Neues Medikament gegen fortgeschrittenen Prostatakrebs zugelassen
... ein großer Erfolg für deutsche Krebsforschung
Am 13. Dezember 2022 war es so weit: Die europäische Kommission erteilte einem Medikament gegen metastasierten Prostatakrebs die Zulassung, dessen Wirkstoff in Deutschland entwickelt wurde. Maßgeblich arbeiteten hierfür das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), das Universitätsklinikum und die Universität Heidelberg zusammen. Das Medikament kann die Überlebenschancen bei dieser Krebsart im fortgeschrittenen Stadium verbessern. Damit ist hier der Transfer innovativer Forschung in die klinische Anwendbarkeit geglückt.
Das Medikament wurde in Europa für die Behandlung von metastasiertem Prostatakrebs, der das Oberflächenmolekül PSMA (Prostataspezifisches Membranantigen) trägt, zugelassen. Es soll bei Patienten zum Einsatz kommen, die zuvor bereits eine Chemotherapie erhalten hatten und die nicht auf Hormonentzug ansprechen.
Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des DKFZ, ordnet die Neuzulassung wie folgt ein: „Männer mit fortgeschrittenem Prostatakrebs haben derzeit kaum noch aussichtsreiche Behandlungsoptionen. Dass diese Betroffenen nun endlich auch in Deutschland von Lutetium-177 PSMA-617 profitieren können, ist ein großer Erfolg für das DKFZ. Mit der Erfindung von Lutetium-177 PSMA-617 ist unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein herausragendes Beispiel für diesen Transfer gelungen."
Mit ca. 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Prostatakrebs in Deutschland die häufigste Krebserkrankung bei Männern und die zweithäufigste Krebstodesursache. Wenn sich der Tumor bei der Diagnose noch auf die Prostata beschränkt, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, die ersten fünf Jahre zu überleben, fast bei 100 Prozent. Ist der Krebs bereits metastasiert, nur bei 30 Prozent.
Bei dem neuen Medikament handelt es sich um einen mit radioaktivem Lutetium-177 gekoppelten Liganden, der an ein Prostataspezifisches Membranantigen (PSMA) passgenau andocken kann. So werden zielgenau die Krebszellen erreicht, nehmen den Wirkstoff in ihr Zellinneres auf, so dass von innen eine zell-tödliche Strahlendosis abgegeben wird.
Die Methode zeigte bei etwa zwei Drittel der Patienten in den vorangegangen klinischen Studien ihre Wirkung. „Die Ausbreitung der Metastasen kann damit gestoppt werden, in einigen Fällen gehen sie sogar zurück“, erklärt Prof. Dr. Bernd Krause, Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin in Rostock und einer der Leiter der im Sommer 2021 veröffentlichten Studie.
Krause erwartet gute Therapieerfolge bei den Patienten, die für die Behandlung teilweise weite Wege auf sich nehmen.
Aktuell wird bereits in klinischen Studien erforscht, ob das Medikament auch bei Patienten mit metastasiertem Prostatakrebs, die zuvor noch keine Chemotherapie erhalten haben, einen Überlebensvorteil bringt.
Welcome to the future
Krebstherapie mit ,gezielter Radioligandentherapie’
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten Wissenschaftler die Atomkraft: Sie fanden heraus, dass Elemente wie Uran und Radium unsichtbare Energiestrahlen abgeben und begannen, diese auch im medizinischen Bereich einzusetzen. Aktuell steht eine neue Form der Nuklearmedizin in den Startlöchern: Die gezielte Radioligandentherapie macht sich die Kraft radioaktiver Atome zunutze und soll sie direkt an Krebszellen abgeben, unabhängig davon, wo sie sich im Körper befinden.
Wie funktioniert die gezielte Radioligandentherapie?
Mehr als die Hälfte aller Krebspatienten erhält im Laufe ihrer Therapie irgendeine Form von Bestrahlung. Was genau ist also neu an der gezielten Radioligandentherapie? Es geht darum, Strahlung fokussiert einsetzen zu können. Einmal in den Blutkreislauf infundiert, kann die Therapiemethode Krebszellen im ganzen Körper erreichen und dort mit radioaktiver Energie Tumorzellen abtöten. Dabei ist die zerstörerische Energie so konzipiert, dass sie sich nicht weiter als ein paar Millimeter vom Atom entfernt bewegt, sodass der Schaden relativ auf Tumorzellen konzentriert bleiben kann.
Auf der Suche nach dem passenden Puzzleteilchen
Die zielgerichtete Radioligandentherapie nutzt hierbei für die fokussierte Vorgehensweise zwei Hauptkomponenten: ein radioaktives Atom und ein tumorspezifisches Molekül. Dieses kann man sich wie ein Puzzleteil vorstellen, das auf der Oberfläche von Krebszellen nur zu den passenden molekularen Puzzleteilen passt.
Das Medikament geht an den meisten gesunden Zellen vorbei. So ist diese Therapie in der Lage, die Strahlung zu einem kleinen Krebsherd überall im Körper zu bringen. Forscher haben derzeit erst für wenige Krebsarten die passenden Puzzleteile identifiziert, daher ist das Angebot an zugelassenen und experimentellen Radioligandtherapien noch begrenzt.
Therapie auch zur Diagnostik geeignet
Zusätzlich hat die nuklearmedizinische Therapie auch eine diagnostische Komponente: Das Diagnostikum verwendet dasselbe tumorspezifische Molekül wie das Therapeutikum, liefert jedoch radioaktive Atome, die den Krebs nicht zerstören, sondern ihn nur sichtbar machen: Diese Atome geben dann eine Energieform ab, die außerhalb des Körpers von bildgebenden Scannern nachgewiesen werden kann. Diese Form der Strahlung ermöglicht es Ärzten, den
Krebs zu sehen, unabhängig davon, wo er sich im Körper ausgebreitet hat.
Auch hier gilt: Nur dann, wenn die molekularen Puzzleteile exakt zusammenpassen, wird die Diagnostik den Krebs eines Patienten entdecken. Wenn dies der Fall ist, ist die gezielte Radioligandentherapie mit demselben tumorspezifischen Molekül möglicherweise eine gute Ergänzung des bestehenden Therapiespektrums. Außerdem können zukünftige Scans während der Behandlung dabei helfen festzustellen, wie stark das Medikament wirkt.
So kann die Nuklearmedizin zum Wohle von Krebspatienten sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie eingesetzt werden - das Prinzip eröffnet ein enormes Potenzial
Quelle:
ABC HEALTHCARE GmbH & Co. KG