Was bedeutet TTIP für Umwelt und Ernährung?
... und wer kann die Frage beantworten?
Die geplante Transatlantic Trade and Investement Partnership, also das Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU, nimmt seit einem Jahr einen großen Raum in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion beiderseits des Atlantiks ein.
Verstörend wirkt dabei die nur gegen hartnäckigen Widerstand durchzusetzende Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Ausgestaltung der größten Freihandelszone der Welt. 50.000 hatten sich zuletzt in Berlin unter dem Motto "Wir haben es satt!" versammelt.
Obwohl das Abkommen unweigerlich alle Verbraucher/-innen direkt betreffen wird, bestimmten von Beginn an Wirtschaftsexperten und Industrielobbyisten die Geheimverhandlungen. Diese werden nicht müde zu versichern, dass keinerlei Standards aufgeweicht würden, sondern im Gegenteil, TTIP die Chance sei, internationale Standards zu setzen. Eine pauschale Antwort, die jedoch kaum für alle Bereiche Gültigkeit besitzen kann.
Was bedeutet TTIP für Umwelt und Ernährung?
Das Problem, mit konkreten Beispielen hierauf zu antworten, liegt an einem generellen Mangel an Informationen. Nur wenige konkrete Fälle, wie die Aufweichung von Verbraucherstandards im Bereich der Gentechnik-Kennzeichnung, die das ZDF-Magazin frontal21 aufgedeckt hatte, sind überhaupt bekannt.
Und nur wenige haben Einblick in die Verhandlungsdokumente – selbst Bundeswirtschaftsminister Gabriel kennt sie nicht vollständig. Dieser hatte Mitte 2014 immerhin beschlossen einen sogenannten TTIP-Beirat zu berufen, der es ermögliche „(…) die Argumente aller gesellschaftlichen Gruppen besser zu berücksichtigen, wenn die Bundesregierung ihre Positionen zu TTIP in die Verhandlungen einbringt."
Heute stellte eine Gruppe dieses Beratergremiums, darunter Prof. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), eine gemeinsame Erklärung vor: „Für eine Handelspolitik im Interesse der Menschen und der Umwelt“.
An fünf Punkten, die zu einem Abkommen „(…) auf Kosten von Demokratie und Rechtsstaat, Umwelt-, Arbeits und Sozialstandards, Subsidiarität und kultureller Vielfalt“ führen könnten, machen sie ihre Kritik deutlich. Neben drei, in erster Linie aus rechtsstaatlichen Aspekten (Investorschutz und -Staats-Schiedsverfahren, ISDS/ Regulatorische Kooperation/ Allgemeine Dienstleistungsliberalisierung) problematischen Bereichen, hängen insbesondere zwei Kritikpunkte unmittelbar mit den Themen Umwelt und Ernährung zusammen:
Anerkennung von Standards und Vorsorgeprinzip
Eine große Sorge, die die Beiratsgruppe nach Einsicht der Dokumente umtreibt, sind die Angleichung von Standards bzw. das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung. In der Europäischen Union gilt das Vorsorgeprinzip, das im Zweifel die Unbedenklichkeit eines Produkts oder Verfahrens zugunsten der Sicherheit von Umwelt, Lebensmittel und Gesundheit absichert.
„Das Vorsorgeprinzip ist entscheidende Grundlage für eine nachhaltige Umwelt-, Gesundheits-, Verbraucherschutz und Landwirtschaftspolitik und darf nicht durch scheinbare Angleichungen ausgehebelt werden“, erläutert Elke Röder, Geschäftsführerin des Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e.V.
Kimaschutz und Energiepolitik
Um einen dringend notwendigen, aktiven Klimaschutzes effektiv gestalten zu können, braucht es eine drastische Reduzierung der Nutzung fossiler Rohstoffe und eine gleichzeitige Konzentration auf erneuerbare Energien. Die bisher bekannten Planungen setzten hierfür jedoch die falschen Akzente, so die Beiratsgruppe.
Dabei stünde eine Generalgenehmigung für Öl- und Gas-Exporte in die EU - ein Vorschub für das umweltschädliche Fracking in den USA - der europäischen Gegenleistung einer immer restriktiveren Handhabung bei der Förderung erneuerbarer Energien gegenüber.
Und wer kann die Frage beantworten?
Was TTIP für Umwelt- oder Ernährungsthemen bedeutet, ist mangels Informationen zunächst also nur in wenigen Fällen konkret inhaltlich zu benennen. Vorerst, so scheint es, sollten grundlegend strukturelle Fragen geklärt werden, so zum Beispiel die nach der öffentlichen Zugänglichkeit der Verhandlungsdokumente und wer in welchem Maß Einfluss haben sollte.
Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert, „(…) allen relevanten Ressorts (…) eine angemessene Verhandlungszuständigkeit (…) einzuräumen“. Auf diese Weise könnten auch die Experten der Umwelt- und Lebensmittelverbände konkretere Antworten auf die entstehenden Sorgen geben.
Von TTIP wären über 800.000 Millionen Menschen direkt betroffen.
Dass bei solchen globalen Entscheidungen Wirtschaftsexperten gut beraten wären, die Interessen und Expertisen der gesellschaftlich Betroffenen einzubeziehen, fasste kürzlich taz-Wirtschaftskorrespondentin Ulrike Herrmann prägnant in Worte: „Man stelle sich vor die Handelspolitik würde von Umweltschützern gemacht. Die Globalisierung sähe anders aus.“
Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e.V.
vertritt die Naturkostbranche auf politischer und wirtschaftlicher Ebene. Im Verband sind ca. 250 Hersteller, Groß- und Einzelhändler organisiert. Der BNN ist an der Gestaltung internationaler und nationaler Gesetzesvorhaben beteiligt, verabschiedet besondere Qualitätsrichtlinien für den Naturkostfachhandel und ergänzt mit dem BNN-Monitoring die etablierten Prozesskontrollen in der ökologischen Lebensmittelwirtschaft.
Der Naturkost-Fachhandel erzielte 2013 in Deutschland einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro mit Bio-Lebensmitteln und Naturkosmetik.
Wer gern mehr erfahren möchte, schaut bitte direkt beim Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e.V. unter www.n-bnn.de