Schonender Austausch

Eine neue Schutzhülle soll die Reaktion des Körpers auf implantierbare Schrittmacher oder Defibrillatoren minimieren und damit verhindern, dass es durch Bindegewebswucherungen beim Wechsel der Geräte zu ernsten Komplikationen kommen kann.

Zum weltweit ersten Mal wurde sie am Deutschen Herzzentrum Berlin eingesetzt.

Weit über eine Million Menschen in Deutschland tragen einen Herzschrittmacher und/oder Defibrillator, über 100.000 Geräte werden jährlich neu implantiert (Stand 2018). Auch wenn es dabei zu keinerlei Komplikationen kommt, müssen die Geräte je nach Lebensdauer ihrer Batterien nach etwa 5-10 Jahren ausgetauscht werden.

In vielen Fällen sind die Aggregate aber stark in Bindegewebe eingewachsen, das vom menschlichen Organismus als Reaktion auf den Fremdkörper gebildet wird. Bei einem Folge-Eingriff am Schrittmacher oder Defibrillator muss dieses vergleichsweise harte und knotige Gewebe zunächst aufgeschnitten und entfernt werden. Die Operation wird damit komplizierter, das Risiko für Komplikationen wie eine Nachblutung, eine Infektion oder eine Beschädigung der Sonden steigt.

In Kooperation mit dem Deutschen Herzzentrum Berlin haben Wissenschaftler an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) deshalb eine spezielle Schutzhülle entwickelt.

Diese „Hylomate“ genannte Membran besteht aus Zellulose, deren faserartige Struktur die Ablagerung von Proteinen auf der Oberfläche und damit den ersten Schritt der Fremdkörper-Reaktion abschwächt. Dieser Effekt wird zusätzlich durch eine spezielle Oberflächen-Mikro-Struktur der Membran unterstützt, die von den ETH-Forschern entwickelt wurde.

In aufwändigen Versuchsreihen konnten die Wissenschaftler der ETH und des DHZB nachweisen, dass die Zellulose vom Körper nicht abgestoßen wird und sich um die Herzschrittmacher mit Schutzhülle tatsächlich deutlich weniger Bindegewebe gebildet hat. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler im Fachball "Biomaterials" veröffentlicht.

Prof. Dr. med. Christoph Starck, Herzchirurg und Leitender Oberarzt am Deutschen Herzzentrum Berlin, hat die Hylomate-Membran nun zum weltweit ersten Mal bei einem Menschen eingesetzt.

Sein Patient Ingo K. (44) erlitt vor einem Jahr eine schwere und wiederkehrende Entzündung der Herzklappen und musste mehrfach operiert werden, zuletzt im August 2019. Nach mehreren Rückschlägen und langen Klinikaufenthalten hat sich Ingo K.s Zustand deutlich verbessert. Die Ärzte in der Reha-Fachklinik bescheinigten ihm seine wiedererlangte Arbeitsfähigkeit.

Die Erkrankung und die Eingriffe haben aber zwangsläufig auch das elektrische Reizleitungssystem und damit die Funktion seines Herzens in Mitleidenschaft gezogen.

Um Ingo K. vor plötzlich auftretenden lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen zu schützen, setzte ihm Prof. Starck deshalb einen Defibrillator ein. „Wenn wir dieses Gerät einmal wechseln müssen, wollen wir die Belastung für Ingo K. wegen der Erkrankung und den bisherigen Operationen so gering wie möglich halten“, sagt Prof. Christoph Starck, „hier bot sich also eine sinnvolle Gelegenheit, die Membran erstmalig einzusetzen.“

Der Herzchirurg und sein Team werden dokumentieren, wie sich die neue Entwicklung bei ihren ersten Patienten bewährt. Die ETH-Ausgründung "Hylomorph AG" als Hersteller der Membran koordiniert die zu einer regelhaften europaweiten Zulassung notwendigen Studien.

Ingo K. möchte nun so bald wie möglich in seinen Beruf als leitender Angestellter im Baumanagement einer Immobilienfirma zurückzukehren.  

Wer gern mehr erfahren möchte, schaut bitte direkt unter Deutsches Herzzentrum Berlin - Stiftung des bürgerlichen Rechts  - www.dhzb.de