„Ana war wie eine Freundin für mich“

... die Verherrlichung von Magersucht und Suizid im Netz

Immer mehr Internetangebote propagieren Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie

Im Internet tummeln sich zunehmend Webseiten und Foren, die selbstverletzendes oder selbstzerstörerisches Verhalten wie Magersucht, Bulimie oder sogar Suizid verherrlichen.

Gefährdete Jugendliche, die nach Hilfe suchen, werden dadurch in ihrer Krankheit bestätigt und erhalten Tipps zum Weitermachen statt dringend benötigter Hilfe.

Was genau wird auf diesen Plattformen kommuniziert? Welche Gefahren entstehen dadurch und wie kann man Jugendliche vor diesen Angeboten schützen?

„Ana“ und „Mia“
Rund 20 Prozent der 11- bis 17-Jährigen in Deutschland zeigen Anzeichen einer Essstörung. Doch Magersucht und Bulimie, die folgenschwersten Formen, sind oft nicht einfach zu erkennen, da die Betroffenen ihre Probleme vor ihrem Umfeld verbergen. Häufig beginnt die Krankheit in der Pubertät.

Auf zahlreichen Webseiten und in Foren werden Magersucht und Bulimie bewusst verherrlicht oder verharmlost.

Die Angebote werden ebenso wie die Anhängerinnen und Anhänger verniedlichend als „Pro-Ana“ (= Anorexia nervosa, Magersucht) und Pro-Mia (= Bulimia nervosa, Ess-Brech-Sucht) bezeichnet.

Typisch für Pro-Ana/-Mia ist eine mangelnde Krankheitseinsicht, die Glorifizierung der Essstörung als anzustrebender Lebensstil und die Verharmlosung jeglicher Risiken. Die Anhängerinnen und Anhänger kennen die Inhalte in der Regel auswendig und halten sich strikt daran. Bei einem Verstoß strafen sie sich mit exzessivem Sport, Erbrechen und weiterem Fasten.

Online werden sie von anderen Betroffenen unterstützt und ermutigt. Auf diese Weise suggeriert die Internetgemeinschaft ein gefährliches „Wir-Gefühl“, das häufig als Ersatz für den sozialen Umgang im Familien- und Freundeskreis dient.

Typische Inhalte von Pro-Ana/-Mia-Angeboten
Pro-Ana/-Mia-Angebote sind auf Websites, in Foren, Blogs, Sozialen Netzwerken und Videoportalen zu finden. Sie animieren Jugendliche und Heranwachsende zum Ausprobieren und Nachahmen.

Folgende Inhalte sind besonders bedenklich und können Hinweise auf ein Pro-Ana-/-Mia-Angebot sein:

Ana’s und Mia’s Brief:

Die Essstörung (Ana oder Mia) stellt sich in einem persönlichen Brief als einzig wahre Freundin dar. Sie motiviert, beschimpft und droht den Betroffenen mit Sätzen wie

  • „Ich werde dich an deine Grenzen treiben“,

  •  „Wenn du isst, wirst du die Kontrolle verlieren“ oder

  • „Du fette Kuh verdienst es, Schmerzen zu haben“

  • „Thinspirations“: Fotos und Videos von Schlankheitsidealen, anderen Betroffenen oder extrem schlanken Models als Inspiration zum Dünnsein („thin“: engl. dünn)

  • Gebote, Gesetze, Glaubensbekenntnisse und Psalme: Verhaltensanweisungen in Form von strikten (Glaubens-)regeln

  • Tipps und Tricks zum Abnehmen und zur Geheimhaltung der Essstörung

  • Motivations- und Hilfsangebote, z. B. Ess-/Gewichtstagebuch, Abnehm-Wettbewerbe, Unterstützung bei der Suche nach Abnehmpartnerinnen und -partnern („Twins“), Motivationsverträge

  • Pro-Ana-/-Mia-Forum: Austausch mit anderen Pro-Anas/-Mias, häufig mit passwortgeschütztem Zugang

Warnsignale bei einer Essstörung

Folgende Verhaltensauffälligkeiten können Anzeichen für eine Essstörung sein:

  • Veränderungen im Essverhalten

  • ständige Gewichtskontrolle

  • deutlicher Gewichtsverlust oder starke Gewichtsschwankungen

  • häufiges Erbrechen

  • exzessiver Sport

  • sozialer Rückzug

  • Ausreden, um nichts essen zu müssen oder das gemeinsame Essen zu verpassen

Suizid-Propaganda
Während die Verherrlichung von Essstörungen zu ernsten gesundheitlichen Problemen führen kann, gehen andere Webseiten noch einen Schritt weiter: Jugendschützer warnen immer eindringlicher vor Internetangeboten und -foren, die gezielt Selbstmord propagieren.

Es gibt eine ganze Reihe von Angeboten, die Suizid als alleinige Problemlösung verherrlichen und selbstmordgefährdete Jugendliche in ihrer Absicht bestärken.

Gerade für labile Jugendliche, die in ihrer Persönlichkeit noch nicht gefestigt sind, kann das lebensgefährlich werden.

Suizidforen können allerdings nicht generell als jugendgefährdend eingestuft werden – in einigen dieser Foren finden Betroffene auch professionelle Unterstützung durch Fachleute. Suizidforen sind dann jugendgefährdend, wenn

  • sie konkrete Anleitungen, Ankündigungen oder Verabredungen zur Selbsttötung präsentieren,

  • sich Gesprächspartner über die effektivsten Methoden der Selbsttötung austauschen oder

  • sie Jugendliche unmissverständlich zu suizidalen Handlungen auffordern.

Viele Jugendliche stellen sich in der schwierigen Phase der Pubertät die Frage nach dem Sinn des Lebens

Warnsignale bei Suizidgefahr
Folgende Verhaltensauffälligkeiten können darauf hindeuten, dass Jugendliche selbstmordgefährdet sind:

  • häufiger Konsum von Alkohol oder Drogen

  • verändertes Essverhalten

  • Gewalttätigkeit, rebellisches Verhalten, Weglaufen, Herumstreunen

  • Vernachlässigung des äußeren Erscheinungsbildes (inkl. Kleidung)

  • andauernde Langeweile, Konzentrationsschwierigkeiten und/oder Nachlassen der schulischen Leistungen

  • Rückzug aus Familie, Freundeskreis oder Sportverein

  • Desinteresse an gemeinsamen Aktivitäten

  • Abwehr von Lob und Anerkennung

  • Ablehnung von Geschenken

  • Verschenken von geliebten Gegenständen oder Haustieren

  • Klagen über psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Übelkeit oder Müdigkeit

  • Plötzliche Fröhlichkeit nach einer depressiven Phase

Was Angehörige und Freunde tun können
Wenn Sie eine Essstörung oder Selbstmordgefahr vermuten, bedrängen Sie die Betroffene oder den Betroffenen nicht mit Appellen, Forderungen oder Zwängen. Versuchen Sie stattdessen, das Selbstwertgefühl des/der Betroffenen zu stärken negative Kommentare über Gewicht oder Aussehen zu vermeiden.

Wichtig ist, Verständnis und Gesprächsbereitschaft zu signalisieren, ohne sich dabei aufzudrängen. Beobachten Sie wenn möglich auch das Internetverhalten: Surfen die Betroffenen auf Pro-Ana/-Mia-Webseiten oder besuchen bedenkliche Suizidforen, sollten diese Angebote unbedingt dem Jugendschutz oder der Internet-Beschwerdestelle gemeldet werden. Informieren Sie sich auch über Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und Hilfsangebote.

Weitere Informationen erhalten Betroffene wie Angehörige z. B. bei Beratungsstellen wie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Hungrig Online“, ANAD e. V. oder neuhland e. V..

Quelle:
Presseinformation der Polizei www.polizei-dein-partner.de