Den Juckreiz wirksam lindern?
Innovatives Arzneimittel wirkt bei Neurodermitis
Zytokine sind eine Gruppe von vielen verschiedenen, meist in den Zellen des körpereigenen Abwehrsystems gebildeten Signal- oder Botenstoffen. Sie können Vorgänge wie Zellteilung, -aktivierung, -ausreifung oder auch -absterben auslösen und greifen somit in viele Vorgänge im Körper ein.
Manche dieser Effekte gelten als entzündungsfördernd. Eines der als entzündungsfördernd bekannten Zytokine ist das Interleukin-31. Es wird als ein Element verstanden, das die Hauterkrankung Neurodermitis und speziell auch Juckreiz verstärkt.
Um gegen die Wirkung von Interleukin-31 vorzugehen, könnte man einerseits direkt dieses Zytokin hemmen, oder aber seine Wirkung dämpfen, indem man gegen den Rezeptor vorgeht. Letzteres wird inzwischen mit einem Interleukin-31-Rezeptor-Hemmer, dem biotechnologisch gewonnenen Antikörper Nemolizumab, versucht.
In einer klinischen Studie der Phase 2 wurden unter Leitung des Münchner Dermatologen Prof. Ruzicka in einer internationalen Multizentrenstudie erwachsene Patienten mit mäßig bis schwerer Neurodermitis behandelt und untersucht.
Die bisherige Behandlung der rekrutierten Patienten, oberflächlich angewandte Hautsalben, war unzureichend.
In dieser 3-monatigen Studie wurden die Patienten, zufällig zugeordnet, alle 4 Wochen mit Nemolizumab in unterschiedlichen Dosierungen (0,1 mg, 0,5 mg oder 2,0 mg je Kilogramm Körpergewicht) oder Placebo behandelt.
Als weitere Behandlungsoption wurde 2,0 mg Nemolizumab je Kilogramm alle zwei Monate gegeben.
Welche Substanz sie jeweils erhielten war weder den Patienten noch den behandelnden Ärzten bekannt (Doppelblindverfahren).
Die Mittel wurden unter die Haut injiziert. Vorrangiges Wirkziel war eine Verbesserung des Juckreizes nach 3 Monaten auf einer visuellen Analogskala, also einer Art Lineal, auf dem die Patienten die Stärke des Juckreizes eintragen konnten.
Eine Verbesserung relativ zum Vorbehandlungszeitraum wäre also an einem erniedrigten Wert zu erkennen. Weiter standen Verbesserungen im Hautbild im Fokus, gemessen mit dem EASI-Wert (eczema area and severity index), mit dem die Größe der betroffenen Hautfläche und der Schweregrad eingeschätzt wird.
Von ursprünglich 264 Patienten führten 216 (82 %) die Studie bis zum Ende durch.
Die Behandlung mit Nemolizumab zeigte dosisabhängig Wirkung: nach 3 Monaten und monatlicher Injektion war der selbsteingeschätzte Juckreiz bei den Patienten, die 0,1 mg (je kg Körpergewicht) erhalten hatten um fast die Hälfte reduziert (-44 %). Bei Behandlung mit 0,5 mg je kg war der Juckreiz um 60 % geringer, und die Patienten, die 2,0 mg je kg erhalten hatten, mussten nur noch unter einem um 63 % reduzierten Juckreiz leiden.
Die Placebogruppe dagegen, also die Patienten, die nur eine Scheinbehandlung erhalten hatten, trugen einen nur um 20 % reduzierten Juckreiz ein. Die Placebobehandlung hatte also auch einen Effekt, den bekannten Placeboeffekt, allerdings war die Wirkung von Nemolizumab deutlich und messbar stärker.
Im EASI-Wert zeigten sich die Unterschiede in der Wirkstoff-Dosierung besonders deutlich: mit der niedrigsten Dosis war zwar weniger Haut weniger schwer betroffen, jedoch war die Wirkung (um 23 % gesunkener EASI-Wert) nicht besser als mit dem Placebo (EASI um 27 % niedriger).
Mit der 0,5 mg je kg Dosis sank der EASI-Wert dagegen um 42 %, mit 2 mg je kg Körpergewicht um 41 %. Wie viel der Körperoberfläche betroffen war, änderte sich mit der niedrigsten Dosierung um 7,5 %, mit 0,5 mg um 20 %, mit 2 mg um 19 % – mit der Scheinbehandlung konnte allerdings auch eine Verbesserung um 16 % erreicht werden, hierbei hatte Nemolizumab also nicht denselben Effekt wie beim EASI-Wert.
Der Wirkstoff konnte also vor allem den Schweregrad der Erkrankung an betroffenen Hautstellen und auch den Juckreiz deutlich lindern. Aber war diese Wirkung mit Nebenwirkungen teuer erkauft? Von den Patienten, die monatlich eine Injektion erhielten, brachen 9 von 53 (17 %) mit der niedrigsten Dosierung (0,1 mg) vorzeitig die Studie ab.
Dieselbe Abbruchsquote fand sich in der 0,5 mg-Gruppe (9 von 54, entsprechend 17 %). Diese Zahlen waren identisch zur Placebogruppe, in der 9 von 53 Patienten (17 %) vorzeitig die Studie beendeten.
In der Gruppe mit der höchsten Dosierung (2 mg) beendeten interessanterweise die meisten Patienten die Studie: nur 7 von 52 Patienten, also 13 %, stiegen vorzeitig aus. Die Nebenwirkungen schienen also im Vergleich zur Wirkung verträglich genug zu sein, dass die Patienten zumindest für die 3-monatige Studie durchhielten.
Zusammenfassend zeigte sich in dieser Studie der Phase 2, dass Nemolizumab mit allen getesteten Dosierungen deutlich den Juckreiz infolge der Neurodermitis lindern konnte. Die Hemmung des Interleukin-31-Rezeptors trug also wesentlich zur Verbesserung des Gesundheitszustandes der Patienten bei.
Dosisabhängig konnten auch Verbesserungen im Hautbild, vor allem im Schweregrad der Erkrankung gefunden werden.
Die Studienaussage ist allerdings limitiert durch die relativ niedrige Patientenzahl und begrenzte Behandlungsdauer. Weitere Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von Nemolizumab sind also nötig.
Quelle:
beilit