Medizinisches Cannabis-Spray auf Alltagstauglichkeit bei MS-Spastizität untersucht
Spastizität, starke Krämpfe, sind ein besonders schmerzhaftes Symptom der Multiplen Sklerose.
Eine systematische Literaturübersicht untersuchte nun die Alltagstauglichkeit der ergänzenden Behandlung von MS-Spasmen mit medizinischem Cannabis (THC:CBD-Spray). Demnach half die Behandlung bei einem großen Teil der Patienten im normalen Alltag und besserte die Beschwerden in klinisch relevantem Maß, ohne dass neue Risiken gefunden wurden.
Spastizität, also starke Verkrampfungen, sind ein häufiges und schmerzhaftes Problem bei der Multiplen Sklerose. Konventionelle Wirkstoffe, die die Spastizität lösen sollen, sind häufig nur begrenzt wirksam und nicht immer gut verträglich. Inzwischen wird medizinisches Cannabis zur Entkrampfung eingesetzt.
Ein Mittel ist ein Spray aus Delta-9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol (THC:CBD-Spray), das als ergänzende Therapie bei MS-Spastizität zugelassen ist, die nicht ausreichend auf andere Medikamente anspricht.
In klinischen Studien wurde bereits gezeigt, dass damit der Schweregrad der Krämpfe und der damit einhergehenden Symptome gebessert werden kann. Allerdings sind klinische Studien nicht das normale Leben – daher untersuchten Neurologen der Uniklinik Dresden nun in Kooperation mit der Herstellerfirma die aktuelle Studienlage zur normalen, alltäglichen Anwendung dieses Sprays und seiner Wirkung auf MS-Spastizität.
Medizinisches Cannabis im THC:CBD-Spray ergänzend zur Entkrampfung bei Multipler Sklerose
Dazu führten sie eine systematische Literaturrecherche durch, in der sie alle Studien identifizierten, in denen THC:CBD-Spray nicht randomisiert und kontrolliert untersucht wurde. Solche Beobachtungsstudien wurden mit Veröffentlichungsdaten zwischen 2011 und 2017 berücksichtigt. Studieninformationen wie Informationen zu den Patienten, Wirksamkeit und Verträglichkeit der Behandlung von MS-Spasmen mit medizinischem Cannabis wurden zusammengefasst und analysiert.
Klinische Studien sind nicht das normale Leben – wie gut wirkt Cannabis-Spray im Alltag?
Aus anfänglich 159 gefundenen Veröffentlichungen konnten 14 Echt-Welt-Studien identifiziert werden. In diesen wurden also Patienten entweder im Verlauf ihrer normalen Behandlung einfach befragt und untersucht (Observationsstudie), oder Veröffentlichung basierten auf Behandlungsdatenbanken. Die Ergebnisse basierten zusammen auf 3989 Patienten, von denen 56 % Frauen waren.
Die Neurologen bestimmten aus den Studien den Anteil der Patienten, die eine minimale Wirkung im klinischen Sinne (sogenannte MCID vom engl. minimal clinical important difference) zeigten. Damit war eine Reduktion der spastischen Symptome (auf der numerischen Spastizitätsbewertungsskala NRS) um mindestens 20 % nach vier Wochen der Behandlung gemeint.
Zu diesen gelinderten Symptomen zählten (je nach Studiendesign und -fragestellung) beispielsweise Schlafstörungen, Muskelversteifung, eingeschränkte Beweglichkeit, Schmerz und Blasenprobleme.
Der Anteil der Patienten, die diese Verbesserung zeigten, reichte je nach Studien von 41,9 % bis 82,9 %. Diese Verbesserung wurde typischerweise über 6–12 Monate aufrechterhalten, die Patienten hatten also einen längerfristigen Effekt.
Im Durchschnitt wendeten die Patienten das Spray fünf- bis sechsmal täglich an.
THC:CBD-Spray wurde in den hier analysierten Studien gleich gut vertragen wie auch schon in den bisherigen klinischen Studien. Es wurden in den Beobachtungs- und Datenbank Studien keine neuen oder unerwarteten Nebenwirkungen oder unerwünschten Effekte berichtet.
Die häufigsten, typischerweise vorübergehenden unerwünschten Effekte waren demnach Schwindel (4 %) und Fatigue bei bis zu 2,5 % der Patienten. Psychiatrische oder psychotische Symptome der Behandlung wurden bei 2,5–6 % der Patienten gesehen.
Ebenso zeigten sich keine neuen Warnhinweise in der klinischen Praxis dieser Alltagsstudien.
Alltagstaugliche Behandlung von MS-Spasmen mit medizinischem Cannabis
Die Ergebnisse dieser systematischen Literaturübersicht bieten gute Hinweise auf die Wirksamkeit und Verträglichkeit der ergänzenden Behandlung mit THC:CBD-Spray. Demnach linderte die Behandlung bei einem großen Teil der Patienten im normalen Alltag die Spastizitätsbeschwerden in klinisch relevantem Maß.
Die Verträglichkeit entsprach den Ergebnissen randomisierter klinischer Studien.
Diese Untersuchung zeigte somit die Alltagstauglichkeit der Behandlung, nachdem im klinisch stärker kontrollierten Umfeld bereits die generelle Wirksamkeit und Sicherheit bestätigt wurde.
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Original Titel:
Daily Practice Managing Resistant Multiple Sclerosis Spasticity With Delta-9-Tetrahydrocannabinol: Cannabidiol Oromucosal Spray: A Systematic Review of Observational Studies.
Autor:
Akgün K, Essner U, Seydel C, Ziemssen T. Daily Practice Managing Resistant Multiple Sclerosis Spasticity With Delta-9-Tetrahydrocannabinol: Cannabidiol Oromucosal Spray: A Systematic Review of Observational Studies. J Cent Nerv Syst Dis. 2019;11:117957351983199. doi:10.1177/1179573519831997