Essenzielles Protein SMNDC1 mittels Inhibitors erstmals spezifisch regulierbar
Das Gen SMNDC1 kontrolliert wichtige Funktionen im menschlichen Körper, und steht in Zusammenhang mit Erkrankungen wie Diabetes oder auch Krebs.
Am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften konnten Wissenschaftler:innen der Forschungsgruppe von Stefan Kubicek das Protein erstmals genauestens im Zellkern lokalisieren und einen Inhibitor identifizieren, der die potenzielle Erschließung von SMNDC1 zu therapeutischen Zwecken möglich macht. Die Studie erschien in Nature Communications.
Das Protein SMNDC1 gilt als essenzielles Gen im menschlichen Körper. Es ist in nahezu jeder Zelle vorhanden.
Vorangegangene Studien der Forschungsgruppe von Principal Investigator Stefan Kubicek am CeMM hatten gezeigt, dass der Knock-down von SMNDC1 die Alpha-Zellen in den Langerhans’schen Inseln zur Insulinproduktion anregen kann und somit möglicherweise ein neues therapeutisches Ziel für die Behandlung von Diabetes darstellen könnte.
Um die Funktion von SMNDC1 besser zu verstehen, untersuchten die Wissenschaftler:innen der Kubicek-Gruppe nun, wo genau sich SMNDC1 in der Zelle befindet und mit welchen Molekülen es interagiert.
Bei SMNDC1 handelt es sich um einen sogenannten Splicing-Faktor.
Das Protein ist also in jenen Prozess involviert, bei dem RNA in die finale Messenger-RNA umgebaut wird, die wiederum die genetische Information, sozusagen den Bauplan, für den Aufbau eines bestimmten Proteins in einer Zelle überträgt. Somit beeinflusst SMNDC1 die Entstehung vieler weiterer Proteine.
Studienerstautor Lennart Enders, PhD Student in Kubiceks Labor, konnte SMNDC1 erstmalig genauer im Zellkern lokalisieren und erklärt: „Unsere Studie hat gezeigt, dass SMNDC1 konkret innerhalb von kleinen Kompartimenten im Zellkern sitzt, die aufgrund ihres gesprenkelten Aussehens „Nuclear speckles“ genannt werden. In diesen kleinen Tröpfchen, die sich durch Phasentrennung ohne Membran bilden, sammeln sich Proteine, deren Funktion ähnlich ist. SMNDC1 sammelt sich dabei mit anderen Proteinen, denen ebenso eine zentrale Rolle im Prozess des Splicings zugeschrieben wird“.
Neuer Inhibitor bindet spezifisch
Laut Studien wurde SMNDC1 bereits mit verschiedensten Erkrankungen wie Leberkrebs oder Diabetes in Verbindung gebracht. Enders und seine Kolleg:innen suchten daher nach einem Inhibitor, der spezifisch an SMNDC1 bindet und es beeinflusst, um einen neuen Zielpunkt für potenzielle Medikamente zu finden.
Durch ein groß angelegtes Screening mit rund 90.000 chemischen Substanzen, in Zusammenarbeit mit Marton Siklos, Chemiker in Kubiceks Labor, konnten zentrale Moleküle als Inhibitoren identifiziert und in weiterer Folge in ihrer Molekülstruktur verbessert werden, um eine bessere und spezifischere Bindung an SMNDC1 sicherzustellen.
Gemeinsam mit dem Sattler Labor (TU München) konnten die Wissenschaftler:innen dann in einer Kernspinresonanzstruktur zeigen, wie genau der entwickelte Inhibitor an die SMNDC1 Proteindomäne bindet.
Forschungsgruppenleiter Stefan Kubicek ergänzt: „SMNDC1 ist ein essenzielles Gen, dessen vollständiger Verlust die Existenzfähigkeit der meisten Zelltypen beeinträchtigt. Im Zusammenhang mit Diabetes und Krebserkrankungen sehen wir daher therapeutisches Potenzial, um neue Behandlungswege zu erschließen. Unsere vorangegangene Studie zeigt, dass SMNDC1 die Insulin-Transkription und die PDX1-mRNA-Stabilität in Alpha-Zellen unterdrückt. Außerdem verbessert der Verlust von SMNDC1 in menschlichen Pankreasinseln die Glukoseempfindlichkeit.“
Im nächsten Schritt suchen die Wissenschaftler:innen Partner, um das therapeutische Potenzial von SMNDC1 weiter zu untersuchen.
Nähere Informationen zum Small Molecule Program für die therapeutische Regulierung von SMNDC1 finden Sie unter https://cemm.at/fileadmin/img/Research/Tech_transfer/Small_Molecule_Program_Diabetes.pdf
Hintergrund-Informationen
Die Studie „Pharmacological perturbation of the phase-separating protein SMNDC1“ erscheint in Nature Communications am 16. August 2023, DOI: 10.1038/s41467-023-40124-0.
Autor:innen:
Lennart Enders, Marton Siklos, Jan Borggräfe, Stefan Gaussmann, Anna Koren, Monika Malik, Tatjana Tomek, Michael Schuster, Jiří Reiniš, Elisa Hahn, Andrea Rukavina, Andreas Reicher, Tamara Casteels, Christoph Bock, Georg E. Winter, J. Thomas Hannich, Michael Sattler, Stefan Kubicek
Förderung:
Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt - SFB 1309 - 325871075 (Michael Sattler). Die Forschung im Kubicek-Labor wird vom österreichischen Bundesministerium für Digitales und Wirtschaft und der Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung, dem Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) F4701 und dem Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union (ERC-CoG-772437) finanziell gefördert. Lennart Enders wurde durch ein DOC PhD Fellowship der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gefördert (25721).
Stefan Kubicek
ist seit August 2010 am CeMM tätig. Er erhielt einen Abschluss der Studienrichtung synthetische organische Chemie an der TU Wien nach Anfertigung einer Diplomarbeit an der ETH Zürich. Für seinen PhD-Abschluss im Labor von Thomas Jenuwein am IMP in Wien wechselte er zur Molekularbiologie. Anschließend forschte er als Postdoktorand auf dem Gebiet der chemischen Biologie bei Stuart Schreiber am Broad Institute of Harvard and MIT. Stefan
Kubicek leitet die chemische Screening-Plattform „Molecular Discovery Platform“ am CeMM und PLACEBO (Platform Austria for Chemical Biology), und war Leiter des Christian Doppler Labors für chemische Epigenetik und Antiinfektiva, ein Public Private Partnership zwischen CeMM, Boehringer Ingelheim und Haplogen.
Das Kubicek-Labor untersucht die Rolle von Chromatin in der Definition von Zelltypen und Zellzuständen, insbesondere Chromatin-modifizierende Enzyme als synthetische letale Targets bei Krebs und der Transdifferenzierung in insulinproduzierende Beta-Zellen. In einem durch den ERC geförderten Projekt befasst sich das Labor mit metabolischen Enzymen im Zellkern und prüft die Hypothese, dass Metaboliten die Chromatinstruktur beeinflussen und daher Genexpression und Zellidentität steuern.
Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter wissenschaftlicher Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen, sowie seltene Erkrankungen.Das Forschungsgebäude des Institutes befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien.
Wer gern mehr erfahren möchte, schaut bitte direkt unter www.cemm.at