ENTSCHLEUNIGUNG – 7 Tage für mehr Lebensqualität und weniger Stress

... eine aktuelle Studie der LMU München zum Thema Stress-Präventionsprogramm mit belegter Langzeitwirkung.

Alltagsstress, zunehmender Druck in vielen Berufssparten und ständige Erreichbarkeit haben ihren Preis: 70% der Erwerbstätigen fühlen sich gestresst, 33% erschöpft und ausgelaugt.(1) Eine demnächst veröffentlichte Studie (2,3) des Lehrstuhls für Public Health und Versorgungsforschung (IBE) der Ludwig-Maximilians-Universität München zeigt nun erstmals, dass eine gezielte Auszeit von 7 Tagen noch nach 6 Monaten ihre Wirkung zeigt und die chronische Stressbelastung signifikant reduziert.

Entwickelt wurde das deutschlandweit erste wissenschaftlich evaluierte Entschleunigungsprogramm im bayerischen Kurort Bad Reichenhall. „Das bedeutet für viele eine reelle Chance, rechtzeitig dem Stress zu begegnen und ist auch ein Impuls für Betriebe und unser Gesundheitssystem“, so Prof. Dr. Dr. Schuh, Studienleiterin am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung (IBE).

Viele leere Versprechen in der Gesundheitsvorsorge? Experten fordern belegten Nutzen.
„Während die Menschen bei Medikamenten und Therapien mittlerweile oft sehr kritisch sind, reicht das Wort ´Vorsorge´ meist schon aus, um das Gefühl  zu geben, etwas Gutes für sich selbst zu tun“, so Prof. Schuh. Angebote zur Burnoutprävention und Stressreduktion liegen im Trend, ihr tatsächlicher Nutzen ist meist jedoch nicht durch Studien belegt.

Doch das soll sich in Zukunft ändern.
Unter dem Begriff „evidenzbasierte Prävention“ werden Gesundheitsangebote zunehmend auch in Deutschland evaluiert. Arbeitsmediziner, Krankenkassen und Betriebe fordern Präventionsprogramme ein, die nachhaltige Effekte durch Studien belegen können. Wirkungsvolle Vorsorgeprogramme sind ein wichtiger Bestandteil eines funktionierenden Gesundheitssystems der kommenden Jahrzehnte.

Durchatemzeit: Präventionsprogramm zeigt Effekte für ein halbes Jahr
Die Evaluation des entwickelten Stress-Präventionsprogramms wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege als Modellprojekt unterstützt. Die dreiarmige randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie untersuchte 96 Erwachsene mit erhöhter chronischer Stressbelastung.

Die Teilnehmer der Interventionsgruppe (A) hielten sich 7 Tage in Bad Reichenhall auf und durchliefen das Präventionsprogramm. Teilnehmer der Kontrollgruppe B hielten sich zeitgleich am selben Kurort auf, hatten jedoch die Zeit zur freien Verfügung und nahmen an keinem Programm teil. Kontrollgruppe C blieb zuhause in gewohnter Umgebung.  

Gemessen wurden das subjektive Belastungs- und Stresserleben, chronischer Stress wie auch das persönliche Wohlbefinden erfasst anhand mehrerer standardisierter internationaler Fragebögen (Trierer Inventar zum chronischen Stress - TICS4, Perceived Stress Questionnaire - PSQ5, WHO-5 Wellbeing Index6, zudem wurde der morgendliche Cortisolspiegel im Speichel zweimalig gemessen).

Im Vergleich zu den Daheimgebliebenen wiesen die Teilnehmer des Präventionsprogramms nach 1 bzw. 6-Monaten  ein signifikant geringeres Ausmaß an Stresserleben auf (s. Grafik). „Unser moderner Lebensstil kann nur bewältigt werden, wenn wir uns dazwischen gezielte Zeit zur Regeneration nehmen“, ist Prof. Dr. Dr. Angela Schuh überzeugt.

... einfach mal durchatmen ...
Mehr als Urlaub! Gezielte Präventionswoche deutlich nachhaltiger
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Gemessen am Perceived Stress Questionnaire (PSQ) wie auch am WHO-5 Wellbeing Index (WHO-5) hat auch Urlaub in den Bergen per se einen entschleunigenden Effekt, allerdings nur kurzfristig.

„Dass Urlaub in der Natur gut tut, spürt jeder am eigenen Leib. In der Studie konnten wir jedoch beobachten, dass ein gezielt entwickeltes Programm dafür sorgt, dass die Wirkung noch weit länger – nämlich auch noch 6 Monate danach – aufrecht bleibt, während sie bei normalem Urlaub schon bald wieder kontinuierlich abnimmt“, so Prof. Schuh.

Das in der Studie evaluierte Programm unter dem Titel „Durchatemzeit“ ist die erste Entschleunigungswoche Deutschlands für die eine Langzeitwirkung wissenschaftlich belegt werden konnte.

Wie muss Auszeit sein, damit sie wirkt? Naturerlebnis & multidisziplinärer Ansatz
„Es gibt aus vielen Einzelbereichen Erkenntnisse darüber, was sich auf die Entwicklung des Stressniveaus positiv auswirkt. In diesem Programm wurde versucht, diese Erkenntnisse auf multidisziplinärer Basis sinnvoll zu kombinieren“, erklärt Prof. Schuh.

Kombiniert wurden chronobiologische Erkenntnisse, Entspannungstechniken und Bewegungseinheiten, ritualisierte Ruhephasen, Reflexion, Kältereize und Wärmerituale sowie strukturierte Gesundheitscoachings.

Auch AlpenSole, das regionale Heilmittel vor Ort, wurde mit einbezogen. “Die Anforderungen unserer modernen Lebens- und Arbeitswelt bringen einen großen Teil der Menschen an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit. Wir brauchen neue Strategien und Wege, die uns dabei helfen, langfristig gesund, leistungsfähig und glücklich sein zu können – im Beruf wie auch privat“, erklärt Mag. Gabriella Squarra, Gesundheitspädagogin und Kurdirektorin in Bad Reichenhall.

Wird das Konzept auch außerhalb dieser Pilotstudie angeboten?
„Ja, das Programm wird nach diesem Ergebnis nun auch außerhalb der Studie angeboten. Für Privatpersonen ebenso wie in gezielter Zusammenarbeit mit Betrieben, die ihre Mitarbeiter bei einem langfristigen Stressmanagement unterstützen möchten“, so Mag. Squarra. „Dabei wird mittels Fragebogen vorab selektiert, für welche Mitarbeiter die Teilnahme wirklich sinnvoll ist“.

Chronische Stressbelastung im Alltag senken – eine einzige Woche zählt!
„Dieses Ergebnis zeigt, dass es wirklich möglich ist, in nur einer Woche Wohlbefinden und chronische Stressbelastung für ein halbes Jahr positiv zu beeinflussen. Solche Ergebnisse können für Betriebe ebenso wie für Krankenkassen eine wichtige Entscheidungsgrundlage sein“, so Prof. Angela Schuh.

Wer gern erfahren möchte, schaut bitte direkt unter Bayerisches Staatsbad Bad Reichenhall/Bayerisch Gmain www.bad-reichenhall.de


Quellen:
1.  TK (2009) Stress – Aktuelle Bevölkerungsbefragung: Ausmaß, Ursachen und Auswirkungen von Stress in Deutschland. In: F.A.Z.-Institut für Management-, Markt und Medieninformationen GmbH & Techniker Krankenkasse, Techniker Krankenkasse, Pressestelle, Hamburg. http://www.tk-online.de

2. Squarra A., Kus S., Immich G., Lödermann S., Schuh A. „DurchatemZeit“ – Entwicklung, Durchführung und Evaluierung eines 7-tägigen Präventionsprogrammes zur Entschleunigung, durchgeführt am Kurort Bad Reichenhall. Das Gesundheitswesen 77(08/09), September 2015;

3. Schuh A., Stier-Jarmer M., Frisch D., Kus S. Wissenschaftlich fundierte Kurortmedizin heute: Entwicklung und Evaluation multimodaler Präventionsprogramme in den bayerischen Kurorten. Das Gesundheitswesen 77(08/09), September 2015;

4. Schulz P, Schlotz W. Das Trier Inventar zur Erfassung von chronischem Stress (TICS): Skalenkonstruktion, teststatistische Überprüfung und Validierung der Skala Arbeitsüberlastung. Diagnostica. 1999;45:8-19.

5. Levenstein S, Prantera C, Varvo V, et al. Development of the Perceived Stress Questionnaire: a new tool for psychosomatic research. Journal of Psychosomatic Research. 1993;37(1):19-32.

6. Bech P, Olsen LR, Kjoller M, Rasmussen NK. Measuring well-being rather than the absence of distress symptoms: a comparison of the SF-36 Mental Health subscale and the WHO-Five well-being scale. International Journal of Methods in Psychiatric Research. 2003;12(2):85-91.