionen, wie das CRM Centrum für Reisemedizin mitteilt.
Auf der vor der marokkanischen Küste liegenden, zu Portugal gehörenden Insel Madeira ist das Virus mittlerweile sogar endemisch.
Eine Dengue-Impfung ist seit diesem Jahr zwar möglich, dennoch bleibt der Schutz vor den tagaktiven Überträgermücken vorerst die wichtigste prophylaktische Maßnahme, so das CRM.
Tropische Mückenarten wie die Gelbfiebermücke Aedes aegypti und die Asiatische Tigermücke Aedes albopictus sind in ihrer Verbreitung längst nicht mehr nur auf die Tropen beschränkt.
Durch Reiseverkehr und Klimawandel haben sich Populationen dieser Insekten mittlerweile auch in den europäischen Mittelmeerländern etabliert – samt den verschiedenen Viren die sie übertragen können.
Erst in den vergangenen Tagen wurde eine vor Ort erworbene Dengue-Infektion in der italienischen Region Lombardei bestätigt, zudem gibt es dort einen weiteren Verdachtsfall. Dies sind die ersten in Italien erworbenen Infektionen seit 2020, als in der Region Venetien fünf Übertragungen registriert wurden, die von einer aus Asien eingeschleppten Infektion ausgingen.
„Seit 2010 werden in südeuropäischen Ländern regelmäßig einzelne Übertragungen des Dengue-Virus registriert“, sagt Professor Dr. med. Tomas Jelinek, wissenschaftlicher Leiter des CRM.
Die übertragenden Mückenarten kämen mittlerweile zwar auch weiter nördlich vor – etwa in Deutschland und den Niederlanden – eine Übertragung von Dengue-Viren sei aus diesen Ländern bislang jedoch nicht bekannt.
Fallzahlen in Deutschland: Überwiegend Reiserückkehrer aus Südostasien
Die überwiegende Mehrzahl der mehreren Hundert bis über 1000 (das bisherige Maximum von 1176 liegt im vor-pandemischen Jahr 2019) jährlich nach Deutschland eingeschleppten Dengue-Infektionen kommt nach wie vor aus Südostasien, knapp jede dritte hierzulande registrierte Erkrankung wurde allein in Thailand erworben.
„Die aktuelle Entwicklung zeigt aber auch, dass bislang wenig oder gar nicht betroffene Weltregionen zunehmend zu Dengue-Gebieten werden“, sagt Jelinek.
So wurden in diesem Jahr bereits elf Übertragungen im US-Bundesstaat Florida, sowie eine in Texas registriert. Auch auf den Inseln der Karibik werden Ausbrüche seit Jahren immer häufiger, und auf der portugiesischen Insel Madeira ist Dengue seit dem ersten Ausbruch vor zehn Jahren bereits endemisch geworden.
Dengue-Infektionen: Große Bandbreite an Symptomen
Ob in Deutschland, Europa oder weltweit: Bei allen Angaben zu Dengue-Infektionen ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer bedeutend höher liegt als die Zahl der offiziell gemeldeten Erkrankungsfälle. Denn nur rund jede vierte Infektion macht sich überhaupt durch Krankheitssymptome bemerkbar.
„Das Spektrum an klinischen Beschwerden ist sehr breit“, sagt CRM-Experte Jelinek.
Es reiche von einem unspezifischen fieberhaften Infekt bis hin zu einem schweren Verlauf mit Schleimhautblutungen, Schock und dem Versagen lebenswichtiger Organe.
Für Reisende, Reiserückkehrer und die behandelnden Ärzte sei es daher wichtig, einen typischen Dengue-Verlauf bereits frühzeitig zu erkennen.
Nach einer kurzen Inkubationszeit von nur 4 bis 7 Tagen (in Einzelfällen bis zu 14 Tagen) beginnt die Erkrankung meist plötzlich mit hohem Fieber, starken Gliederschmerzen und Kopfschmerzen, die hinter den Augen lokalisiert sind.
Oft entwickeln die Betroffenen auch einen flächigen Hautausschlag, der leicht mit einem Sonnenbrand verwechselt werden kann.
„Meist hört das Fieber nach vier bis fünf Tagen von selbst wieder auf und verläuft keinesfalls chronisch“, sagt Jelinek.
Anhaltendes oder in Schüben verlaufendes Fieber spreche gegen eine Dengue-Diagnose, ebenso wie Krankheitssymptome, die erst mehr als zwei Wochen nach dem Urlaub auftreten.
Schwere Verläufe bei wiederholten Infektionen
Während die akute Dengue-Symptomatik bei den meisten Patientinnen und Patienten nach wenigen Tagen bis einer Woche wieder abklingt, entwickelt sich in rund einem Prozent der Fälle ein schweres Dengue-Fieber mit Schock, Gerinnungsstörungen, Blutungen und Multiorganversagen.
„Verursacht werden diese schweren, zum Teil lebensbedrohlichen Symptome durch ein sogenanntes Kapillarleck, bei dem die feinsten Blutgefäße durchlässig werden und Flüssigkeit aus dem Blut ins Gewebe austritt“, erläutert Jelinek.
Um den fünften Krankheitstag herum sollte daher verstärkt auf Warnsignale für einen schweren Verlauf geachtet werden.
„Dazu zählen unter anderem Bauchschmerzen, anhaltendes Erbrechen, Luftnot, Schleimhautblutungen, eine vergrößerte Leber, aber auch Verhaltensänderungen wie eine Lethargie oder Unruhe“, sagt der Experte und betont, dass schwere Verläufe meist erst bei der zweiten Dengue-Infektion auftreten. „Bei Erstinfektion sind sie sehr selten.“
Ohne Behandlung verläuft eine schwere Dengue für jeden fünften Betroffenen tödlich. Eine ursächliche, gegen die Viren gerichtete Therapie gibt es zwar nicht, durch eine konsequente Behandlung der Krankheitssymptome kann die Sterberate jedoch auf unter ein Prozent gesenkt werden.
Impfung und Prävention vor Mückenstichen
Seit einigen Jahren steht mit Dengvaxia ein erster Impfstoff gegen das Dengue-Fieber zur Verfügung. Dieser ist jedoch nur für Menschen zwischen 9 und 45 Jahren zugelassen, die in Endemiegebieten wohnen und bereits eine erste Dengue-Infektion hinter sich haben.
Seit diesem Jahr gibt es nun ein weiteren Impfstoff ohne diese Beschränkungen: Qdenga wurde von der Europäischen Arzneimittel Agentur EMA auch für Reisende ab vier Jahren zugelassen, sein Einsatz ist außerdem nicht an eine vorangehende Infektion gebunden.
Ob mit oder ohne Impfung: Auf einen effektiven Schutz vor den überwiegend tagaktiven Aedes-Mücken sollten Reisende auf keinen Fall verzichten.
Repellents sollten auch tagsüber auf Haut und Kleidung aufgetragen werden, auch Mückengitter vor dem Fenster und/oder Moskitonetze über dem Bett können helfen, Stiche zu vermeiden. Mit diesen Maßnahmen, so das CRM, schütze man sich nicht nur vor Dengue, sondern auch vor allen anderen mückenübertragenen Erkrankungen.
Quellen:
Jelinek T. CRM Handbuch Reisemedizin 2023, 59. ed, Thieme 2022
Niederfahrenhorst A et al. Wichtige Arbovirosen bei bei Tropenrückkehrern:
Dengue, Chikungunya, Zika, Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 755–766 | © 2022. Thieme.