Zur Bezugsberechtigung bei Kündigung des Lebensversicherungsvertrages

Die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages durch den/die Versicherungsnehmer:in enthält nicht stets zugleich den Widerruf der Bezugsberechtigung auf den Todesfall.

Die Frage ist durch Auslegung der Willenserklärung im Einzelfall zu entscheiden.

Der Entscheidung des BGH liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die klagende Versicherungsgesellschaft nimmt die Tochter ihrer Versicherungsnehmerin auf Rückzahlung des Rückkaufswerts einer Rentenversicherung in Anspruch.

Die Beklagte ist aufgrund gesetzlicher Erbfolge Alleinerbin nach ihrer Mutter, der Versicherungsnehmerin der Klägerin.

Die Versicherungsnehmerin unterhielt bei der Klägerin eine Rentenversicherung gegen Einmalzahlung von 20.000 Euro mit Versicherungs- und Rentenbeginn am 1. Juni 2012.

Ab dem 1. September 2012 erhielt sie eine vierteljährliche Rente in Höhe von 181,84 Euro.

Im Versicherungsantrag vom 9. Mai 2012 bestimmte die Versicherungsnehmerin ihren Lebensgefährten als widerruflich Bezugsberechtigten im Todesfall.

Am 18. Februar 2019 erklärt die Versicherungsnehmerin gegenüber der Klägerin zum 1. April 2019 die Kündigung.

Daraufhin kehrt die Klägerin schon am 26. März 2019 einen Betrag in Höhe von 16.044,37 Euro an die Versicherungsnehmerin aus.

Der Betrag wird ihrem Konto am 27. März gutgeschrieben.

Einen Tag später, am 28. März 2019, verstirbt sie und wird von der Beklagten beerbt.

Mit Schreiben vom 13. September 2019 zeigt die Beklagte der Klägerin, die vom Tod der Versicherungsnehmerin zuvor keine Kenntnis hatte, das Versterben der Versicherungsnehmerin an und teilt mit, dass sämtliche zu Gunsten des Lebensgefährten bestehenden Vollmachten widerrufen worden seien.

Zugleich widerruft sie etwaige zu dessen Gunsten bestehende Bezugsrechte.

Am 1. Oktober 2020 erklärt die Klägerin, dass ein Widerruf des Bezugsrechts wegen des Eintritts des Versicherungsfalls nicht mehr möglich sei.

Außerdem fordert sie die Beklagte auf, den erhaltenen Betrag zurückzuzahlen.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Kündigung des Versicherungsvertrages könne kein Widerruf des Bezugsrechts entnommen werden.

Die Kündigung sei erst zum 1. April 2019 wirksam geworden,  so dass zum Zeitpunkt des Todes der Versicherungsnehmerin der Vertrag noch bestanden habe.

Mit Eintritt des Versicherungsfalls habe der Lebensgefährte den Anspruch auf die Todesfallleistung erworben.

Die Zahlung an die beklagte Tochter sei daher ohne Rechtsgrund erfolgt. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung dieses Betrages.

Das Landgericht gibt der Klage in erster Instanz statt.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 954,05 Euro nebst Zinsen zu zahlen.

Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

Die Revision hat Erfolg. Die Kündigungserklärung des/der Versicherungsnehmer:in einer Lebensversicherung, die mit einem Auszahlungsbegehren an sich selbst verbunden ist, enthalte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts jedenfalls bei einem Bezugsrecht auf den Todesfall – wie es hier der Fall ist – ohne weitere Anhaltspunkte nicht stets zugleich konkludent auch den Widerruf dieses Bezugsrechts.

 Hinweis:
An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.

Eckdaten zum Urteil
Datum der Urteilsverkündung: 22.03.2023
Aktenzeichen: IV ZR 95/22
Gericht: BGH