Abgesagte Veranstaltungen: Zwangsgutscheine sind kein Luxusproblem
Der Deutsche Bundestag beriet am 13. Mai abschließend das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht.
Gutscheine würden kleine, aber auch mittlere Einkommen treffen; in einigen Familien geht es jeden Monat um dreistellige Summen. Die Härtefallregelung ist nicht praktikabel.
Der vzbv fordert, das Gesetzesvorhaben zu stoppen und Veranstalter auf anderem Wege zu retten.
Am kommenden Mittwoch berät der Deutsche Bundestag abschließend darüber, ob die Erstattung von beispielsweise Konzerttickets, Fußballdauerkarten oder Fitnessstudiomitgliedschaften ausgesetzt werden können. Verbraucher sollen stattdessen Gutscheine annehmen müssen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert, das Gesetzesvorhaben zu stoppen und Veranstalter auf anderem Wege zu retten. Es gehe nicht nur um kleine Beträge, sondern teilweise hohe monatliche Summen, die kleine und mittlere Einkommen zusätzlich belasten würden.
„Es geht nicht nur um ein oder zwei Gutscheine für abgesagte Veranstaltungen über 30 oder 60 Euro. Angesichts des überaus weiten Anwendungsbereiches des geplanten Gesetzes können sich die Summen, über die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht mehr verfügen können, auf mehrere hundert Euro pro Monat belaufen“, sagt Klaus Müller, Vorstand des vzbv.
Gutscheinlösung schadet kleinen und mittleren Einkommen
So fehlten beispielsweise einer vierköpfigen Durchschnittsfamilie schnell 500 Euro, da vom Gesetzentwurf das Fitnessstudio der Eltern, der Musikunterricht und Vereinssport der Kinder, die Dauerkarte für das Stadion, das Theaterabonnement und der Nachhilfeunterricht erfasst seien.
Zwar seien diese Zwangsgutscheine oft nicht existenzbedrohend.
„Viele Familien müssen sich wegen Kurzarbeit stark einschränken, einigen droht der Jobverlust oder sie sind bereits von Arbeitslosigkeit betroffen. In diesen Familien kann der Lebensstandard rapide sinken. Da sind 500 Euro im Monat, die nicht zur Verfügung stehen, viel Geld“, so Müller weiter.
Noch schwerer hätte es beispielsweise die alleinerziehende Krankenschwester, die mühsam das Geld für den Verein oder Theaterunterricht ihrer Kinder aufbringt und in der Krise jeden Euro braucht.
„Zwangsgutscheine würden das Rechts- und Gerechtigkeitsempfinden in vielen Familien erheblich stören, gerade auch im Hinblick auf die aktuell angespannte Betreuungssituation. Denn schon jetzt können sie ihren Alltag nur mit hoher Kraftanstrengung meistern.“
Härtefallregelung nicht praktikabel
Die vorgeschlagene Härtefallregelung ist aus Sicht des vzbv nicht praktikabel und würde wegen zahlreicher Verfahren Gerichte zusätzlich belasten. Der vzbv hatte vorgeschlagen, sich am portugiesischen Vorbild zu orientieren und unter anderem Gruppen wie Kurzarbeiter oder Arbeitslose über eine Härtefallregelung automatisch zu schützen.
Der vzbv plädiert außerdem für eine Insolvenzsicherung, um der weiteren konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen.
Gutscheine häufen sich – Verträge werden gekündigt
Der vzbv geht davon aus, dass das Gesetz auch negative Folgen für Unternehmen nach sich ziehen könnte. Wenn sich Gutscheine anhäufen, würden viele Verbraucher nicht tatenlos einer Vertragsverlängerung zusehen.
„Viele Betroffene werden sich überlegen, ob sie nicht den einen oder anderen Vertrag oder Vereinsmitgliedschaft demnächst kündigen sollten“, so Müller. Das könne nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.
Bundesländer können Gesetz noch stoppen
Sollte der Deutsche Bundestag das Gesetz am Mittwoch verabschieden, sind die Bundesländer am Zuge. „Der vzbv fordert den Bundesrat dazu auf, im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher in ihrem jeweiligen Bundesland zu handeln und dem Gesetz nicht zuzustimmen“, so Müller.
Aufruf: Erfahrungen in der Corona-Krise melden
Um Betrug, Abzocke und Missbrauch von Verbraucherinnen und Verbrauchern in der Corona-Krise weiter zu verfolgen, benötigen die Verbraucherschützer die Hinweise und Beschwerden von Betroffenen. Diese können ihre Erfahrungen direkt online unter https://marktwaechter.de/corona melden.