TK: Trendwende in der oralen Verhütung?
Junge Frauen nehmen zur Empfängnisverhütung wieder häufiger Antibabypillen, die Gestagene der älteren Generationen enthalten.
Lag der Anteil von Erstverordnungen mit diesen bewährten Präparaten 2013 noch bei etwas über einem Drittel, so sind es jetzt mit 59 Prozent mehr als die Hälfte der Frauen, die mit einer dieser Pillen verhüten. Das ergab eine Auswertung von Routinedaten der Techniker Krankenkasse (TK). Die bewährten Präparate verhindern genauso gut eine Schwangerschaft wie die sogenannten neueren Generationen, haben aber ein geringeres Thromboserisiko.
"Die Pille ist grundsätzlich ein gutes Verhütungsmittel. Aber sie ist eben auch ein Medikament, das Nebenwirkungen hat und daher nicht bedenkenlos eingenommen werden sollte", so Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. "Wir freuen uns, dass die gesellschaftliche Debatte in den letzten Monaten anscheinend zu einem Umdenken geführt hat. Die bewährten Präparate spielen inzwischen offenbar wieder eine größere Rolle in der Versorgung."
"Wenn wir über Nebenwirkungen bei der Pille sprechen, sollten wir immer im Blick haben, dass es ja gesunde Frauen sind, die diese Medikamente einnehmen. Umso genauer müssen wir auf die Nebenwirkungen schauen", so Professor Dr. Gerd Glaeske, Zentrum für Sozialpolitik (ZeS)/SOCIUM, Uni Bremen und Autor des Pillenreports. "Es ist ein Mythos, dass neue oder moderne Pillen besonders niedrig dosiert und somit schonender sind. Zudem sind die 'neuen' Pillen meist gar nicht mehr wirklich neu, sondern auch schon mehrere Jahre auf dem Markt."
Drospirenon verliert an Bedeutung
Zu den Gestagenen der neueren Generation wird auch Drospirenon gezählt. Drospirenonhaltige Antibabypillen sind zunehmend in die Kritik geraten und derzeit auch Gegenstand einer Klage in Deutschland. Verhüteten im Jahr 2010 noch 18 Prozent der TK-versicherten Frauen zwischen 11 und 19 Jahren mit einer drospirenonhaltigen Pille, waren es 2016 nur noch drei Prozent.
Auch insgesamt verhüten immer weniger junge Frauen mit der kombinierten Antibabypille. 2014 waren es mit 74 Prozent der 19-Jährigen TK-versicherten Frauen noch knapp drei Viertel - 2016 mit 68 Prozent nur noch etwas mehr als zwei Drittel.
Auch wenn weniger junge Frauen mit der Antibabypille verhüten, so bedeutet das nicht zwangsläufig, dass auch weniger Frauen hormonell verhüten. Denn zunehmend rücken neben den Pillen auch die Hormonspirale, Depotpflaster oder Langzeit-Implantate in den Fokus. Sie entfalten ihre empfängnisverhütende Wirkung ebenfalls mit Gestagenen der verschiedenen Generationen. Wie bei der Einnahme von Gestagenen über die Pille können auch bei diesen Formen der Verhütung Nebenwirkungen wie zum Beispiel Thrombosen auftreten.
Beim Wechsel auch an bewährte Präparate denken
Bei den Frauen, die ihr Pillenpräparat wechseln, ist über einen längeren Zeitraum ebenfalls eine Trendumkehr zu beobachten. Mit 49 Prozent wechselten 2016 immer noch mehr Frauen von einem bewährten Präparat auf ein neues als umgekehrt (40 Prozent). 2013 wechselten noch 60 Prozent von bewährten Pillen zu neuen und nur 31 Prozent andersherum zu bewährten.
"Häufig finden die Wechsel zwischen den Präparaten in den ersten Wochen der Pilleneinnahme statt. Dabei sollte der Wechsel nicht zu früh erfolgen. Der Körper muss sich auf die hormonelle Veränderung einstellen und benötigt dafür bis zu drei Monate", so Glaeske. "Wenn in dieser Zeit auf ein anderes Präparat gewechselt wird, ist dieses dann nicht unbedingt verträglicher. Es kann auch sein, dass sich der Körper dann generell auf den hormonellen Eingriff durch die Pille eingestellt hat."
Aufklärungskampagnen der Industrie wurden angepasst
Einige Pharmaunternehmen haben in der Vergangenheit mit sogenannten Aufklärungskampagnen das Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel umgangen. Wie 2015 im Pillenreport der TK kritisiert, tauchten auf Internetseiten oder in sozialen Netzwerken häufig die Marketingbotschaften einzelner Pillenpräparate auf.
Im Fokus standen dabei Themen wie Lifestyle oder Beauty. Während die Auswirkungen von Pillen der neueren Generationen auf Haut und Haare ausführlich beschrieben wurden, kritisierten die Autoren im Pillenreport, dass die Pharmaunternehmen auf die Nebenwirkungen nur am Rande eingegangen sind. Mittlerweile sind die meisten dieser kritischen Kampagnen verschwunden oder entsprechend angepasst worden.
"Häufig wurden die Lifestyle-Effekte der neueren Präparate in den Vordergrund gerückt. Die Daten zeigen nun, dass die vermehrte Aufklärung und die gesellschaftliche Diskussion zu dem Thema offenbar etwas verändert haben", sagt Dr. Baas.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie direkt auf der Homepage der Techniker Krankenkasse unter www.tk.de