Magersucht: Frühe Behandlung für Therapieerfolg entscheidend
DGPM fordert mehr Forschung zu Essstörung
Junge Patienten, die an Magersucht leiden, haben eine realistische Chance, wieder gesund zu werden. Dies gilt besonders, wenn ihre Behandlung frühzeitig beginnt. Das geht aus einer soeben in der Zeitschrift Lancet Psychiatry veröffentlichten Empfehlung internationaler Essstörungsexperten über die Anorexia nervosa (AN) hervor.
Es bestehe jedoch weiterhin großer Forschungsbedarf. Er betreffe zum einen erwachsene Magersüchtige, für die es bisher nur eingeschränkt wirksame Behandlungen gebe. Zum anderen fehlten Therapiekonzepte, die gezielt an psychobiologischen Entstehungsmechanismen ansetzten.
Die genauen Ursachen der Erkrankung müssen weiter erforscht werden, sagt auch die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (DGPM). Erst so könnten eine bessere, schnellere und dauerhafte Heilung erzielt und auch entsprechende Präventionsprogramme aufgelegt werden.
Magersucht gilt als die gefährlichste aller psychischen Krankheiten: Im Langzeitverlauf führt sie bei bis zu fünf Prozent der Patienten zum Tod, weit mehr als bei Depressionen oder Schizophrenie. Hierzulande sind etwa ein Prozent der weiblichen Bevölkerung und bis zu 0,5 Prozent der Männer an Magersucht erkrankt.
„Trotz der Schwere der Erkrankung sind wir von einem umfassenden wissenschaftlichen Verständnis der Essstörung noch weit entfernt“, sagt Professor Dr. med. Stephan Zipfel, Erstautor der Arbeit und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen.
Jedoch habe es in den letzten fünf Jahren wichtige neue Erkenntnisse zu möglichen Ursachen und Therapieansätzen der AN gegeben. Diese sind in der Übersichtsarbeit zusammengefasst.
Die Auswertung der vorliegenden Studien zeige etwa, dass rund 40 Prozent aller Patienten unter Therapie wieder gesund würden; bei jungen Patienten liege der Anteil noch deutlich höher. „Ein früher Zugang zu qualifizierter Hilfe ist entscheidend für eine gute Prognose“, betont Zipfel, der das Kompetenzzentrum für Essstörungen (KOMET) in Tübingen leitet.
Das kritische Zeitfenster hierfür liege bei einer Erkrankungsdauer von unter drei Jahren – danach würde eine vollständige Genesung immer schwieriger.
„Ärzte aller Fachrichtungen müssen deshalb darin geschult sein, AN frühzeitig zu erkennen und ihre Patienten gegebenenfalls rasch zu Spezialisten überweisen“, fordert Professor Dr. med. Harald Gündel, Mediensprecher der DGPM.
Bei Heranwachsenden mit AN haben sich spezifische familienorientierte Behandlungsansätze als besonders wirksam erwiesen. Bei diesen Therapien handelt es sich um ambulante Ansätze, bei denen Eltern konkrete Unterstützung und Schulung erhalten, um die Hauptverantwortung für Essen und Gewicht ihrer Kinder übernehmen zu können.
Obwohl es zunehmend Studien gibt, die auch die verschiedenen Behandlungsverfahren bei Erwachsenen untersucht haben, hat sich in dieser Altersgruppe bisher jedoch noch kein Therapieansatz als klar überlegen herauskristallisiert.
Des Weiteren existieren zahlreiche neue, psychobiologische Konzepte, wie beispielsweise eine gezielte Gehirnstimulation, oder telemedizinische Begleitung, die in ihrer Wirksamkeit jedoch noch nicht abschließend überprüft wurden.
„Es besteht Übereinstimmung darüber, dass wir dringend neue Behandlungskonzepte brauchen, um die Ergebnisse weiter zu verbessern, besonders bei Erwachsenen“, betont Zipfel.
Ein wichtiger Ansatz liege im Erforschen und gezielten Adressieren von Krankheitsmechanismen. Diese Kenntnisse könne man auch zur Prävention nutzen.
„Momentan ist es jedoch entscheidend, die Signale rechtzeitig zu erkennen und früh mit der Behandlung zu beginnen“, so Gündel.
Wer gern mehr erfahren möchte, schaut bitte direkt unter Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) - www.dgpm.de
Quelle:
Stephan Zipfel, Katrin E Giel, Cynthia M Bulik, Phillipa Hay, Ulrike Schmidt: Anorexia nervosa: aetiology, assessment, and treatment. Lancet Psychatry, Oktober 2015.
Das Abstract zur Studie finden Interessierte hier: http://www.thelancet.com/journals/lanpsy/article/PIIS2215-0366(15)00356-9/abstract