Ein Schutz gegen Arteriosklerose

Herzinfarkt oder Schlaganfall werden getrieben durch den Prozess der Arteriosklerose, im Volksmund auch Arterienverkalkung genannt.

Zu diesem Phänomen kommt es, wenn Immun- und Entzündungszellen in Fettablagerungen in der Wand von Blutgefäßen einwandern. Dort baut sich eine schädliche Entzündungsreaktion auf, die sich verselbstständigt, chronisch wird und zu Verkalkungen und Engstellen führt und die Gefäße verstopft.

Mehr noch: Aus diesen „Plaques“ können sich Gerinnsel lösen, durchs Blut wandern und kleine Gefäße im Herzen oder im Gehirn blockieren. Dann drohen Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Ein Team um Prof. Dr. Sabine Steffens vom Institut für Prophylaxe und Epidemiologie der Kreislaufkrankheiten (IPEK) des LMU Klinikums untersucht die molekularen Vorgänge der Plaque-Bildung. Die Forschenden haben nun herausgefunden, dass ein GPR55 genanntes Molekül den gefährlichen Prozess bremsen könnte. Die Ergebnisse wurden im Wissenschaftsjournal „Nature Cardiovascular Research“ veröffentlicht.

Unser Körper ist ein haarfein abgestimmtes Geflecht von Milliarden Zellen, das Biolog:innen, Chemiker:innen und Mediziner:innen erst ansatzweise durchschauen. Die Forschenden interessiert unter anderem, wie die Zellen ihre täglich Abermillionen Botschaften austauschen und wie die Signalvermittlung funktioniert. Dabei gelten „G-Proteine“ und ihre Aktivatoren, die so genannten Rezeptoren in der Zellhülle, als eines der wichtigsten Kommunikationssysteme.

Das Team um Sabine Steffens hat nun einen dieser Rezeptoren, den sogenannten G‐protein coupled receptor 55 untersucht. „GPR55 sitzt auf der Oberfläche bestimmter Immunzellen, den B-Zellen“, sagt die Biologin. Im Zuge der Arteriosklerose nehmen B-Zellen grundsätzlich eine janusköpfige Rolle ein. Sie produzieren Antikörper, die den krankhaften Prozess einerseits fördern, ihn andererseits aber auch bremsen können.

GPR55 scheint eher schützend zu wirken. In aufwändigen Experimenten haben die Forschenden dies mit Mäusen nachgewiesen, deren B-Zellen den Rezeptor nicht mehr herstellen konnten. Zudem analysierten die Wissenschaftler:innen menschliche arteriosklerotische Plaques aus der Halsschlagader. Zum Einsatz kamen modernste bildgebende und molekularbiologische Verfahren.

“Diese Ergebnisse bestätigten einen kausalen Zusammenhang zwischen der GPR55-Signalübertragung von B-Zellen und der Arteriosklerose, was auf eine schützende Rolle mit potenzieller Bedeutung für die menschliche Pathophysiologie hindeutet“, sagt Steffens.

Ob und wie sich die neue Entdeckung therapeutisch nutzen ließe, ist noch nicht ganz klar. Womöglich aber ist GPR55 ein neuer Angriffspunkt für ein Medikament, das gegen den arteriosklerotischen Prozess schützen soll.

Quelle:
Mitteilung  des LMU Klinikums München vom 30. November 2022

Publikation
GPR55 in B cells limits atherosclerosis development and regulates plasma cell maturation

Raquel Guillamat-Prats, Daniel Hering, Abhishek Derle, Martina Rami, Carmen Härdtner, Donato Santovito, Petteri Rinne, Laura Bindila, Michael Hristov, Sabrina Pagano, Nicolas Vuilleumier, Sofie Schmid, Aleksandar Janjic, Wolfgang Enard, Christian Weber, Lars Maegdefessel, Alexander Faussner, Ingo Hilgendorf & Sabine Steffens
Nature Cardiovascular Research 2022