Geschlechterunterschiede bei Darmkrebs
Vorsorgezeitraum für Frauen muss verlängert werden
Etwa 60.000 Menschen erkranken jedes Jahr in Deutschland neu an Darmkrebs, auch immer jüngere Menschen sind betroffen. Neue Forschungsergebnisse zeigen nun weitreichende Geschlechterunterschiede bei dieser Tumor-erkrankung.
Dabei unterscheiden sich bei Mann und Frau nicht nur in Teilen die Wirkung von Chemo- und Immuntherapie, sondern auch Erkrankungshäufigkeit und -alter.
Der Vorsorgezeitraum für Frauen müsse daher über das 75. Lebensjahr hinaus verlängert werden, erklärten Experten auf der Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH). Künftig werde das Geschlecht, aber auch die Gen-Analyse eine entscheidende Rolle bei Therapieentscheidungen spielen.
Dick- und Mastdarmkrebs ist nach wie vor die zweithäufigste Tumorerkrankung bei Frauen und die dritthäufigste bei Männern in Deutschland. Zunehmend belegen Studien, darunter auch Resultate großer Register-Studien, einen Einfluss des Geschlechts auf die Vorsorge, Diagnostik und Therapie dieser Krebserkrankungen.
„Dennoch haben die Erkenntnisse noch keinen Eingang in aktuelle Strategien gefunden“, stellt Professor Dr. med. Thomas Schiedeck fest, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). „Die gendergerechte Therapie bleibt daher ein wichtiges Anliegen.“
So leiden Männer häufiger als Frauen an Darmkrebs. Unter 100.000 Männern, die 2014 über 75 Jahre alt waren, gab es statistisch gesehen 7477 Männer, die innerhalb der fünf vorangegangenen Jahre an Krebs erkrankt sind. Die Rate bei den gleichaltrigen Frauen lag bei 4438 pro 100.000 Einwohner.
Frauen wiederum erkranken deutlich später und an anderen Darmabschnitten. Derzeit endet die krankenkassenfinanzierte Vorsorgeuntersuchung bei Frauen in einem Lebensalter von 75 Jahren.
„Die Erkrankungsrate steigt danach aber nochmals an“, betont Schiedeck, der als Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Kinderchirurgie an den RKH Kliniken Ludwigsburg tätig ist. „Wir finden speziell bei älteren Frauen viele große Tumoren im rechtsseitigen Darm, die bei Darmspiegelung und Stuhltests nicht aufgefallen sind. Bei Frauen muss deshalb das Vorsorgefenster verlängert werden.“
Bei Männern hingegen beginne die Vorsorge ab dem Alter von 50 Jahren tendenziell zu spät.
Die wichtigste Maßnahme zur Heilung einer Darmkrebserkrankung bleibt die Operation. Neben einer Ernährungstherapie beeinflussen auch chemotherapeutische Konzepte die Operationschancen und Risiken. Auch hier – bei der Wirkungsweise oder dem Risikoprofil der Chemotherapie – spielt das Geschlecht der Betroffenen eine immer wichtigere Rolle.
„Es gibt Situationen, in denen Darmtumoren bei weiblichen Patienten weniger auf eine Chemotherapie reagieren“, so Schiedeck.
Dann stelle sich die Frage, inwiefern die Betroffenen durch eine genderbedingt schlecht wirkende Therapie unnötig belastet werden würden. „Diese Entscheidung hängt aber letzten Endes auch von dem individuellen genetischen Profil ab, nicht nur von dem Geschlecht, weshalb eine genetische Analyse immer wichtiger wird“, betont Schiedeck.
Den größten Einfluss hat das Geschlecht aktuellen Daten zufolge bei der Immuntherapie - dies liegt hauptsächlich in der unterschiedlichen Hormonproduktion bei Mann und Frau begründet.
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie
zertifiziert im Rahmen ihrer Qualitätssicherungsoffensive seit Jahren Kliniken und Zentren. „Aufbauend auf den Daten dieser Register werden künftig zusätzlich zu den bereits erhobenen Studienergebnissen noch weitere Erkenntnisse zu gewinnen sein“, hofft Schiedeck.
„Zusammen mit den Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz bei der Datenauswertung bietet, werden wir noch wesentlich mehr auf eine gendergerechte Therapie abzielen, wobei das Geschlecht dann ein Faktor unter vielen Einzelgrößen der personalisierten und individualisierten Medizin sein wird“, prognostiziert der DGAV-Präsident. Heute schon spiele die Gen-Analyse des Tumormaterials eine wichtige Rolle, künftig werde die genetische Disposition in der Therapieauswahl noch wesentlich wichtiger zu berücksichtigen sein.
Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) - www.dgch.de
Weiterführende Literatur:
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