Magen in Schwung
Ein Magenschrittmacher bringt das Verdauungsorgan wieder in Bewegung – Erlanger Chirurgen haben bundesweit die meiste Erfahrung
Die Muskeln in Magen und Darm müssen sich koordiniert bewegen, damit die Nahrung richtig verdaut werden kann. Diese Bewegung der Verdauungsorgane – die Motilität – sorgt dafür, dass sich der Speisebrei mit den Verdauungssäften vermischt und „portionsweise“ Stück für Stück weiter durch den Verdauungstrakt rutscht.
Doch Erkrankungen wie Diabetes oder Nervenschädigungen beeinträchtigen diese Beweglichkeit und lähmen den Magen manchmal sogar ganz. Ein kleiner Magenschrittmacher bringt jetzt wieder Schwung in die Verdauung. Die Operateurinnen und Operateure der Chirurgischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Robert Grützmann) des Universitätsklinikums Erlangen versorgen Patientinnen und Patienten aus ganz Deutschland mit dieser innovativen Therapie.
Die Muskeln im Verdauungstrakt können nicht willentlich bewegt werden. Ihre Kontraktionen steuert ein eigenes Nervengeflecht – das enterische Nervensystem, das unabhängig vom zentralen Nervensystem arbeitet.
„Ein Diabetes mellitus beispielweise kann diese Nerven dauerhaft schädigen, den Magen lähmen und seine Entleerung stören“, erklärt Oberarzt Dr. Christian Krautz von der Chirurgie des Uni-Klinikums Erlangen. „Eine andere Ursache für eine Magenlähmung ist ein geschädigter Nervus vagus. Dieser Nerv ist sozusagen das ‚Hauptstromkabel‘ des Magens. Ist er defekt, zum Beispiel infolge einer Operation, kontrahieren die Magenmuskeln nicht mehr“, beschreibt der Experte.
Das Resultat: Die Nahrung verharrt stundenlang im Magen, es folgen Völlegefühl, Schmerzen, Übelkeit, Durchfälle und Erbrechen.
Mehr als 20 Prozent aller OPs in Erlangen
Die Magenlähmung ist zunächst mit Diäten therapierbar sowie mit Medikamenten, die die Magenentleerung fördern. Zudem können Chirurginnen und Chirurgen den Magenausgang erweitern und so den Abtransport der Nahrung erleichtern. Helfen alle diese Maßnahmen nicht, gibt es dennoch Hoffnung für Patientinnen und Patienten: Ihnen kann ein Magenschrittmacher eingesetzt werden.
Ärztinnen und Ärzte implantieren das fünf mal sechs Zentimeter kleine Gerät meist im Unterbauch unter die Haut und verbinden seine zwei Elektroden mit den Muskeln der Magenwand. Leichte elektrische Impulse – ausgehend vom Neurostimulator im Unterbauch – regen dann den Magen wieder zur Bewegung an.
„Über ein Programmiergerät außerhalb des Körpers passen wir die Intensität der elektrischen Impulse für jede Patientin und jeden Patienten genau an“, sagt Christian Krautz. „Die Therapie ist reversibel – das heißt: Wir können die Impulse reduzieren, den Schrittmacher bei Nebenwirkungen abschalten oder sogar wieder entfernen.“
Deutschlandweit wird jährlich rund 40 Patientinnen und Patienten ein Magenschrittmacher implantiert – im Jahr 2018 waren es allein am Uni-Klinikum Erlangen 13 Geräte.
Ein Koch mit Übelkeit und Völlegefühl
Eines davon erhielt Armin Bott aus Bad Kissingen. Jahrzehntelang hatte der Patient mit Sodbrennen zu kämpfen, nahm über 15 Jahre lang Magensäureblocker ein. Seine Speiseröhre war dauerentzündet und voller Polypen. Grund für Armin Botts Beschwerden war ein Zwerchfellbruch, bei dem ein Teil des Magens durch eine Öffnung in der Muskel-Sehnen-Platte hindurch in den Brustraum gerutscht war.
„Weil der Magen so weit oben ‚hing‘, kam ‚unten‘ im Bauch kein Sättigungsgefühl an. Also hatte ich permanent Hunger“, erklärt der heute 54-Jährige.
Daraufhin wurde Armin Bott zweimal operiert und die Ärzte verschlossen das geöffnete Zwerchfell mit einem Kunststoffnetz.
Kurzzeitig schien sich alles zu bessern, doch dann erhielt der Patient schlechte Nachrichten: Sein Vagus-Nerv war funktionsunfähig geworden – der Magen bewegte sich nicht mehr. Armin Bott musste häufig erbrechen, er litt unter starkem Völlegefühl und Übelkeit. „Ich bin Koch von Beruf. Das geht kaum, wenn man sich permanent übergibt und man eigentlich gar kein Essen mehr probieren will. Da bekommt man schon Existenzängste“, berichtet er.
Im Rahmen einer minimalinvasiven 60-minütigen Operation setzten die Erlanger Chirurgen dem Patienten schließlich im Mai 2018 einen Magenschrittmacher ein.„Seitdem sind Sodbrennen und Erbrechen wesentlich weniger geworden und die Entzündungen sind zurückgegangen“, sagt Armin Bott zufrieden.
Auch satt werde er wieder – und das schon nach einem halben bis einem ganzen Brötchen. Seinen Beruf übt Armin Bott noch immer aus. Er ernährt sich heute bewusster und ausgewogener.
„Chips und O-Saft nimmt mir meine Verdauung übel, aber mit solchen kleinen Einschränkungen kann ich leben – die sind kein Vergleich zu den Strapazen vorher“, sagt er. Alle sechs Monate kommt Armin Bott in die chirurgische Sprechstunde nach Erlangen, um die Intensität seines Magenschrittmachers anpassen zu lassen – Stück für Stück wird die Stärke der Stromimpulse erhöht, bis das ideale Level erreicht ist.
„Das Gerät spüre ich nicht. Ich bin froh, dass wir diesen Schritt gemacht haben“, freut sich der Patient.
Quelle:
Mitteilung des Universitätsklinikums Erlangen vom 22. Januar 2020