Raus aus der Schublade und rein in die Ohren!
Wer Hörgeräte nicht trägt, riskiert neben sozialer Isolation auch kognitive Einbußen
„Ja, ich kenne Patienten mit Hörgeräten, aber die liegen meist in der Schublade.“ Diese Aussage einer Bekannten, die als Altenpflegerin arbeitet, ist für Cornelia Schwanemeier ein typisches Beispiel für den oft nachlässigen Umgang mit schwerhörigen alten Menschen. Die Studentin der Sozialen Arbeit an der FH Münster möchte die sozialen Auswirkungen von Schwerhörigkeit bekannter machen: bei Betroffenen, um die Hemmschwelle zum Tragen von Hörgeräten zu senken. Aber auch bei Sozialarbeitern und Pflegekräften, um sie für die besondere Situation von Schwerhörigen zu sensibilisieren.
Sie nahm über zwei Semester an dem Projektseminar „Gerontologische Forschungswerkstatt“ von Dr. Elisabeth Philipp-Metzen teil. „Der Wunsch nach einem Seminar, das ältere Menschen in den Fokus rückt, kam von den Studierenden selbst“, erklärt Philipp-Metzen. „Ich habe keine Themen vorgegeben, alle Teilnehmer haben ihre Fragestellung selbst ausgewählt“, so die Diplom-Gerontologin.
Um die sozialen Auswirkungen von Schwerhörigkeit im Alter in ihrer Studienarbeit darzustellen, führte Schwanemeier – neben der Fachliteraturrecherche – qualitative Interviews mit einer Betroffenen und einem Hörgeräteakustiker durch.
„Schwerhörigkeit im Alter ist ein gesellschaftlich und gesundheitspolitisch relevantes Thema“, sagt Philipp-Metzen. „Die Erkrankung hat unmittelbare Auswirkungen auf den Alltag und das subjektive Wohlbefinden älterer Menschen.“
Für Schwanemeier hat das Thema zudem eine besondere Bedeutung, da sie selbst schwerhörig und auf Hörgeräte angewiesen ist. „Was ist, wenn ich mal pflegebedürftig werde?“, war eine der Fragen, die sie motivierte. Ihre Arbeit führte sie zu der Erkenntnis, dass in Deutschland „noch viel Aufklärungsarbeit“ zu leisten ist.
Hörverlust verläuft meist schleichend und wird oft zuerst von Außenstehenden bemerkt. Den Betroffenen fällt es häufig sehr schwer, ihre Schwerhörigkeit zu akzeptieren, so dass sie den Gang zum Ohrenarzt aufschieben. Bis sie also endlich mit Hörgeräten versorgt sind, ist bereits viel kostbare Zeit verstrichen, in der sie das Hören regelrecht verlernen.
„Geräusche und Töne, die nicht im Gehirn ankommen, kann es auch nicht verarbeiten“, erläutert Schwanemeier. „Dies führt zu kognitiven Einbußen.“
Auch soziale Isolation ist ein Problem:
Ohne Hörgeräte ermüden schwerhörige Menschen schneller, da ihnen alles zu anstrengend ist. Sie wirken dann oft teilnahmslos und desinteressiert und ziehen sich zurück. „Dies kann mit Demenz oder Depression verwechselt werden“, sagt die angehende Sozialarbeiterin.
Sie fordert, dass die immense Bedeutung guten Hörens und die sozialen Auswirkungen von Schwerhörigkeit stärker in die Ausbildung von Altenpflegern und Sozialarbeitern einfließen.
Außerdem wünscht sie sich mehr Aufklärung – zum Beispiel durch Flyer in Arztpraxen – und setzt sich dafür ein, dass Hörscreenings für ältere Menschen Teil der regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen werden. Um dies zu erreichen, hat sie bereits eine Krankenkasse angeschrieben und plant, sich auch an den Gemeinsamen Bundesausschuss zu wenden.
Ihre Bekannte aus der Altenpflege hat sich auf jeden Fall fest vorgenommen, künftig stärker darauf zu achten, dass die Hörgeräte ihrer Patienten nicht ungenutzt in der Schublade liegen.
Wer gern mehr erfahren möchte, schaut bitte direkt bei der Fachhochschule Münster unter www.fh-muenster.de rein
Links:
• Studiengang „Soziale Arbeit“
https://www.fh-muenster.de/fb10/studiengaenge/studienbewerbungbachelor.php
• SWR-Film „Hilfe ich brauche ein Hörgerät“
http://www.swr.de/betrifft/betrifft-hoergeraet-tabu/-/id=98466/did=15504550/nid=98466/vt3rsg/index.html