Bessere Krebsdiagnosen in der Kinderradiologie

Das Projekt RACOON-RESCUE unter Leitung der MHH will Bilddaten aus CT und MRT automatisch auswerten und neue bildbasierte Merkmale finden, um das Krankheitsstadium bei Kindern und Jugendlichen mit Non-Hodgkin-Lymphom verlässlicher beurteilen zu können.

Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) gehören zu den bösartigen Erkrankungen des Lymphgewebes und stellen die vierthäufigste Krebsform im Kindes- und Jugendalter dar. Mehr als 30 Untergruppen sind bekannt. Zwar liegt die langfristige Überlebensrate zwischen 70 und 90 Prozent.

Bei einem Rückfall ist die Aussicht auf Heilung insgesamt aber eher schlecht. Die Diagnose erfolgt meist über invasive Methoden – also direkte Eingriffe in den Körper – wie eine Biopsie des befallenen Gewebes oder Lumbal- und Knochenmarkpunktionen.

Um zu untersuchen, wie weit sich das Lymphom im Körper ausgebreitet hat, ist die nicht-invasive radiologische Diagnostik mittels Bildgebung ein entscheidender Baustein. Allerdings gibt es noch keine standardisierte und automatisierte Bildauswertung, mit der sich das aktuelle Stadium und der weitere Verlauf der Erkrankung zuverlässig und vergleichbar bestimmen lassen.

Das Projekt RACOON-RESCUE soll das nun ändern. Unter der Leitung von Professorin Dr. Diane Renz, Leiterin des Arbeitsbereichs Kinderradiologie am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), wollen Forschende aus den Bereichen Kinderradiologie und Kinderonkologie von 38 Universitätskliniken vorhandene Bilddaten gemeinsam erfassen und strukturiert auswerten, um besser zu bestimmen, in welchem Krankheitsstadium sich die Patientinnen und Patienten befinden, wie sie auf die Therapie ansprechen und welche Nachsorge in Betracht kommt.

Sie wollen zudem neue bildbasierte Merkmale entwickeln.

Das Forschungsvorhaben ist Bestandteil des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über 18 Monate mit insgesamt rund einer Million Euro gefördert. Davon gehen rund 460.000 Euro an die MHH.

Informationen aus radiologischen Bildern herausfiltern

NHL entstehen durch Veränderungen im Erbgut der für die Immunabwehr wichtigen Lymphozyten. Meist sind die Lymphknoten betroffen, in fortgeschrittenen Krankheitsstadien können aber auch Knochenmark, Lunge, Leber und Milz befallen sein.

Die Erkrankung beginnt typischerweise mit einer schmerzlosen Lymphknotenschwellung, die im weiteren Verlauf auch Bauchschmerzen oder Atembeschwerden auslösen kann, außerdem Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß und Müdigkeit.

Zur Behandlung der NHL wird in der Regel eine Chemotherapie eingesetzt. In einigen Fällen ist eine Stammzelltransplantation notwendig.

„Zur Beurteilung des Ansprechens wollen wir noch mehr auf die für die betroffenen Kinder und Jugendlichen weniger belastenden radiologischen Untersuchungen setzen“, sagt Professorin Renz.

Dafür muss aber zunächst eine Methode entwickelt werden, um die Flut an Informationen aus den radiologischen Bildern wie Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) so herauszufiltern und aufzubereiten, dass sie einem bestimmten Lymphom-Stadium eindeutiger zuzuordnen sind.

Klinische und radiologische Daten kombinieren

„Bislang erfolgt die Bestimmung mittels CT und MRT keinem Referenzstandard, an dem sich die Radiologinnen und Radiologen orientieren können“, erklärt die Projektleiterin. „So bleibt eine Vielzahl möglicher verfügbarer Hinweise auf das Tumorstadium und das Rückfallrisiko leider ungenutzt.“

Ein wesentliches Ziel von RACOON-RESCUE ist es daher, eine standardisierte und automatisierte Bildanalyse zu entwickeln. Das Vorhaben stützt sich dabei nicht nur auf die radiologischen Bilddaten, die im Rahmen der klinischen Routine bereits erfasst wurden. Die Forschenden nutzen auch das „NHL-Berlin-Frankfurt-Münster-Register“, das seit 2012 klinische Daten von Kindern und Jugendlichen aller NHL-Untergruppen in Deutschland erhebt.

„Wir erhalten so einen neuen und einzigartigen Datensatz, den wir mit Hilfe künstlicher Intelligenz automatisiert auswerten wollen, um die Vorhersagen über den Therapieerfolg zu verbessern und das individuelle Rückfallrisiko vorherzusagen“, erklärt Professorin Renz.

Auch bildbasierte Merkmale, wie etwa Größe, Art und Form der Lymphknoten sollen einbezogen werden und mithelfen, das maschinelle Vorhersagemodell zu trainieren.

„Am Ende wollen wir daraus eine digitale Befundungsmaske entwickeln, um das jeweilige Tumorstadium aus den CT- und MRT-Bildern direkt zu bestimmen, das Therapieansprechen zu beurteilen und dadurch auch die Tumornachsorge zu verbessern.“

Die automatisierte Bildauswertung soll zukünftig erlauben, die radiologische Diagnostik umfassender zu nutzen, den Einsatz invasiver Untersuchungen wie Gewebe- oder Flüssigkeitsentnahmen zu verringern und bisher unklare Befunde besser einzuordnen. „Dadurch wird es auch möglich herausfinden, welche Patientinnen und Patienten nach einer Therapie ein hohes Rückfallrisiko haben und das Therapiekonzept kann individueller angepasst werden.“

RACOON-RESCUE und Netzwerk Universitätsmedizin

Das Projekt RACOON-RESCUE wird vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie der MHH in Kooperation mit der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf koordiniert. Beteiligt sind alle 38 dem Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) angeschlossenen deutschen Universitätskliniken, das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg sowie drei technische Partner.

Das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) besteht aus einer zentralen Koordinierungsstelle und den dezentralen lokalen Stabsstellen (LokS) der 36 beteiligten Universitätskliniken in Deutschland. Die LokS unterstützen die Zusammenarbeit in den standortübergreifenden Infrastrukturen und Forschungsprojekten des NUM. Sie sind Ansprechpartner für die NUM-Projektbeteiligten, fördern die Zusammenarbeit von Forschenden auf nationaler Ebene und sind über alle laufenden NUM-Projekte informiert. In der ersten Förderphase (2020-2021) nahmen Forschende der MHH an acht Verbundprojekten teil, in der zweiten Förderphase (2022-2025) an 19 Projekten.

Die Bewerbungsperiode für die dritte Förderphase startet diesen Sommer.

Wer sich gern informieren möchte, kann unter num-loks(at)mh-hannover.de.Kontakt aufnehmen

Text: Kirsten Pötzke