Macht das Drehen an der Uhr zweimal im Jahr Sinn?

Prof. Daniel Aeschbach, Experte für Schlaf-Wach-Rhythmus, zur Zeitumstellung am 25. Oktober

In der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober ist es wieder soweit: Die Uhren werden von Sommer- auf Normalzeit umgestellt.

Die Zeitumstellung ist umstritten.

Kritiker befürchten Schlafstörungen, Konzentrations- und Leistungseinbußen als Folge. Das Europäische Parlament fasste 2018 zwar das Ende der Zeitumstellung für 2021 ins Auge, doch abschließend geregelt ist deren Abschaffung noch nicht.

Für den Schlaf-Wach-Rhythmus-Experten Prof. Dr. Daniel Aeschbach machen die Zeitumstellungen im Sommer und Winter aus chronobiologischer Sicht keinen Sinn.

Der Leiter der Abteilung für Schlaf und Humanfaktoren am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin im Deutschen Zentrum für Luft- Und Raumfahrt (DLR) hat jetzt zusätzlich die neue Bonner Professur für Schlafphysiologie und Chronobiologie inne – eine gemeinsame Berufung der Medizinischen Fakultät Bonn und dem DLR.

Sein wissenschaftlicher Fokus liegt besonders auf der Schlaf-Wach-Regulation des Menschen und deren Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit und Gesundheit. Auf dieser Basis äußert sich Prof. Aeschbach zur Zeitumstellung:

Welche Auswirkung hat die Zeitumstellung von einer Stunde auf den Schlaf-Wach-Rhythmus?

Es kann sein, dass wir uns für einige Zeit nach der Herbst-Zeitumstellung etwas früher am Abend schläfrig fühlen und dafür etwas besser am Morgen aus dem Bett kommen. Unsere innere Uhr passt sich aber recht rasch an die neuen Verhältnisse an, indem sie in einer Übergangsphase etwas langsamer tickt. Dies geschieht über die Wirkung von Licht, das auf unser Auge trifft und die innere Uhr im Zwischenhirn nach dem neuen Zyklus von Hell und Dunkel ausrichtet.

Neben der Schlafbereitschaft steuert die innere Uhr eine Vielzahl von zirkadianen Rhythmen in unseren Körperfunktionen. Dazu gehören zum Beispiel die Körpertemperatur und die Ausschüttung vieler Hormone, insbesondere von Melatonin, welches seinerseits den Schlaf fördert.

Die meisten Menschen haben mehr Beschwerden mit der Zeitumstellung im Frühjahr. Dann ist die innere Uhr gezwungen, etwas schneller zu gehen. Dies fällt schwerer und so dauert es länger – allenfalls auch mehrere Wochen – bis eine Anpassung an den neuen Hell-Dunkel-Zyklus erfolgt ist. Bis das geschehen ist, sind unsere sozialen Zeitgeber und unsere Schlafenzeit nicht synchron mit den Signalen unserer inneren Uhr:

Der Wecker klingelt, während unsere innere Uhr uns noch für Schlaf programmiert hat. Das kann sich schon ein bisschen wie Jetlag anfühlen.

Kann man den Schlaf-Wach-Rhythmus austricksen?

Leider nein. Man kann allerdings durch gezielte Lichtexposition – auch mit künstlichem Licht – die innere Uhr beeinflussen und damit die zirkadianen Rhythmen zeitlich verschieben. Damit ist eine schnellere Anpassung an einen neuen Hell-Dunkel-Zyklus möglich. Erfolg hatte man damit schon bei der Behandlung von Jetlag und gewisser zirkadianer Rhythmusstörungen. Bei der Zeitumstellung sehe ich da weniger eine generelle Anwendung.

Warum steckt nicht jeder die Zeitumstellung einfach so weg?

Das ist nur zum Teil verstanden. Was wir wissen ist, dass nicht jede innere Uhr gleich geht.

Dafür gibt es auch genetische Ursachen.

Ohne den korrigierenden Einfluss des Lichts in unserer Umgebung tickt die Uhr bei Menschen, die eindeutig Frühtypen sind, etwas schneller und bei Spättypen etwas langsamer.

Bei der Zeitumstellung im Herbst werden es eher Frühtypen sein, die Schwierigkeiten haben bei der Anpassung an die Zeitumstellung. In Extremfällen könnte hier die gezielte Nutzung von Licht in den Abendstunden zu einer schnelleren Anpassung führen.

Bei Abschaffung der Zeitumstellung, welche Zeit sollte dann die permanente sein, die Sommerzeit oder Normalzeit?

Ich würde die Normalzeit beibehalten. Sommerzeit im Winter macht wenig Sinn, insbesondere für Menschen, die am Westrand einer Zeitzone leben, und für die die Sonne damit sehr spät am Morgen aufgehen würde.

Für viele dieser Menschen könnte dann eine optimale Synchronisierung zwischen Schlafens- und Wachzeiten und innerer Uhr schwieriger sein.

Quelle:
Mitteilung  des Universitätsklinikums Bonn vom 21. Oktober 2020