Natron zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen?

Der Effekt von Natron bei der Behandlung von chronischen Nierenerkrankungen machte Forscher neugierig.

In klinischen Studien half eine tägliche Dosis Speisenatron nicht nur gegen die Übersäuerung des Bluts der Patienten, sondern auch das Fortschreiten der Erkrankung wurde verlangsamt.

Die Wissenschaftler fragten sich: Wie kann der Hauptbestandteil von handelsüblichem Backpulver das schaffen? Ihre Ergebnisse weisen nicht nur auf bisher unbekannte Kommunikationswege in unserem Körper hin, sondern deuten auch darauf hin, dass Natron dazu beitragen könnte, das Immunsystem zu besänftigen.

Die Forscher der Medizinischen Hochschule der Augusta-Universität im amerikanischen Bundesstaat Georgia untersuchten an Ratten mit Nierenerkrankung, welchen Einfluss Natron auf die Tiere hatte. Ihre Theorie: Das Verzehren von Natron stimuliert Signalwege der Milz, die zu einer eher entzündungshemmenden Ausrichtung des Immunsystems führen. Nach zwei Wochen Natrontherapie stellten die Forscher Veränderungen in Nieren, Milz und Blut der Ratten fest: Die Zusammensetzung der Immunzellen hatte sich überall verändert. Statt vieler entzündungsfördernder Immunzellen fanden sie nun mehr Immunzellen, die entzündungshemmend wirkten. Dadurch scheint sich, zumindest im Modell, die Verlangsamung der Erkrankung erklären zu lassen.

Effekt auch beim Menschen nachweisbar
Diesen Effekt fanden die Forscher auch, wenn sie den Versuch mit gesunden Ratten wiederholten. Als Nächstes ließen die Forscher Medizinstudenten Wasser mit Speisenatron trinken. Es wird so schon lange als Hausmittel gegen Sodbrennen eingesetzt. Sie sahen auch im Blut der Studenten den Umschwung hin zu mehr entzündungshemmenden und regulatorischen Immunzellen, die das Immunsystem im Zaum halten. Dieser Effekt hielt bei den Studenten mindesten vier Stunden an, bei den Ratten drei Tage.

Spezielle Zellen kommunizieren mit der Milz
Die Forscher fragten sich, wie das zustande kommen konnte. Was sie entdeckten war: Nimmt man Natron zu sich, wird der Magen angeregt, mehr Magensäure zu produzieren, um mögliche Nahrung zu verdauen. Das ist auch das Signal für eine besondere Form von Zellen, der mesothelialen Zellen, der Milz zu signalisieren, sie brauche keine Immunantwort starten, es ist nur etwas zu Essen, was da gleich reinkommt.

Die mesothelialen Zellen sind noch wenig erforscht. In unseren Körperhöhlen bilden sie eine dünne Schicht, die sie auskleidet, und umhüllen unsere Organe. Seit etwa zehn Jahren ist bekannt, dass sie dort nicht einfach nur dazu dienen, dass unsere Organe bei Bewegung nicht aneinander reiben, sondern, dass sie auch die Umgebung überwachen, und dem Organ, auf dem sie sitzen, signalisieren können, wenn es Eindringlinge gibt und eine Immunantwort gestartet werden sollte. Sie helfen also dabei, unsere Organe zu schützen.

Die Milz ist Teil des Immunsystems. Sie filtert Blut und speichert einen Teil der Immunzellen, z. B. die als Fresszellen bekannten Makrophagen. Auch auf ihr sitzen mesotheliale Zellen. Die Kommunikation zwischen Milz und mesothelialen Zellen funktioniert über den Botenstoff Acetylcholin, der auch von Nervenzellen ausgeschüttet wird.

Mesotheliale Zellen verhielten sich ähnlich wie Nervenzellen
Die Veränderungen der Zusammensetzung der Immunzellen führen die Forscher auf diese Kommunikation zwischen mesothelialen Zellen und Milz zurück. Sie entdeckten bei ihren Untersuchungen an Ratten, dass sich die Zellen ähnlich wie Nervenzellen verhielten, ohne Nervenzellen zu sein.

Entfernten sie die Milz oder verschoben diese bei Untersuchungen, ging der entzündungshemmende Effekt verloren, vermutlich durch eine Unterbrechung feiner Verbindungen der mesothelialen Zellen untereinander. Diese lokale Kommunikation zwischen Magen und Milz durch die mesothelialen Zellen könnte erklären, wie Natron dazu beitragen kann, das Immunsystem stärker entzündungshemmend auszurichten.

Forscher hoffen auf neue Ansätze zur Behandlung entzündlicher Erkrankungen
Die Wissenschaftler aus Georgia hoffen, dass in Zukunft Natron bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden könnte. Damit wäre es auch für Menschen mit Multipler Sklerose interessant. Um diese Prozesse genauer zu verstehen, bedarf es aber zunächst weiterer Forschung. Vielleicht helfen in Zukunft die mesothelialen Zellen und Natron dabei, das Immunsystem wieder ins Lot zu bringen.

Quelle:
Pressemitteilung der Augusta University „Drinking baking soda could be an inexpensive, safe way to combat autoimmune disease“ vom 25.04.2018

Original Titel:
Oral NaHCO3 Activates a Splenic Anti-Inflammatory Pathway: Evidence That Cholinergic Signals Are Transmitted via Mesothelial Cells

Link zum Original Titel - http://www.jimmunol.org/content/200/10/3568

Referenzen:
Ray SC, Baban B, Tucker MA, Seaton AJ, Chang KC, Mannon EC, Sun J, Patel B, Wilson K, Musall JB, Ocasio H, Irsik D, Filosa JA, Sullivan JC, Marshall B, Harris RA, O’Connor PM. Oral NaHCO3 Activates a Splenic Anti-Inflammatory Pathway: Evidence That Cholinergic Signals Are Transmitted via Mesothelial Cells. J Immunol. 2018 May 15;200(10):3568-3586. doi: 10.4049/jimmunol.1701605. Epub 2018 Apr 16.