Ungewollt kinderlos – wie Ultraschall bei der Ursachensuche helfen kann
Rund jedes zehnte Paar zwischen 25 und 50 Jahren (1), das eigentlich gerne eine Familie gründen möchte, ist ungewollt kinderlos.
Wenn sich trotz intensiver Bemühung keine Schwangerschaft einstellt oder sich Fehlgeburten häufen, ist das für die Betroffenen sehr belastend – und dies umso mehr, je länger die Ursache für den unerfüllten Kinderwunsch im Dunkeln liegt.
Ungewollte Kinderlosigkeit kann viele Ursachen haben.
Diese können sowohl beim Mann als auch bei der Frau liegen und reichen von organischen über hormonelle und psychische bis hin zu Lebensstilfaktoren. Entsprechend schwierig gestaltet sich oft die Suche nach der einen, im individuellen Fall maßgeblichen Ursache.
„Gerade im gynäkologischen Bereich steht uns jedoch mit dem Ultraschall ein einfaches und schonendes diagnostisches Verfahren zur Verfügung“, sagt Professor Dr. med. Markus Hoopmann, Leiter der gynäkologischen Sonografie an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Tübingen.
Angeborene oder neu entstandene Auffälligkeiten an der Gebärmutter oder an den Eierstöcken, die einer Schwangerschaft im Wege stehen, lassen sich mithilfe der sonografischen Bildgebung meist zuverlässig feststellen. Dennoch werde die Rolle des Ultraschalls nach wie vor unterschätzt, so Hoopmann. Die Technik werde häufig erst sehr spät eingesetzt, der Leidensweg der Paare damit unnötig verlängert.
Beispiel Endometriose
Als Beispiel für eine gynäkologische Erkrankung, bei der der Mangel an gezielter Diagnostik besonders deutlich werde, nennt Hoopmann die Endometriose. Diese Erkrankung, die acht bis 15 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter (2,3,4) betrifft, ist durch Absiedelungen der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter gekennzeichnet.
Je nach Lage und Ausmaß dieser Endometrioseherde leiden die betroffenen Frauen unter mehr oder weniger starken chronischen Schmerzen und häufig auch unter ungewollter Kinderlosigkeit.
„Ab dem Beginn der Beschwerden vergehen im Durchschnitt sechs bis zehn Jahre, bis eine Endometriose diagnostiziert wird“, so der Tübinger Gynäkologe (5,6).
Bei ausgeprägten Beschwerden oder unerfülltem Kinderwunsch könne es sinnvoll sein, die Endometrioseherde operativ zu entfernen. Nicht nur bei der Diagnose, auch bei der Planung einer solchen Operation komme dem Ultraschall eine wichtige Rolle zu. Sowohl die Lage der Herde als auch ihre Ausdehnung lasse sich recht zuverlässig per Ultraschall bestimmen, sodass die Technik die Entscheidung zwischen einem minimal-invasiven Eingriff oder einer aufwendigeren offenen Operation effektiv unterstützen könne.
Beispiel Gebärmutter- und Eierstockerkrankungen
Auch angeborene Fehlbildungen der Gebärmutter können eine Schwangerschaft erschweren. Häufig liegen sogenannte Septen – also Trennwände – in der Gebärmutterhöhle vor, oder die Gebärmutter ist im oberen Bereich doppelt angelegt.
„Vor Beginn der Familienplanung bleiben diese Besonderheiten meist unbemerkt“, sagt Hoopmann. Bei unerfülltem Kinderwunsch fänden sie sich jedoch bei bis zu sieben Prozent, bei wiederholten Fehlgeburten sogar bei bis zu 17 Prozent der betroffenen Frauen (7).
Auch hier könne mithilfe einer einfachen und nicht-invasiven Ultraschalluntersuchung Klarheit gewonnen und die Möglichkeiten einer operativen Behandlung ausgelotet werden.
Nicht zuletzt wird das Thema Fruchtbarkeit auch bei Wucherungen an den Eierstöcken tangiert, obwohl diese den Kinderwunsch nicht direkt betreffen müssen.
„Raumforderungen an den Eierstöcken, die nicht mit den normalen zyklischen Veränderungen erklärt werden können, sollten immer diagnostisch abgeklärt werden“, betont Hoopmann.
Der erste Schritt hierbei sei idealerweise eine nicht-invasive transvaginale Ultraschalluntersuchung. Diese sei extrem hilfreich, um eine potenziell bösartige Wucherung vorab zu bestimmen und daraufhin die Operation planen zu können.
Während eine kanzeröse Veränderung großzügig entfernt werden muss, kann eine gutartige Wucherung deutlich schonender angegangen werden.
Sollte sich eine schonend operierte Wucherung jedoch im Nachgang doch als bösartig herausstellen, ist die Gefahr groß, dass durch den Eingriff Tumorzellen in die Bauchhöhle verschleppt wurden.
Auf der anderen Seite ist die Entfernung größerer Teile oder eines ganzen Eierstocks bei Frauen im gebärfähigen Alter immer kritisch abzuwägen.
Die Art der Wucherung per Ultraschall zuverlässig einschätzen zu können, erleichtert somit die Abwägung zwischen dem Erhalt des Eierstocks aus Gründen des Kinderwunsches und der Entfernung desselben, um onkologische Sicherheit zu erzielen.
„In den Händen eines erfahrenen Experten können hier Erkennungsraten von 97 Prozent erreicht werden“, sagt Hoopmann – ein besonders beeindruckendes Beispiel für die Leistungsfähigkeit der modernen Ultraschalldiagnostik (8,9).
Quelle:
Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) vom 28. November 2022
Quellenangaben:
1 Nik Hazlina et al.: Worldwide prevalence, risk factors and psychological impact of infertility among women: a systematic review and meta-analysis. BMJ 2022
2 Shafrir et al et al.: Risk for and consequences of endometriosis: a critical epidemiologic review. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol 2018
3 Sarria-Santamera et al.: Systematic Review and Meta-Analysis of incidence and prevalence of endometriosis, Healthcare 2020
4 Moradi et al.: A systematic review on the prevalence of endometriosis in women. Indian J Med Res 2021
5 Keckstein et al.: Expert opinion on the use of transvaginal sonography for presurgical staging and classification of endometriosis, Arch Gynecol Obstet 2022
6 Horne and Missmer: Pathophysiology, diagnosis, and management of endometriosis, BMJ 2022
7 Oppelt et al.: Diagnosis and Therapy of Female Genital Malformations (Part 1). Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S2k Level, AWMF Registry Number 015/052). Geburtshilfe Frauenheilk 2021)
8 Meys et al.: Subjective assessment versus ultrasound models to diagnose ovarian cancer: A systematic review and meta-analysis, Eur J Cancer 2016
9 Valentin et al.: Adding a single CA 125 measurement to ultrasound imaging performed by an experienced examiner does not improve preoperative discrimination between benign and malignant adnexal masses, Ultrasound Obstet Gynecol 2009