Neue Hoffnung für Patientinnen mit PIP-Implantaten

Erstmals besteht auch für PIP-geschädigte deutsche Frauen ohne Rechtsschutz die Möglichkeit, Ansprüche in einem Prozess in Frankreich geltend zu machen

Bis Mitte März können sich geschädigte Frauen melden 

Als 2010 herauskam, dass die Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) mit billigem, gesundheitsschädlichem und nicht für medizinische Zwecke zugelassenem Industriesilikon gefüllt waren, kam ein riesiger Medizinskandal ans Licht, dessen Folgen noch weit in die Gegenwart reichen.

Über 30.000 betroffenen Frauen wurde kurz nach Bekanntwerden dazu geraten, sich die gefährlichen Silikonkissen vorsorglich herausnehmen zu lassen. Doch für viele Frauen kam diese Information zu spät, da die Implantate im Körper schon gerissen waren und schwere Entzündungen hervorgerufen hatten.
 
Geschädigte ohne Rechtsbeistand können trotzdem klagen
Für viele geschädigte Frauen, die keine Rechtsschutzversicherungen besitzen, bestehen in Deutschland nur noch sehr begrenzt Möglichkeiten, Ansprüche geltend zu machen, ohne ein erhebliches finanzielles Risiko einzugehen. In der Vergangenheit liefen in Frankreich jedoch bereits erfolgreich Gerichtsverfahren, die sich mit den Entschädigungen für Betroffene auseinandersetzten.

So traten dort 1.700 Frauen als Nebenklägerinnen auf und erhielten nach einem Urteil vom 14. November 2013 pro Person vorläufig 3.400 Euro Schadensersatz zugesprochen. Die Überweisung der insgesamt 5,7 Millionen Euro war die Voraussetzung dafür, dass das Berufungsgericht den Einspruch des TÜV gegen das Urteil überhaupt weiter verfolgte.

Unter dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ setzt sich nun der Anwalt Christian Zierhut auch für Frauen ohne Rechtsschutzversicherung aus Deutschland ein.

Ende März wird der engagierte Patientenanwalt mit seinen Mandantinnen in eine Klage gegen TÜV RHEINLAND FRANCE SAS und TÜV RHEINLAND LGA PRODUCTS GmbH vor dem Handelsgericht in Toulon mit eintreten.

Gegen eine Selbstbeteiligung von 400 Euro und ein Erfolgshonorar bieten die französischen Kollegen von Zierhut Betroffenen die Möglichkeit, an diesem Verfahren als Nebenklägerin teilzunehmen, um eine Vorschussleistung in Höhe von mindestens 3.000 Euro einzuklagen sowie gegebenenfalls die Bestellung eines Sachverständigen durch das Gericht zu beantragen, der für jede geschädigte Frau individuell ein medizinisches Gutachten erstellt.

Auf Grundlage dieses Gutachtens sollen in einem späteren Hauptverfahren höhere Schadensersatzbeträge eingeklagt werden. Dort können teilnehmende Patientinnen noch einmal mit einer deutlich höheren Abfindung rechnen.

„Dies ist für viele die letzte Möglichkeit, Ansprüche auf eine Abfindung geltend zu machen, da die meisten Betroffenen ohne Rechtsschutz wegen des hohen Prozessrisikos von einer Rechtsverfolgung in Deutschland Abstand nehmen müssen. In Frankreich haben sich schon über 4.000 Frauen registriert. Laut meiner französischen Kollegen handelt es sich um die letzte Klage, die für die Opfer vor einem Zivilgericht in Frankreich gegen den TÜV geführt wird“, erklärt der Anwalt und ergänzt: „Es wird aller Voraussicht nach das gleiche Kollegium wie im ersten Verfahren entscheiden. Die Richter sind zwar nicht an das erste Urteil gebunden und noch ist offen, wie das Berufungsgericht in Aix en Provence in zweiter Instanz entscheidet, aber wir hoffen, dass das Gericht seiner eigenen Rechtsprechung folgt und erneut eine Verurteilung des TÜV ausspricht.“
 
Institut zur Vermittlung von Patientengutachten schafft Transparenz
Als beratender Gutachter für die Patientenseite tritt Dr. med. Jens Kauczok auf. Der Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie weiß um den Leidensdruck der PIP-Patientinnen: „Der Schaden ist sowohl gesundheitlich als auch psychisch und finanziell für die Frauen enorm.

Sowohl für Betroffene, deren Implantate im Körper gerissen waren, als auch im Fall vorsorglicher Entfernung gab es keinen Ersatz in Form von neuen Implantaten oder einer Straffung.“

In Bezug auf die Produktsicherheit von medizinischen Artikeln bemerkt er zudem: „An diesem Fall zeigt sich, mit welchen Mitteln Kontrollen umgangen und Prüfinstitute getäuscht werden können. Für eine Gewährleistung von Produktauszeichnungen ist es nötig, dass stichprobenartige Kontrollen vor allem unangekündigt ablaufen müssen, damit Patienten und Ärzte auf Prüfsiegel vertrauen können.“

Auch zum Thema medizinische Gutachten, beispielsweise bei Kunstfehlern, setzen sich Patientenanwalt Christian Zierhut und Facharzt Dr. med. Jens Kauczok für Patienten ein. Mit einem Institut zur Vermittlung von entsprechend qualifizierten Ärzten wollen sie für Patienten den richtigen Gutachter finden und die Möglichkeit bieten, über gerichtsfeste Privatgutachten unabhängige Zweitmeinungen zu erhalten.

„So helfen wir geschädigten Patienten, die richtige Entscheidung zu treffen, zum Beispiel für einen Arzthaftungsprozess“, erklärt der Anwalt. Informieren können sich Interessierte auf www.behandlungsfehler.com.
 
Für das Ende März beginnende PIP-Verfahren in Frankreich können sich geschädigte Frauen bis zum 15. März 2015 bei Anwalt Zierhut melden und in die Klage eintreten.

Die Registrierung dafür ist unter www.patientenanwalt.de  möglich.
 
Der erste Verhandlungstermin vor dem Handelsgericht Toulon findet voraussichtlich bereits am 18. Mai 2015 statt.