Rippenfellkrebs: Biomarker für Aggressivität und mögliche neue Therapiestrategie gefunden
Die Reaktivierung von Telomerase ist ein Schlüsselmechanismus für das unbegrenzte Wachstum von Krebszellen.
Auch beim Rippenfellkrebs (Mesotheliom) wird Telomerase angeschaltet, weil ihr Hauptbestandteil TERT im Übermaß produziert wird.
Dabei waren die Mechanismen der Re-Aktivierung des dafür zuständigen TERT Gens bisher weitgehend unklar. ForscherInnen der MedUni Wien konnten nun zeigen, dass in einer besonders aggressiven und genetisch eigenständigen Subgruppe von Mesotheliomen eine aktivierende Punktmutation im Promoter des TERT Gens vorliegt.
Der Promoter ist jene Region, die die Ablesung eines Gens reguliert, selbst aber kein Protein kodiert. Die im amerikanischen Top-Journal Clinical Cancer Research publizierte Arbeit hat prognostische Relevanz und entwickelt auch neue gezielte Therapiestrategien für die betroffenen PatientInnen.
Die Publikation entstand als translationales Kooperationsprojekt des Instituts für Krebsforschung der MedUni Wien, der Abteilung für Thoraxchirurgie der MedUni Wien und des AKH Wien sowie des Comprehensive Cancer Center (CCC) der beiden Einrichtungen.
Nicht-kodierende Mutationen als Krebstreiber
Während die klassischen genomischen Veränderungen in Krebszellen meist kodierend sind, also zur Produktion veränderter Proteine führen, ist die zentrale Bedeutung regulatorischer Bereiche noch eher unerforscht. Sie bestimmen die Genexpression, also ob und wann Gene abgelesen (transkribiert) werden und somit die Menge der Genprodukte.
Die wichtigsten regulatorischen Bereiche von Genen werden als Promotoren bezeichnet.
Aktivierende Punktmutationen im Bereich des TERT Gen Promotors wurden erstmals 2013 in einer Familie mit extrem hoher Krebsneigung beschrieben und stellen in manchen Tumorarten (etwa Glioblastome und Melanome) eine der häufigsten genomischen Veränderungen dar.
Hinsichtlich des Mesothelioms konnte die vorliegende Arbeit des CCC nun nachweisen, dass, trotz einer generellen Aktivierung von Telomerase in dieser Krebsart, der TERT Promoter nur in einer relativ kleinen Subgruppe von PatientInnen mutiert ist.
Diese Tumore zeichnen sich aber durch besondere Aggressivität und ein spezielles genetisches Profil aus. Diese Beobachtung an Patientinnen-Kollektiven aus mehreren europäischen Ländern legt nahe, dass TERT Promoter Mutationen nicht nur die Aktivierung von Telomerase erleichtern, sondern auch mit einer spezifischen Sequenz der Entartung einhergehen.
Untersuchungen am Zellmodell
Das ForscherInnenteam rund um Walter Berger stellte für die Arbeit aus einer Vielzahl von Mesotheliom Operationspräparaten immortalisierte, also unsterbliche, Zellmodelle her.
Diese erlauben sowohl die Untersuchung von Faktoren der Aggressivität, als auch eine Analyse des Ansprechens auf innovative Arzneimittel. Die Hemmung eines an der spezifischen Aktivierung des mutierten TERT Promoters beteiligten Proteins scheint dabei besonders vielversprechend.
Walter Berger, Institut für Krebsforschung der MedUni Wien, Mitglied des CCC und Leiter der Studie erklärt:
„Die Mutation im TERT Promoter führt zur erhöhten Bindung von Transkriptionsfaktoren, sogenannten ETS-Faktoren, die das TERT Gen dann direkt aktivieren. Wir prüfen im Moment, ob eine pharmakologische Blockade der ETS-Faktoren eine gezielte neue Therapiemöglichkeit für PatientInnen mit TERT Promoter mutiertem Mesotheliomdarstellen könnte. Die Mutation wäre in diesem Fall zugleich Biomarker für die Auswahl der geeigneten PatientInnen und Angriffspunkt für die Therapie. Also eine ideale Konstellation für Präzisionsmedizin.“
Mesotheliom – ein Asbest induzierter Tumor mit schlechter Prognose
Mesotheliome treten sehr häufig in Berufsgruppen mit Asbestexposition auf und sind besonders therapieresistent.
Während Asbest in Mitteleuropa weitgehend verbannt ist, wird er in Schwellenländern weiter ungebremst verarbeitet. Da die Latenzzeit zwischen AsbestKontakt und Krankheitsausbruch aber bis zu 20 Jahren oder sogar mehr beträgt, nimmt die Häufigkeit von Mesotheliom auch im EU-Raum noch immer eher zu.
Ein besseres Verständnis der Entartungsmechanismen und die Entwicklung von darauf basierenden, gezielteren Therapien ist daher dringend notwendig.
Medizinische Universität Wien – Kurzprofil
Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit ihren 26 Universitätskliniken und zwei klinischen Instituten, 12 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie auch zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich.
Weitere Informationen erhalten Sie unter www.meduniwien.ac.at
AKH Wien – Kurzprofil
Im Universitätsklinikum AKH Wien werden jährlich rund 80.000 Patientinnen und Patienten stationär betreut. Die Ambulanzen und Spezialambulanzen des AKH Wien werden zusätzlich etwa 1,2 Mio. Mal frequentiert. Gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten der MedUni Wien stehen für die Betreuung unserer PatientInnen rund 3.000 Krankenpflegepersonen, über 1.000 Angehörige der medizinischen, therapeutischen und diagnostischen Gesundheitsberufe und viele weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedensten Berufsgruppen zur Verfügung.
Weitere Informationen erhalten Sie unter www.akhwien.at
Comprehensive Cancer Center Vienna
Das Comprehensive Cancer Center (CCC) Wien der MedUni Wien und des AKH Wien vernetzt alle Berufsgruppen dieser beiden Institutionen, die KrebspatientInnen behandeln, Krebserkrankungen erforschen und in der Lehre bzw. der Ausbildung in diesem Bereich aktiv sind.
Weitere Informationen erhalten Sie unter www.ccc.ac.at
Service: Clinical Cancer Research
Telomerase Reverse Transcriptase Promoter Mutations Identify a Genomically Defined and Highly Aggressive Human Pleural Mesothelioma Subgroup.
Pirker C, Bilecz A, Grusch M, Mohr T, Heidenreich B, Laszlo V, Stockhammer P, Lötsch-Gojo D, Gojo J, Gabler L, Spiegl-Kreinecker S, Dome B, Steindl A, Klikovits T, Hoda MA, Jakopovic M, Samarzija M, Mohorcic K, Kern I, Kiesel B, Brcic L, Oberndorfer F, Müllauer L, Klepetko W, Schmidt WM, Kumar R, Hegedus B, Berger W. Clin Cancer Res. 2020 Apr 21. doi: 10.1158/1078-0432.CCR-19-3573.
Link: https://clincancerres.aacrjournals.org/content/early/2020/05/29/1078-0432.CCR-19-3573.