Wie reagiert das Darm-Mikrobiom auf eine gesteigerte Eisenzufuhr?
... fragile Bakteriengemeinschaft im Darm
Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen leiden sehr häufig unter Eisenmangel, dessen Therapie ist aber häufig mit Nebenwirkungen verbunden.
Eine internationale und interdisziplinäre Wissenschaftlergruppe unter Federführung des ZIEL – Institute for Food & Health der TU München hat untersucht, wie sich das Mikrobiom – die Bakteriengemeinschaft im Darm – auf orale oder intravenöse Eisengaben verhält. Beides führt zu einem besseren Eisengehalt und verändert die Bakteriengemeinschaft im Darm – die Veränderungen variieren aber je nach Therapieform.
„Die Eisenzufuhr hatte sowohl oral als auch intravenös einen sehr deutlichen Einfluss auf das Mikrobiom des Darms“, sagt Professor Dirk Haller von der Technischen Universität München (TUM). Diese Beobachtung sei insofern bemerkenswert, weil die intravenöse Gabe den Eisengehalt im Darm wiederum nicht beeinflusste.
Erste Humanstudie zur Darmflora unter Eisengabe
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind die beiden häufigsten Formen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen und nicht heilbar. „Der Charakter dieser Krankheiten ist wesentlich komplexer als bei Infektionen. Wir wissen nicht, welche Bakterien in welcher Gemeinschaft beteiligt sind“, erklärt Professor Haller. Die Studie habe bestätigt, wie sensibel das Mikrobiom des Darms auf eine Eisenzufuhr reagiert – besonders bei Patienten Morbus Crohn.
Das Ergebnis der Humanstudie des ZIEL wurde in der Februar-Ausgabe der Fachzeitschrift „Gut“ der Britischen Gesellschaft für Gastroenterologie veröffentlicht. An der dreimonatigen Studie unter Leitung von Professor Haller waren Wissenschaftler rund um Professor Philippe Schmitt-Kopplin vom Helmholtz Zentrum München und Professor Richard Fedorak von der kanadischen Universität Alberta (Kanada) beteiligt. Bisher war nur bei Versuchen mit Mäusen eine deutliche Veränderung der Darmflora durch eine Eisenersatz-Therapie nachgewiesen worden. Eine Humanstudie fehlte bisher.
Intravenöse Eisengabe für Patienten mit Morbus Crohn
Die 72 Probandinnen und Probanden der Studie waren an einem kanadischen Krankenhaus ausgewählt worden: 31 von ihnen sind Morbus Crohn-Patienten, 32 leiden an Colitis ulcerosa und 19 aus anderen Gründen an Anämie, der so genannten Blutarmut. Die eine Hälfte der Teilnehmer wurde oral mit Eisensulfat behandelt, die andere Hälfte erhielt Eisen intravenös. Vor und nach der Therapie wurden Stuhlproben genommen und die Bakteriengemeinschaften sowie Stoffwechselprodukte gemessen.
Die kurzzeitige Eisenbehandlung führte in dem kurzen Behandlungszeitraum zu keiner Verschlimmerung der Darmerkrankung. "Trotzdem kann der Schluss gezogen werden, dass vor allem Morbus Crohn Patienten mit einer instabilen Darmflora von der intravenösen Eisensupplementierung profitieren", sagt Prof. Haller vom Lehrstuhl für Ernährung und Immunologie der TU München – "weil bei der intravenösen Gabe in der Regel auftretende Nebenwirkungen offenbar ausgeschlossen werden können."
Beispielhafte Kooperation zwischen ZIEL und Helmholtz Zentrum
Für den ZIEL-Geschäftsführer Haller ist die Studie ein beispielhaftes Kooperationsprojekt, um Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung auf die humane Forschung zu übertragen: Im ZIEL waren im vergangenen Jahr die Vorraussetzungen geschaffen worden, um das Thema Mikrobiom und Gesundheit auf hohem Niveau bearbeiten zu können. Damit sollen Ressourcen gebündelt und internationale sowie interdisziplinäre Forschungsvorhaben intensiviert werden. „Bei dieser Studie haben wir mit unserer Kernexpertise auf dem Gebiet des Mikrobioms viele Ressourcen vereint“, sagt Haller – „und Möglichkeiten für die Forschung genutzt, die wir nun weiterführen werden.“
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Publikation:
Thomas Lee, Thomas Clavel, Kirill Smirnov, Annemarie Schmidt, Ilias Lagkouvardos, Alesia Walker, Marianna Lucio, Bernhard Michalke, Philippe Schmitt-Kopplin, Richard Fedorak und Dirk Haller: Oral versus intravenous iron replacement therapy distinctly alters the gut microbiota and metabolome in patients with IBD, 4.2.2016. doi:10.1136/gutjnl-2015-309940