Zu wenig Gefäßdiagnostik bei chronischen Wunden
Früher Gang zum Spezialisten kann Amputation verhindern
Durchblutungsstörungen in Venen und Arterien sind die häufigste Ursache von chronischen Wunden an den Beinen, dabei könnte eine gezielte Behandlung die Abheilung beschleunigen und eine Amputation verhindern.
Dennoch wird in Deutschland zu häufig auf eine Gefäßdiagnostik verzichtet, kritisiert die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) anlässlich ihrer 35. Jahrestagung in Mannheim.
Patienten mit offenen Beinwunden, die innerhalb von drei Monaten nicht abgeheilt sind, sollten deshalb einen Gefäßchirurgen aufsuchen, rieten DGG-Experten auf einer Pressekonferenz am 17. Oktober in Mannheim.
Sogenannte offene Beine sind in Deutschland eine Volkskrankheit. Schätzungsweise 800.000 Menschen leiden unter einem Ulcus cruris. Auslöser sind meist Durchblutungsstörungen in Venen oder Arterien.
Nach den Auswertungen von Krankenkassendaten werden zwei Drittel der Erkrankungen durch Störungen in den Beinvenen verursacht, bei fast einem Fünftel liegen Durchblutungsstörungen in den Arterien vor. Bei einigen Patienten sind auch beide Systeme betroffen.
„Insgesamt lassen sich vier von fünf offenen Beinen auf Erkrankungen der Blutgefäße zurückführen“, sagt Dr. med. Holger Diener vom Herz- und Gefäßzentrum des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.
Für den Leiter der Kommission Wundmanagement bei der DGG sollte deshalb vor Beginn der Behandlung immer eine Untersuchung der Blutgefäße erfolgen. Doch diese Gefäßdiagnostik wird in Deutschland häufig nicht durchgeführt.
So geht aus den Statistiken der Krankenkassen hervor, dass in den drei Monaten vor und nach dem Aufbrechen der Wunde nur bei einem Viertel der Patienten wenigstens eine gefäßdiagnostische Maßnahme abgerechnet wird. Häufig beschränken sich die Hausärzte auf die Bestimmung des Knöchel-Arm-Index: Ist der Blutdruck in den Beinen niedriger als im Arm, weist dies auf eine Durchblutungsstörung hin.
„Auf eine erweiterte Diagnostik mit Ultraschall oder Kontrastmitteln wird jedoch häufig verzichtet“, kritisiert Diener. Dabei steigen mit Duplexsonografie und Angiografie, die eine gezielte Therapie ermöglichen, die Chancen auf Wundheilung. „Wie eine Untersuchung zeigt, kommt es um 30 Prozent häufiger und schneller zur Abheilung der offenen Beine, wenn eine Gefäßdiagnostik erfolgt“, sagt Diener.
Die Therapie besteht bei arteriellen Störungen in einer minimalinvasiven Katheterbehandlung oder in einer Operation, die die Verkalkungen aus den Gefäßwänden entfernt. Manchmal legen Gefäßchirurgen auch Bypässe an den Beinen.
„Diese Gefäßinterventionen werden in Deutschland aber zu selten durchgeführt“, betont Professor Dr. med. Dittmar Böckler, Präsident der DGG.
Selbst bei einer nachgewiesenen arteriellen Verschlusskrankheit würden nur etwa 70 Prozent behandelt. Bei Menschen mit Diabetes, die an einer Wunde am Fuß und unter Durchblutungsstörungen leiden, liegt der Anteil bei unter 20 Prozent.
„Dabei ist das Risiko von Amputationen bei Diabetespatienten besonders hoch“, gibt Böckler zu bedenken.
Auch Patienten mit Venenerkrankungen, die Ärzte sprechen von einer chronisch-venösen Insuffizienz (CVI), erhalten nur selten die notwendige Behandlung. Sie besteht zunächst in der Verordnung von Kompressionsstrümpfen, die offene Beine verhindern können.
„Nach einer Datenanalyse der Barmer GEK wird nur bei 17,4 Prozent der Patienten mit CVI vor Auftreten einer Wunde eine adäquate Kompressionstherapie durchgeführt“, berichtet Diener.
Liegt ein Ulcus cruris vor, steige der Anteil auf 33,6 Prozent, was ebenfalls zu wenig sei.
„Die Kompressionstherapie fördert die Abheilung eines Ulcus cruris venosum und ist deshalb zentraler Bestandteil der Behandlung“, so Diener.
Für die Patienten ist die Behandlung eines Ulcus cruris eine frustrierende, weil langwierige Angelegenheit. „Hausärzte und Allgemeinmediziner fühlen sich in der Behandlung chronischer Wunden häufig unsicher“, sagt der Hamburger Gefäßchirurg.
„Untersuchungen zeigen, dass die Heilungschancen um elf Prozent steigen, wenn wenigstens ein wundrelevanter Facharzt in die Behandlung einbezogen wird.“
Die DGG bemüht sich, die Versorgungslücken zu schließen.
Im vergangenen Jahr wurde die Kampagne „Ihre Wunde in unsere Hände“ gestartet.
Offene Beine, die trotz Behandlung innerhalb von drei Monaten nicht abgeheilt sind, sollten einem Gefäßchirurgen vorgestellt werden.
„Er kann alles aus einer Hand anbieten“, erläutert Diener. „Von der Diagnostik und konservativen Therapie über die Wundheilung bis hin zu minimalinvasiven Eingriffen, offenen Operationen und einfachen plastischen Deckungsmaßnahmen, bei denen Haut verpflanzt wird, um die Wunde zu verschließen.“
Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG)