Darmkrebs: Anzahl der Betroffenen unter 55 Jahren nicht rückläufig

... daher empfiehlt die DGVS einen früheren Beginn der Vorsorge-Darmspiegelung

Die Deutsche Gesellschaft fu¨r Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) plädiert dafür, die Darmspiegelung zur Vorsorge von Darmkrebs bereits ab dem Alter von 50 Jahren durchzuführen, da die Häufigkeit des kolorektalen Karzinoms ab diesem Alter deutlich ansteigt. Während die Erkrankungsfälle bei Menschen über 55 Jahren rückläufig sind, ist bei Jüngeren kein Rückgang zu verzeichnen. Derzeit haben gesetzlich Versicherte ab dem Alter von 55 Jahren Anspruch auf die Vorsorge-Darmspiegelung. Die aktuellen Empfehlungen zum Darmkrebs-Screening finden sich auch in der kürzlich aktualisierten S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom.

Noch immer ist Darmkrebs die dritthäufigste Krebserkrankung in Deutschland. Je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Die Darmspiegelung, auch Koloskopie genannt, ist die zuverlässigste Methode zur Früherkennung von Darmkrebs. Der Arzt kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht nur Vorstufen entdecken, sondern diese auch entfernen, noch bevor sie sich zu einem Krebsleiden weiterentwickeln. Deshalb gibt es seit 2002 in Deutschland ein gesetzliches Früherkennungsprogramm für das kolorektale Karzinom.

Derzeit wird die Darmspiegelung von den gesetzlichen Kassen regelhaft ab dem Alter von 55 Jahren erstattet. „Seit Einführung der Darmkrebsvorsorge in Deutschland erkranken und sterben weniger Menschen an Darmkrebs. Eine Studie aus Deutschland hat gezeigt, dass durch die Vorsorge-Koloskopie etwa 180 000 Darmkrebserkrankungen verhindert wurden“, so Professor Dr. med. Wolff Schmiegel, Direktor der Medizinischen Universitätsklinik Knappschaftskrankenhaus, Ruhr-Universität Bochum und Koordinator der DGVS-Leitlinie Kolorektales Karzinom.

„Dies gilt aber nur für Menschen ab 55 Jahren, das Alter, in dem die Vorsorge-Koloskopie beginnt. Bei Personen unter 55 Jahren lässt sich kein Rückgang feststellen“. Generell steigt die Häufigkeit des kolorektalen Karzinoms ab einem Alter von 50 – und nicht erst ab 55 Jahren – deutlich an.

„Männer haben in jedem Alter ein deutlich höheres Risiko für die Entwicklung von Darmkrebstumoren als Frauen“, erklärt Privatdozent Dr. med. Christian Pox, Chefarzt der Medizinischen Klinik und Leiter des Darmkrebszentrums im Krankenhaus St. Joseph-Stift in Bremen und ebenfalls Koordinator der S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom

. „Dies gilt auch für die Altersspanne von 50 bis 54 Jahren. In einer prospektiven Studie aus den Jahren 2014/2015, in der bei 1396 Versicherten zwischen 50 und 54 Jahren eine Koloskopie durchgeführt wurde, wurden bei 8,6 Prozent der untersuchten Männer und bei 4,5 Prozent der untersuchten Frauen fortgeschrittene gut- oder bösartige Tumore (Neoplasien) entdeckt.“

Die DGVS-Experten fordern daher, dass entsprechend der Empfehlung der aktuellen S3-Leitlinie Versicherte ab einem Alter von 50 Jahren Anspruch auf die zuverlässigste Methode – mit der höchsten Sensitivität und Spezifität – zur Darmkrebs-Früherkennung und -Vorsorge, die Darmspiegelung, haben sollten.

2017 schlugen internationale Experten auf dem Kongress der Vereinigten Europäischen Gastroenterologie (United European Gastroenterology, UEG) ein Screening bereits ab 45 Jahren vor. Aufgrund der für Deutschland aktuell noch unzureichenden Datenlage bezüglich Darmkrebserkrankungen bei jüngeren Menschen empfiehlt die DGVS ein generelles Screening ab 45 Jahren derzeit nicht. Die DGVS plädiert jedoch für ein Pilotprojekt zum möglichen Nutzen des Screenings für Männer ab 45 Jahren.

Derzeit sieht das gesetzliche Darmkrebs-Früherkennungsprogramm ab dem Alter von 50 Jahren einen immunologischen Stuhltest zur Früherkennung vor. Ab dem Alter von 55 Jahren haben gesetzlich Versicherte dann Anspruch auf die Vorsorge-Darmspiegelung. Bei negativem Ergebnis kann die Darmspiegelung einmalig nach zehn Jahren wiederholt werden.

Personen mit einem erhöhten familiären Risiko für Darmkrebs sind aktuell im gesetzlichen Darmkrebs-Früherkennungsprogramm nicht gesondert berücksichtigt. Zu dieser Gruppe gehören etwa Angehörige von Darmkrebs-Betroffenen. In Deutschland trägt jeder Bürger ein durchschnittliches Risiko von etwa sechs Prozent, im Laufe seines Lebens an Darmkrebs zu erkranken.

Mit jedem Blutsverwandten, der an Darmkrebs erkrankt ist oder war, verdoppelt sich jeweils das Erkrankungsrisiko. In seltenen Fällen wird Darmkrebs durch vererbbare Genveränderungen verursacht. Anlageträger haben ebenfalls ein sehr hohes Erkrankungsrisiko. Bei diesen beiden Risikogruppen sollte die Darmkrebsfrüherkennung deshalb früher beginnen.

Eine Beurteilung des individuellen Risikos ist über einen standardisierten kurzen Fragebogen möglich. Eine sinnvolle Vorgehensweise könnte darin bestehen, Versicherten ab dem 30. Lebensjahr einmalig einen Fragebogen zur Erfassung des familiären Risikos zukommen zu lassen, um eine mögliche Risikosituation frühzeitig erkennen und Betroffenen rechtzeitig medizinisch helfen zu können.

Hintergrund-Informationen
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 5500 Ärzte und Wissenschaftler aus der Gastroenterologie unter einem Dach.

Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle des Patienten.

Wer gern mehr erfahren möchte, schaut bitte direkt bei der Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e.V. - www.dgvs.de


Weiterführende Literatur:

- Brenner H, Schrotz-King P, Holleczek B, Katalinic A, Hoffmeister M: Declining bowel cancer incidence and mortality in Germany—an analysis of time trends in the first ten years after the introduction of screening colonoscopy.
Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 101–6. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0101
https://www.aerzteblatt.de/int/archive/article/174932

- Brenner H, Zwink N, Ludwig L, Hoffmeister M: Should screening colonoscopy be offered from age 50? Results from a statewide pilot project, and from a randomized intervention study. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 94–100.
DOI: 10.3238/arztebl.2017.0094

- Krebs in Deutschland für 2013/2014. 11. Ausgabe. Robert Koch-Institut (Hrsg) und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (Hrsg). Berlin, 2017. https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/krebs_in_deutschland_inhalt.html

- Rebecca L. Siegel et al., Colorectal Cancer Incidence Patterns in the United States, 1974–2013.  J Natl Cancer Inst. 2017 Aug 1;109(8). doi: 10.1093/jnci/djw322. DOI: 10.1093/jnci/djw322

- Christian P. Pox, Lutz Altenhofen et al., Efficacy of a Nationwide Screening Colonoscopy Program for Colorectal Cancer. Gastroenterology. 2012 Jun;142(7):1460-7.e2. DOI: 10.1053/j.gastro.2012.03.022

-S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, Leitlinienprogramm Onkologie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF), Deutschen Krebsgesellschaft e.V. und Deutschen Krebshilfe. Federfu¨hrende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft fu¨r Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Kurzversion 2.0 – November 2017 AWMF-Registernummer: 021/007OL.  https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2017/12/LL_KRK_Kurzversion_2.0.pdf