Das Alter beeinträchtigt zelluläre Müllabfuhr

Das Eiweißmolekül Ferritin ist ein wichtiger Eisenspeicher des menschlichen Körpers.

Wie eine Studie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) nun zeigt, lassen sich die höheren Ferritin-Gehalte gealterter Zellen auch auf einen gestörten Ferritin-Transfer zu und in die Lysosomen zurückführen, die einen Großteil des ständig anfallenden Zellmülls entsorgen.

„Man kann sich Lysosomen als kleine membranumhüllte Räume in der Zelle vorstellen, in denen Molekül- und Zellschrott enzymatisch abgebaut und recycelt wird“, erklärt Studienleiter Tilman Grune. Die Ergebnisse geben einen neuen Einblick in die molekularen Mechanismen, die mit der Alterung menschlicher Zellen verbunden sind.

Das Forscherteam um Erstautorin Christiane Ott und Tilman Grune vom DIfE veröffentlichte seine Resultate nun in den Fachzeitschriften Free Radical Biology and Medicine (Ott et al. 2016; DOI:10.1016/j.freeradbiomed.2016.10.492) und Redox Biology (Ott et al. 2016; DOI:10.1016/j.redox.2016.10.015).

Damit Zellen gesund und funktionstüchtig bleiben, sorgen zelleigene Müllentsorgungsanlagen dafür, veränderte oder kaputte Eiweißmoleküle permanent aus den Zellen zu entfernen. Zum einen gibt es das proteasomale* und zum anderen das lysosomale System. Wie seit langem bekannt ist, nimmt mit zunehmender Zellalterung die Leistungsfähigkeit der zellulären Müllentsorgungssysteme ab, wodurch sich vermehrt beschädigte und veränderte Eiweißmoleküle in den Zellen anhäufen. Dieser molekulare Abfall belastet die Zellen, wobei sich die wissenschaftlichen Hinweise mehren, dass er das Entstehen altersbedingter Krankheiten wie Diabetes, Alzheimer, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt.

Derzeit ist noch sehr wenig über die genauen molekularen Mechanismen bekannt, die die zelluläre Müllbeseitigung im Alter beeinträchtigen. Daher untersuchten die Forscher in der aktuellen Studie diese Mechanismen am Beispiel des Ferritins mit Hilfe menschlicher Bindegewebszellen der Haut. Die Wissenschaftler ließen hierzu Zellen in Petrischalen wachsen. An diesen führten sie verschiedene molekularbiologische und mikroskopische Untersuchungen durch. Einerseits analysierten sie junge, nur kurz in der Petrischale gewachsene Zellen, und andererseits gealterte Zellen, die bereits altersspezifische Merkmale aufwiesen.

„Wie unsere Ergebnisse zeigen, ist sowohl in jungen als auch in alten Zellen hauptsächlich das lysosomale System für den Ferritinabbau verantwortlich und nicht das proteasomale. Erstaunlicher Weise beobachteten wir aber nicht, dass die Anhäufung des Ferritins in den alten Zellen auf eine verringerte Zahl oder verminderte Aktivität der Lysosomen zurückzuführen war“, sagt Christiane Ott.

„Sondern wir konnten nachweisen, dass hierfür ein gestörter Ferritin-Transport zu den Lysosomen verantwortlich ist, da die alten Zellen bestimmte Transportproteine nicht mehr in ausreichender Mengen produzieren. Wie wir zudem feststellten, nahm auch die Anzahl der Proteine deutlich ab, die bei der Verpackung des Ferritins in sogenannte Autophagosomen eine Rolle spielen“, berichtet die Nachwuchswissenschaftlerin weiter.

Ein Autophagosom sei im Prinzip ein Membransäckchen, in welche die Zelle abzubauenden Müll stecke, um ihn ins Innere des Lysosoms einschleusen zu können, wo dann der Abbau stattfindet.

„Nach unseren Ergebnissen ist die Beeinträchtigung des Verpackungsvorgangs zudem auf eine größere Aktivität des Signalmoleküls mTOR zurückzuführen“, erklärt Grune, der am DIfE nicht nur die Abteilung Molekulare Toxikologie leitet, sondern auch wissenschaftlicher Vorstand des Instituts ist.

Eine Beobachtung, die sich mit den Resultaten anderer Forscher deckt und die die Wissenschaftler auch durch Untersuchungen am Gehirn der Maus bestätigen konnten. Vereinfacht könne man die Studienergebnisse so zusammenfassen: Nicht die eigentliche Müllentsorgungs- und Recyclinganlage sei in den gealterten Zellen beeinträchtigt, sondern die Müllabfuhr und Verpackung funktioniere nicht mehr richtig, ergänzt Ott.

Inwieweit die größeren Ferritin-Mengen die alten Zellen beeinträchtigen, können die Forscher noch nicht sagen.

Weitere Untersuchungen seien aber geplant, die den Zusammenhang zwischen solchen altersbedingten zellulären Veränderungen und dem Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersuchen sollen.


Hintergrundinformationen:
* Das proteasomale System besteht hauptsächlich aus dem Proteasom, einem eiweißabbauenden Enzym, das aus mehreren Untereinheiten besteht. Es ist ein großer, röhrenförmiger Proteinkomplex, der zwar im Zellinneren, aber außerhalb der Lysosomen beschädigte oder veränderte Eiweißmoleküle unter Energieverbrauch zu kleineren Bruchstücken abbaut, um deren Anhäufung in der Zelle zu verhindern. Damit die Moleküle abgebaut werden können, müssen sie häufig vorher durch Ubiquitin markiert (ubiquitiniert) werden. Nach der Ubiquitinierung gelangen die Eiweißmoleküle zum Proteasom und werden während der Aufnahme in die 20S-Untereinheit des Proteasoms entfaltet und dort in Bruchstücke gespalten, die wieder aus dem Proteasom freigesetzt werden (Quelle: DocCheck Flexikon).

Ferritin-Moleküle (auch als Depot-Eisen bekannt) befinden sich zum überwiegenden Teil im Zellplasma und spielen bei Säugern eine wichtige Rolle für den Eisenstoffwechsel. Die scheibenförmigen, großen Moleküle sind aus 24 Untereinheiten zusammengesetzt. Beim Menschen ist ein Ferritin-Molekül mit bis zu 4.000 Eisen-Ionen bestückt, die durch die enzymatische Fähigkeit des Ferritins von zweiwertigem Eisen in dreiwertiges überführt wurden. Benötigt der Körper Eisen, so kann es je nach Bedarf aus diesem zellulären Eisenspeicher freigesetzt werden. Die Eisenspeicherung durch Ferritin ist zudem notwendig, um die Bildung stark zellschädigender Moleküle zu verhindern, zu denen freies Eisen leicht mit anderen reaktiven Substanzen reagiert, die zum Beispiel bei Stoffwechselprozessen anfallen.
 
Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

Die Leibniz-Gemeinschaft
verbindet 88 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,6 Milliarden Euro.

Quele:
Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE) - www.dife.de