Müde, schlaff und antriebslos

Diagnose Fatigue-Syndrom

Jeder Mensch fühlt sich manchmal ausgelaugt oder schlapp.

Doch Betroffene, die unter dem sogenannten Fatigue-Syndrom leiden, sind nicht einfach nur ein bisschen müde.

Fatigue, aus dem Französischen für Müdigkeit oder Erschöpfung und auch abgekürzt häufig als ME/CFS für myalgische Enzephalomyelitis und chronic fatigue syndrome bezeichnet, ist eine Erkrankung, bei der Patienten dauerhaft unter starkem Leistungsabfall leiden.

„Da das Fatigue-Syndrom ein diffuses Krankheitsbild aufweist, haben Betroffene bis zur Diagnose häufig eine beschwerliche Ärzte-Odyssee hinter sich“, so Dr. Thorsten Riethmann, Facharzt für Neurochirurgie und Leiter des Instituts für Neuromodulation des zum Klinikverbund St. Antonius und St. Josef gehörenden Petrus-Krankenhaus Wuppertal.

Der Experte erklärt die Hintergründe der Erkrankung und berichtet davon, dass Strom Betroffenen Linderung verschaffen könnte.

Mehr als ein leerer Akku

Obwohl das Krankheitsbild bereits seit den 1980er-Jahren in Deutschland bekannt ist, stellt es sich für Mediziner als schwierig heraus, schnell die richtige Diagnose zu stellen.

Betroffene berichten von verschiedensten Beschwerden mit ganz unterschiedlichen Ausprägungen.

Daher ist auch nicht klar, wie viele Menschen genau an Fatigue leiden. Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland rund 300.000 Betroffene, die Dunkelziffer liegt aber vermutlich weitaus höher.

Meist erkranken Frauen im Alter von 30 bis 40 Jahren daran, aber auch ältere Menschen und selbst Kinder gehören zu den Patienten.

Es handelt sich um eine Krankheit, die eine Person plötzlich aus dem Leben reißen kann, da sie sich nicht mehr oder nur noch eingeschränkt dazu in der Lage fühlt, am Leben teilzunehmen. Schätzungen zufolge sind etwa ein Viertel der Patienten ans Haus oder Bett gebunden.

Bei Betroffenen können bereits kleinste Tätigkeiten, wie ein Spaziergang oder ein Telefonat, zu großen Erschöpfungszuständen führen, die in vielen Fällen auch erst am nächsten Tag auftreten.

Selbst ausreichend Schlaf und Erholung bringen ihnen keine Besserung. Kreislaufprobleme, fehlende Konzentration oder ein schlechtes Gedächtnis gehören ebenso zu den möglichen Symptomen wie Verdauungsbeschwerden, Gefühlsstörungen oder ein geschwächtes Immunsystem.

„Viele Fatigue-Patienten berichten auch von Kopf- und Gliederschmerzen oder dem Gefühl, als hätten sie eine Erkältung im Kopf“, so Dr. Riethmann.

Obwohl Menschen mit ME/CFS sehr müde sind, leiden sie häufig unter Schlafstörungen, haben Probleme ein- oder durchzuschlafen oder fühlen sich im Gegensatz dazu trotz viel Schlaf sehr müde.

Diffuses Krankheitsbild erschwert Diagnose

Aufgrund des breiten Krankheitsbildes kann es zunächst zu Verwechslungen mit Depressionen oder auch Schilddrüsenunterfunktion kommen. Wenn Entzündungswerte keinen Hinweis auf eine Schilddrüsenerkrankung geben, gilt es den Antrieb des Patienten zu hinterfragen.

Depressiven Menschen fehlt dieser häufig, sie fühlen sich freudlos und niedergeschlagen.

Viele Fatigue-Erkrankte haben diese innere Schwere nicht, werden aber von ihrem Körper daran gehindert, aktiv am sozialen Leben teilzunehmen. Betroffene berichten darüber, dass erste Symptome bei ihnen nach einem Infekt auftraten.

Dazu zählen Epstein-Barr-Viren, die Pfeiffersches Drüsenfieber hervorrufen, aber auch Borrelien, Chlamydien oder andere Herpesviren.

Auch psychische Ursachen kommen als Auslöser für das Fatigue-Syndrom in Betracht, genauso Krankheiten wie Multiple Sklerose, Krebs oder Rheuma. Darüber hinaus scheint es auch zu den Spätfolgen einer COVID-19-Erkrankung gehören zu können.

Neurostimulation als möglicher Therapieansatz

Da die Ursachen für diese Erkrankung noch recht unbekannt sind und auch kaum Möglichkeiten bestehen, die Krankheit anhand diagnostischer Marker nachzuweisen, versuchen Mediziner häufig zumindest die Beschwerden der Betroffenen zu lindern.

„Je nach Erkrankung gibt es verschiedene Therapieansätze für Fatigue. Leichter Sport, psychologische Unterstützung, aber auch eine medikamentöse Behandlung sind etwaige Ansätze“, berichtet Dr. Riethmann, „bringen diese jedoch keine spürbare Verbesserung, bietet Neuromodulation möglicherweise eine Option für die Betroffenen.“

Dieses Verfahren wird bereits häufig bei chronischen Schmerzen im Rückenbereich eingesetzt, aber auch zur Migränetherapie.

Hierfür implantieren Mediziner Betroffenen einen kleinen Neurostimulator, der elektrische Impulse erzeugt und über dünne Kabel mit ein oder zwei Elektroden verbunden ist, welche diese Impulse an die Occiptalnerven abgeben. Über ein Programmiergerät steuert der Patient selbst die Intensität der Impulse.

„Aktuell führen wir am Institut für Neurostimulation am Wuppertaler Petrus Krankenhaus eine Studie mit rund 10 bis 15 Patienten durch, die bereits gute bis sehr gute Ergebnisse bei den Teilnehmern zeigt“, so Dr. Riethmann abschließend.

Weitere Informationen unter www.petrus-krankenhaus-wuppertal.de